forgotten kings

engel

- Devin -

Natürlich habe ich nicht vorgehabt, länger in einer Zelle zu sitzen, als ich müsste. Besonders nicht bei diesem Gestank hier. Hier auszubrechen ist auch gar nicht schwierig gewesen, zumindest, als ich das richtige Werkzeug parat gehabt habe.

Nachdem Zions und meine Zelle offen gewesen ist, habe ich mich mit meinem provisorischen Dietrich-Nagel um Yashas Zelle und seine Handschellen gekümmert. Und wenig später sind wir aus dem Kerker geflüchtet. Ich hätte nie gedacht, dass mich Kenay so schnell findet, aber er hat es tatsächlich geschafft. Ich bin mehr als nur beruhigt, als ich seine Stimme höre - auch, wenn ich das noch immer komisch finde.

Den Kerker verlasse ich dennoch als letzter, gehe die Treppen runter und bleibe erschrocken stehen, als ich die junge Frau sehe. Eine junge Frau mit... angelegten Flügeln? Meine Frage, ob sie ein Engel sei, ignoriert die Frau aber vollkommen. Stattdessen... Stattdessen stellt sie mir eine Gegenfrage. Ob sie damit Recht habe, dass ich von den Toten auferstanden sei. Ich höre nur vage, wie Kenay meinen Namen sagt, bevor mir schwarz vor Augen wird.

Als ich noch auf der Straße gelebt habe - zum Glück waren es nur zwei Jahre -, war es im Winter natürlich am schlimmsten. Es war ja schon schwer genug bei Regen etwas zu finden, das einen trocken hielt - abgesehen von ein paar Brücken vielleicht -, aber im Winter etwas zu finden, um nicht zu erfrieren war schwierig. Ich habe mich meistens in die Kirche verzogen. Sie war glücklicherweise immer geöffnet. Zwar war es da drin nie sonderlich warm, aber warm genug, um sich ein wenig aufzuwärmen und die Nacht zu überleben. Sicher, ich war schon irgendwo vor Kälte draußen eingeschlafen, aber ich hatte immer das Glück, dass mich andere Obdachlose oder irgendwelche Punks aufgeweckt haben. Dieser eine Tag aber hatte mein Leben vollkommen verändert.

Es war tiefster Winter und es hatte riesige, weiße Flocken geschneit, als ich die Kirche früh am Morgen verließ. Natürlich war es kalt, Minusgrade, aber es fühlte sich nicht allzu kalt an. Es war irgendwie... Angenehm. Was aber auch an meinem Fieber hätte liegen können. Tatsächlich hatte ich mir darüber aber gar keine Gedanken gemacht, schließlich hatte ich ungeheuren Hunger und somit ganz andere Probleme. Sowas passierte eben, wenn man seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen hatte.

An dem Morgen hatte ich mich dazu entschlossen, dreist in einen kleinen Bäcker zu laufen und mir irgendetwas zu klauen. Wahrscheinlich hätte ich auch in einer Mülltonne etwas Essbares finden können, aber diesen Versuch wollte ich aus einem mir völlig unerfindlichen Grund nicht wagen. Zumindest nicht an diesem Tag.

Als ich die Bäckerei betreten hatte, schwang mir augenblicklich der Duft von frischem Brot entgegen und mein Magen fing unwillkürlich zu Knurren an.

»Guten Morgen. Was darf's sein?«, fragte mich die Frau mit einem Lächeln und ich schüttelte daraufhin den Kopf.

Natürlich musste mir mein Gewissen einen Strich durch die Rechnung machen.

»Ich.. hab meinen Geldbeutel vergessen...«, antwortete ich - ohne es eigentlich wirklich zu wollen -, machte auf meinem Absatz kehrt und ging wieder hinaus in die Kälte, die mir ironischerweise noch immer gut tat.

Das war's dann auch mit meinem Frühstück gewesen. Ohne darauf zu achten, ob ein Auto kam, ging ich über die Straße. Mit meinen Gedanken war ich völlig woanders und fand mich erst in der bitteren Realität wieder, als neben mir ein hupendes Auto auftauchte.

»Vollidiot! Sieh gefälligst auf die Straße!!«, maulte mich der Fahrer an, woraufhin ich abwehrend die Hände hob.

»S-sorry!«, entwich es mir lediglich.

Erstaunlicherweise hatte mich das Auto überhaupt nicht erschrocken. Vielleicht hatte ich ja sowas wie Todessehnsüchte..?

Ich muss Stunden durch die Gegend gestreift sein, von einer Ecke zu anderen und allmählich machte sich auch die Kälte bemerkbar. Bibbernd rieb ich mir über die Arme und blieb mit dem Blick auf ein Café stehen. Viel zu gerne hätte ich mich dort hineingesetzt, aber den Gedanken verwarf ich gleich im nächsten Moment wieder.