avenia

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- Juniper -

Ich höre noch, wie Devin mir zuruft, kaum verständlich durch das Rattern des Karrens. Blinzelnd bleibe ich zurück und frage mich, ob sie ihn direkt nach Calanon bringen oder nicht. Ich entscheide mich dazu, ihnen zu folgen, renne ihnen gehetzt auf meinen vier Pfoten hinterher, aber ich kann sie nicht einholen. Der Abstand zwischen mir und dem Karren wird immer größer, bis ich sie aus den Augen verliere und hechelnd stehen bleibe.

Natürlich könnte ich versuchen, die Witterung aufzunehmen - wie ein Wolf das eben macht -, aber... ich rieche nichts.

»Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, schreie ich, drehe mich zwei-, dreimal im Kreis und stoße einen tiefen Seufzer aus.

Womöglich muss ich nur dem Weg folgen und würde dann sicher irgendwo ankommen. Als ich wieder zu Atem gekommen bin, setze ich diese Idee in die Tat um und muss nach einem zerknirscht feststellen, dass ich an einer Weggabelung angekommen bin.

Mit einem Mal taucht ein kleines Mädchen neben mir auf und ich weiche erschrocken zurück.

»Ihr seid auf der Suche nach diesem sonderbaren Jungen, habe ich Recht?«

Knurrend sehe ich das Mädchen vor mir an und gehe in Angriffsstellung - macht man schließlich als Wolf so. Doch das scheint das Mädchen nicht zu beeindrucken.

»Ich kann Euch helfen ihn zu finden.«, sagt sie nun, während ich sie weiter im Auge behalten.

»Wer bist du?«, will ich wissen und setze mich hin.

Mein Blick schweift kurzzeitig durch die Gegend, in der einfach nichts geschieht. Es ist beunruhigend ruhig und unnatürlich windstill. Vorallem für diese Gegend hier.

»Ich heiße Lillian. Und es freut mich überaus Euch kennen zu lernen, mein Prinz.«

»Woher-«

»Ich weiß viele Dinge, auch, wenn ich für Euch unscheinbar wirken mag. Nichtsdestotrotz ist es hier nicht sicher für Euch, Juniper. Allen voran Rubia könnte Euer Todesurteil sein.«

Ich betrachte das Mädchen mit Argwohn, bevor ich mich erneut umsehe. Zion hätte mich davor gewarnt, einem wildfremden, aus dem Nichts auftauchenden, kleinen Mädchen zu trauen, aber ich werfe diese Vorsicht einfach über Bord. Irgendetwas sagt mir, dass Lillian nicht gefährlich ist. Sonderbar, aber nicht gefährlich. Ich bin ein wenig irritiert über mich selbst, als ich mich mit meinem rechten Hinterbein hinter dem Ohr kratze.

»Also schön, Lillian Du hast von Devin geredet, oder? Wo bringen sie ihn hin? Nach Calanon?«, frage ich nun und höre auf mich zu kratzen.

»Nach Calanon, mein Prinz.«, antwortet sie mir, »Lord Zion und Lord Yasha sind dort ebenfalls. Seit vielen Monaten schon.«

»Wie?! Aber warum?«

»Sie wurden angeklagt, Hérion niedergebrannt zu haben.«

»Ja, aber.. Wieso sind sie dann in Calanon? Avenia hat doch nichts mit Hérion zu tun. Selbst, wenn es sich um ein Grenzgebiet handelt.«

»Seit Eurer sicheren Flucht hat Rubia keinen König mehr. Ihr habt das Schloss gesehen, es versinkt von Tag zu Tag im Boden. Es sind dunkle Mächte auf dem Vormarsch, genau so, wie Euer Vater es gesagt hat.«

Ich stehe wieder auf und gehe dem kaum leserlichen Schild nach, das mir am ehesten den Weg nach Calanon aussieht.

»Du bist keine sieben Jahre alt.«, stelle ich fest, als Lillian zu mir aufholt.

forgotten kingsWhere stories live. Discover now