urlaub

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- Devin -

Meinen Urlaub hab ich mir eigentlich anders vorgestellt. Aber man rechnet ja auch nicht damit, seinen Urlaub mit einem - zumindest macht es mir den Anschein - verwöhnten Wolf zu verbringen. Kenay sitzt am Tisch, was an sich schon völlig banal ist und besitzt mittlerweile den größten Teil meines Bettes. Natürlich bin ich anfangs vorsichtig gewesen, allerdings ist mir schnell aufgefallen, dass Kenay lediglich knurrt. Vielleicht kann er ja gar nicht beißen?

Als ich heute aufwache, liegt Kenay quer auf mir und schlummert zufrieden. Gedankenverloren kraule ich den Wolf hinterm Ohr und gähne kurz.

»Hab ich dich geweckt?«, frage ich und bekomme ein Seufzen als Antwort, »Das fass' ich jetzt mal als ja auf.«

Um aufzustehen bin ich gerade definitiv zu faul, weswegen ich einfach liegen bleibe und mir die Zeit damit vertreibe, Kenay weiter hinterm Ohr zu kraulen. Kenay ist jetzt seit fast einer Woche bei mir und glücklicherweise sehen seine Wunden schon viel besser aus. Er hinkt zwar noch ein wenig, aber er scheint keine allzu großen Schmerzen zu haben.

Als ich meinen Gedanken nachhinke, fängt Kenay plötzlich zu Knurren an und erhebt sich ruckartig, was mich irritiert blinzeln lässt.

»Was hast du denn?«, frage ich, ehe es an der Tür klingelt.

Ob Kenay das gespürt hat? Seufzend stehe ich auf und gehe - nur in Boxershorts bekleidet - an die Tür. Hin und wieder hat es seine Vorteile im Erdgeschoss zu wohnen, jetzt aber ist es schweinekalt. Dennoch finde ich die Kälte gerade ziemlich angenehm. Als ich die Tür öffne, steht ein kleiner, blonder Junge vor mir. Noch immer knurrt Kenay und als ich zu ihm blicke, sieht er aus, als wollte er ihn gleich angreifen.

»Kenay, geh ins Wohnzimmer.«, sage ich und weise in den Raum, als er mich verständnislos ansieht, »Ins Wohnzimmer!«

Schnaubend hinkt der weiße Wolf ins besagte Wohnzimmer, bevor ich mich wieder an den kleinen Jungen wende.

»Kann ich dir-«

»Ist das Ihr Hund? Er ist... schön.«, unterbricht er mich und ich blinzle ein wenig.

»Ja, danke. Aber-«

»Darf ich mit ihm Spazieren gehen?«

»Also.. Eigentlich ni-«

»Wie lange haben Sie ihn schon?«

Ich schiebe die Augenbrauen zusamen und frage mich, warum mich dieses nervige Kind andauernd unterbricht. Dass sich Kenay dabei aus dem Wohnzimmer schleicht, bemerke ich nicht.

»Ich denke, es ist besser, wenn du-«

»Kann ich Ihren Hund haben? Ich habe Geld! So viel sie wollen!«

»Ich mach jetzt die Tür zu.«

As ich daran bin, die Tür zu schließen, stellt der Zwerg seinen Fuß zwischen die Tür und ich meine mir sicher zu sein, dass seine Augen rot aufgeleuchtet haben.

»Was zum...«, sage ich und stemme mich gegen die Tür.

Es ist mehr als nur offensichtlich, dass mit dem Kind etwas nicht stimmt. So stark kann ein Kind schließlich nicht sein!

»Ich will deinen Hund!«

Erschrocken stemme ich mich noch mehr gegen die Tür. Von der kindlichen Stimme ist auf einmal nichts mehr zu hören, stattdessen klingt es... eher wie ein Monster.

»Alter..! Verpiss dich endlich!«, beschwere ich mich lautstark und sehe, wie sich nun auch Kenay gegen die Tür stemmt.

Ich bin mir nicht sicher, ob das für seine Wunde am Bauch wirklich von Vorteil ist, doch selbst zu zweit haben wir keine Chance die Tür zuzubekommen. 

»Gib mir deinen Hund!«, faucht die Stimme hinter der Tür, als Kenay von ihr weg geht.

»Kenay, bleib hier!«

Aber Kenay ist zu stur um auf mich zu hören. Ehe ich mich versehe, beißt er dem komischen Jungen ins Bein. Er schreit wie am Spieß, ich kann hören, wie er zurücktaumelt und bin mehr als nur froh, dass Kenay den Kopf wieder schnell genug in der Wohnung hat. Mit einem lauten Krach fällt die Tür ins Schloss, als ich kein Widerstand mehr auf der anderen Seite habe  und rutsche an ihr zu Boden.

»Was zum Teufel war das denn?«, frage ich und sehe Kenay an, »Geht's dir gut?«

Kenay setzt sich neben mich und sieht mich an, wobei mir auffällt, das er irgendetwas Schwarzes an seinem Maul hat. Ich wische es ihm mit der Hand weg und blinzle, als ich diese klebrige Flüssigkeit an meiner Hand habe. Was ist denn das für ein komisches Zeug? Vor der Tür kann man noch immer dieses grässliche Geschrei hören, ich versuche es zu ignorieren, doch das muss ich gar nicht. Mit einem Mal verstummt der Lärm einfach und ich blinzle erneut. Ich stehe auf, hole einmal tief Luft und lege die Hand an die Klinke, bevor Kenay aufwimmert.

»Ich will doch nur sehen, ob er noch da ist.«, versuche ich ihn zu beruhigen und öffne die Tür einen Spalt weit.

Von dem komischem Jungen ist tatsächlich nichts mehr zu sehen. Es macht auch nichts den Anschein, als dass irgendjemand sonst ihn gesehen hat oder dass er je hier gewesen wäre. Ich schließe die Tür wieder, sichtlich irritiert darüber, und blicke zu Kenay.

»Hey, Kumpel. Wir gehen in die Küche, dann machen wir dich sauber.«

Kenay macht sich sogleich auf den Weg, während ich die Tür noch einmal ansehe und dem Wolf schließlich in die Küche folge. Mit einem nassen Lappen wische ich Kenays Maul sauber und muss gestehen, dass ich ein wenig aufgewühlt bin. Ein wenig sehr sogar. Kommt ja nicht alle Tage vor, dass sowas passiert. Dennoch beschleicht mich zusätzlich das komische Gefühl, dass Kenay irgendetwas zu wissen scheint.

»Dir hätte sonst was passieren können. Was, wenn der komische Zwerg ein Messer gehabt hätte?«, mahne ich ihn, »Leg dich hin. Ich will mir deine Wunde ansehen.«

Kenay schnaubt und grummelt ein wenig, legt sich aber tatsächlich auf den Boden und dreht sich so, dass ich seinen Verband abnehmen und mir die Wunde ansehen kann. Nachdem ich den Verband abgenommen habe, betrachte ich die Wunde und seufzte ein wenig, weil sie wieder aufgeplatzt ist.

»So wird das nichts, Kenay. Du kannst nicht auf andere losgehen, als wärst du kerngesund.«

Nun ist es Kenay der seufzt, aber das hindert mich nicht daran aufzustehen und mich um seine Wunde zu kümmern. Nachdem ich Desinfektionsmittel, Salbe und Verband zusammen habe, sehe ich den weißen Wolf mitleidig an. Er weiß genau was jetzt kommt, aber mir scheint, als hätte er sich schon beinahe daran gewöhnt. Ich mache die Wunde wie gehabt sauber, desinfiziere sie nach einer kurzen Warnung, packe die Salbe drauf und verbinde sie fein säuberlich. Als ich Kenay versorgt habe, seufzt er erleichtert und ich bringe den Müll weg, bevor ich zufällig einen Blick aus dem Fenster werfe. Auf der anderen Straßenseite auf dem Fenstersims des gegenüberliegenden Hauses sitzen zwei Raben die unentwegt in meine Richtung starren. Nach dem Vorfall mit dem komischen Kind - ich fühle noch immer das Bibbern in meinen Knochen -, ist mir ziemlich unwohl bei dem Gedanken von zwei Raben beobachtet zu werden. Kurzerhand lasse ich den Rollladen runter.

»Das glaubt mir wirklich keiner...«, murmle ich und schüttle den Kopf, ehe ich mich wieder an Kenay wende, »Ab Dienstag muss ich wieder arbeiten, das heißt du bist die Nacht über allein. Das schaffst du doch, oder?«

Kenay gibt auf eine Frage hin einen zustimmenden Laut von sich und ich frage mich, wie schon so oft in den vergangenen Tagen, ob Kenay tatsächlich alles versteht, was ich ihm sage oder worüber ich mit ihm rede. Sicherheitshalber lasse ich in der ganzen Wohnung die Rollläden runter, gehe mittags und am Abend nochmal mit Kenay raus - was anfangs auch eine ziemliche Herausforderung darstellte und eher aussah, als wüsste man gar nicht wie man sein Geschäft macht.


Bis zum Dienstag war ich auf der Hut, aber glücklicherweise passierte kaum etwas Seltsames mehr. Abgesehen davon, dass ich mich immer und überall beobachtet fühlte. Es vergehen drei weitere Wochen, in denen ich mich mit Kenay echt gut arrangiere und ich immer deutlicher sehe, dass es ihm besser geht. die Besorgnis erregende Wunde ist so gut wie verheilt und er scheint auch  keinerlei Schmerzen mehr zu haben. In einer Woche kann ich ihn sicher wieder in den Wald zurück bringen, wo er ja eigentlich auch hingehört. Was will ein Wolf schon in der Stadt?

forgotten kingsWhere stories live. Discover now