lillian

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- Zion -

Nach dem Drachenangriff und dem Feuerinferno habe ich wirklich gedacht, dass es nicht schlimmer werden könnte. Aber es ist tatsächlich anders passiert.

Als der Drache davon geflogen ist, haben Yasha und ich uns auf den Weg gemacht, uns das Dorf genauer anzusehen. Yasha hat darauf bestanden, hat die Hoffnung gehegt, dass jemand überlebt haben könnte. Woher er immer diese Hoffnungsschimmer hat, kann ich nicht sagen. Aber als ich das Flammenmeer gesehen habe, bin ich schwer der Meinung gewesen, dass das niemand überlebt haben könnte. Schlechterdings hab ich mich geirrt.

Irgendwo in einem nahezu völlig abgebrannten Häuschen ist ein kleines Mädchen gesessen, kaum älter als sieben Jahre, dreckig von Ruß und Erde, aber erstaunlicherweise nicht verletzt. Ich bin der ganzen Sache misstrauisch gegenüber gestanden, anders als Yasha, der das Kind mit offenen Armen empfangen und zu meinem Leid mitgenommen hat. Alle anderen aus dem Dorf sind tot und natürlich ist das Mädchen nach dem Drachenangriff völlig verstört gewesen. Es hat Yasha Stunden gekostet, ihren Namen herauszufinden. Lillian. Es hat aber noch länger gedauert, bis sie zu weinen aufgehört hat. Irgendwann hat sie aufgehört.

Lillian hat mich viel zu sehr an mich selbst erinnert. Damals, als meine Eltern in diesem Brand umgekommen sind und ich allein vor dem brennenden Haus gestanden habe. Allein, inmitten dieser seltsamen Hektik die um mich herum geherrscht hat und ohne dazu fähig zu sein mich zu bewegen. Ich habe weder Juniper noch Yasha je davon erzählt. Auch nicht, dass ich auf der Straße aufgewachsen bin, nachdem ich meine Eltern verloren habe. Zumindest bis ich sieben geworden bin und man mich als Leibwache des Prinzen gewollt hat. Das ist mehr als nur ungewöhnlich gewesen, jemanden von der Straße zu holen, ganz besonders jemanden aus einem anderen Königreich. Dennoch bin ich dankbar gewesen. Dankbar und froh. Ich habe erst Jahre später erfahren, das Amílcar - der zweitälteste von Junipers Brüdern - darauf bestanden hat, mich nach Rubia mitzunehmen.

Ich habe natürlich nicht damit gerechnet, dass irgendwelche Wachen unterwegs sein und uns suchen würden. Und ich habe auch keine Ahnung was mich dazu geritten hat, nach Avenia zu gehen. Vielleicht ist das der Fehler gewesen?

Allzu lange hat der Fußmarsch vom Dorf aus nicht gedauert, um nach Avenia zu kommen, zweieinhalb Tage nur. Sicherheitshalber sind wir durch den Wald marschiert, um die Grenze zu umgehen. Auch wenn Avenia und Rubia benachbarte und befreundete Königreiche sind, die Grenzposten sind immer schon da gewesen. Und keiner kennt Avenias Grenzwälder besser als ich.

Wir sind fast am Ziel gewesen, nur noch ein paar hundert Meter haben uns gefehlt. Lillian ist zu müde und zu erschöpft gewesen, um selbst zu gehen, weswegen sie auf Yashas Schultern gesessen hat. Das ist mir auch recht gewesen, schließlich ist sie sein Kind. Nicht, dass ich Kinder nicht mag, aber es ist mir suspekt gewesen, Lillian unverletzt inmitten eines abgebrannten Hauses vorzufinden.

Als wir eine Lichtung erreicht haben, bin ich abrupt stehen geblieben und habe mit dem Zeigefinger an meinen Lippen bedeutet, dass Yasha und Lillian leise sein sollen. Aber man hat uns schon entdeckt gehabt, bevor ich die Wachen gehört habe. Wieso habe ich sie nicht gehört?

»Meine Herren. Sie werden angeklagt, Hérion niedergebrannt zu haben.«, hat eine Stimme plötzlich gesagt und ein Mann ist auf die Lichtung aus dem Wald getreten, »Folgt mir und niemand wird verletzt.«

Ich habe meine Hand bereits am Gefäß meines Schwertes gehabt, als ich Yashas Worte höre.

»Nicht.«, hat er gemurmelt, Lillian von seinen Schultern genommen und sich an den Wachmann gewandt, »Warum seid Ihr der Meinung, dass wir das gewesen sind? Hérion gehört zu Rubia, nicht zu Avenia.«

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