#15 S.U.F.F.E.R.

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Über Aeron Patéres

„Sie haben Angst, sehe ich das richtig?", fragte die nette Frau mit der runden, schwarzen Brille und dem roten Schopf.

Aeron sah sie nur unverwandt an.

„Ich sollte Angst haben?", fragte er zurück. „Angst - vor Menschen aus der Vergangenheit?"

Die Frau lächelte leicht und schüttelte den Kopf. „Vor dem Mädchen?"

Aeron verstand nicht, worauf sie hinauswollte. Er hatte gedacht, eine Freundin zu haben, die Therapeutin von Beruf war, wäre praktisch, aber jetzt fühlte er sich zunehmend unwohl. Eigentlich hatte er erwartet, dass sie ihm schlichtweg Tipps gegen die Albträume geben würde.

„Doch nicht vor Lory."

Die Dame verschränkte die Arme und atmete tief durch, bevor sie weiter redete.

„Vor den Konsequenzen, die folgen könnten, nachdem sie die Wahrheit ans Licht gebracht hat?"

Empört sah der Leiter S.U.F.F.E.R.s auf und starrte sie an. „Wie kannst du das sagen? Es entspricht keinesfalls der Wahrheit! Ich bin der Meinung, jeder hat seine eigene Form von", er hielt kurz inne, Wahrheit."

Die Therapeutin ließ sich keine Zweifel anmerken. Sie war sich über diese Sache im Großen und Ganzen nicht sicher.

„Erstmal möchte ich, dass wir uns während der ersten Sprechstunde siezen, egal, was Sie davon halten. Und zweitens: Was sind das für Sachen, die angeblich nicht der Wahrheit entsprechen?"

Aeron starrte sie an. Erinnerungen überschwemmten seinen Geist, als ihre Worte erst richtig an sein Ohr gelangten. Ähnliche Fragen waren schon einmal an ihn gestellt worden. Und leider hatte er sie nicht einmal selbst beantworten müssen, denn die Person, die ihn damals gefragt hatte, war über jedes Detail bereits bestens informiert gewesen.

Ohne sein Zutun.

Es durfte einfach nicht noch einmal geschehen, das Irgendjemand immun gegen seine Manipulationsversuche war.

„Was meinen Sie damit?"

Die Frau lächelte wieder selbstbewusst. Er konnte es nicht haben, wenn jemand etwas hatte, was ihm verwehrt war. Und wenn es Selbstsicherheit war.

„Na ja, irgendwann, schon fast eine halbe Ewigkeit her, da waren Sie doch in einen langwierigen Konflikt verwickelt gewesen. Mit einer Gruppe von jungen Erwachsenen, die Sie als Freaks abgestempelt haben, und die doch irgendwelche handfesten Beweise gegen Sie und den ganzen Schutz hatten. Da frag ich mich, was waren das überhaupt für Beweise, und wo sind diese Leute von damals bitteschön jetzt?"

Nun war es für Aeron vorbei. Wie konnte es sein, dass diese Frau ihn so infrage stellte? Niemand durfte sich an diese vergangenen Ereignisse erinnern. Absolut niemand.

„Es gab keine", murmelte er. Die Frau hob skeptisch eine Augenbraue.

„Ist das dein Ernst?!" Er stand theatralisch von seinem Stuhl auf, sie mit ihm. In ihrem Blick loderte Vorahnung.

„Es ist immer noch Sie, Herr Patéres."

Er streckte unbeirrt die Hand aus und begann einigermaßen konzentriert den Erinnerungsfluch. Die Dame würde glauben, das Alles wäre bloß eine Art Tagtraum gewesen.

„Aeron, was...?", murmelte sie noch beunruhigt, dann hatte er ihr den Glauben an das, was ihr durch den Kopf gegeistert war, schlicht weggenommen. Kurz und knapp.

Stumm sank sie in ihren Sessel zurück. Die Benommenheit würde für ein paar Minuten anhalten.

Aeron wich angestrengt zurück und schlich so schnell wie möglich ohne unnötige Geräusche aus dem Sprechzimmer. Sein Kopf pochte, als diese eine Erinnerung in ihm auftauchte.

Sie wissen, dass ich es weiß. Wieso haben Sie noch so viel Angst?

Er konnte das nicht. Seine Herrschaft durfte durch die negative Sichtweise dieser Leute nicht mehr beendet werden. Sie hatten doch nichts mehr gegen ihn in der Hand. Es war ein Jahrzehnt vergangen. Sven hatte sie getötet, es war schon so lange vorbei damit!

Hätten sie sich bloß nie mit Lorys Eltern in Kontakt gesetzt. Zwar hatten die nach einem eindringlichen Gespräch ihre Tochter dem Schutz übergeben, aber dies leider nur unter der Bedingung, dass ihr nichts geschehen würde. Deshalb hatten sie sie nach fast sieben Jahren zurückgeholt, glücklicherweise nur mit gelöschtem Gedächtnis. Woher hätten sie denn wissen können, dass das Mädchen ihre Magie immer noch selbst in der Hand hatte?! Wieso konnten diese Menschen überhaupt Magie nutzen?

Was hatte sie gewarnt? Wenigstens stellte Lory Tilgier keine so große Gefahr dar, wie - Nun ja, Aeron wagte nicht, diesen Gedanken zu Ende zu bringen.

Er hatte die ganze Stadt in der Hand. Jeder hörte auf das, was er vorgab, alles nur, weil Angst vor dem von ihm vorgegebenen Bösen herrschte. Solange er und die Anderen Mitglieder sagten, was richtig und was falsch war, war alles gut. Aber wie sollte dieses praktische System funktionieren, wenn es Leute gab, bei denen keine Angst vorhanden war?

Sie wissen, dass ich es weiß. Wieso haben Sie noch so viel Angst?

Wieso muss ganz Rellya unter Ihren Problemen leiden?!

Die Stimme in seinem Kopf hörte nicht auf.

Unwillkürlich blieb Aeron Patéres mitten im hell gestalteten Gang stehen und trat unglaublich frustriert gegen den nächstbesten Stuhl nahe der Wand. Blitzschnell kramte er sein Mobiltelefon hervor und rief einen seiner besten Kollegen an. Er konnte nicht lange genug auf dessen Stimme am anderen Ende der Leitung warten.

„Ja?"

Erleichtert atmete der Leiter der Schutzvereinigung aus.

„Sven. Gut das du da bist."

„Was ist denn los? Das hier gerade ist eigentlich ein echt ungünstiger Zeitpunkt."

Aeron fuhr nervös herum, eine Person hinter ihm erwartend, doch der Flur war vollkommen leer.

„Wir müssen diese Parallelwelt kontrollieren. Und das Buch brauch ich auch wieder zurück. Sofort. Wenn Freya Passon immer noch lebt, muss ich sie diesmal eigenhändig erschießen, koste es was es wolle."

Das Klischee *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt