,,Man Amy, das ist nicht lustig."

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,,Hattest du jemals einen Freund?", fragt er und Ja, das ist eine unangenehme und sehr untypische Frage. Aber er hat mir so viel erzählt, da will ich nicht einfach still bleiben, wenn er mich etwas fragt. Deshalb schüttle ich meinen Kopf.

,,Nein", antworte ich ehrlich und ich weiß nicht, ob das eine Überraschung ist, aber es sieht so aus. Wie auch, wenn keiner mit mir reden will, wenn ich auch nicht rede? Außerdem hat mir nie jemand richtig gefallen, bis du kamst...

,,Das kann ich nicht verstehen", meint er und wir sehen uns an. ,,Welcher Idiot will denn nicht mit dir zusammen sein wollen?" Ich sehe schnell weg, weil ich wieder rot werde. Jeder? Ich meine, ich bin nicht besonders hübsch oder intelligent, um das Nicht Reden zu kompensieren. ,,Es tut mir leid, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen. Für mich ist es nur unverständlich, wie blind manche Menschen sein können." Wir sind da und Will steuert einen Stand an, wo Bier und alkoholfreie Getränke verkauft werden. ,,Was willst du trinken?", fragt er mich und hält schon ein Bier in der Hand. Die Frage ist einfach.

,,Bier", antworte ich und er sieht mich verblüfft an. Ich meine, ich arbeite schon ein paar Jahre in einer Bar und angefangen habe ich ja wohl im perfekten Alter, wo man Alkohol erstmal ausprobiert. Naja, inzwischen ausprobieren sollte. Er öffnet sie gekonnt und gibt mir eine Flasche.

,,Du steckst ja voller Überraschungen", flüstert er mir ins Ohr und verschafft mir eine Gänsehaut. Es sind so viele Menschen hier, dass es schwer ist seine Arme bloß mal kurz auszustrecken. Will scheint das aber nichts auszumachen. Er legt seine Hand an meinen Rücken, wahrscheinlich um mich nicht zu verlieren. Denke ich mal. Oder? Ich trinke, um den Gesprächen auszuweichen, die er aber nicht anfängt. Zum Glück. Vielleicht hat er auch schon genug von meinen äh, Erzählungen? Ein Wort Erzählungen. Die haben ja wenig Info beinhaltet. Nun gut, vielleicht ist es auch zu laut, um ein Gespräch anzufangen. Ich spüre schon, wie nur ein Bier meine ganze Wahrnehmung trügt. Ich bin halt nicht trinkfest. Bier okay, aber zu viel kann ich auch nicht trinken. Wie meine Mama. Manchmal betrinkt sie sich. Ja, kann man das betrinken nennen? Wenn sie ganz verzweifelt ist, holt sie sich eine Wodka Flasche. Diese steht dann da bis zu ihrem fünften Besäufnis. Also viel kommt da auch nicht bei rum. Danke für das Geerbte Mama. Ich merke aber schnell, wie ich ausbrechen will. Ich möchte mit Will reden und ihm alles erzählen. Von meinem Vater bis zu Onkel Fred. Wie es dazu gekommen ist, was ich bei meiner Mutter durchmachen musste und wie ich Amy kennen gelernt habe und dann alles besser geworden ist. Ja und ich möchte ihn küssen. Sollte ich ihm das sagen? Nein, untersteh dich, Lina! Wie hoch wäre die Chance, dass er das dann nur auch Mitleid macht? Sehr hoch, du Huhn. Lass es einfach sein und irgendwann bist du zu Hause, um die Peinlichkeiten im Traum zu lassen. Rede am besten nicht mehr. Das wär gut und leg die leere Flasche weg. Jap, die Flasche ist leer und ich gucke zu Will, der mich die ganze Zeit schon mustert. Da muss ich lachen.

,,Ähm, die ist leer", verkünde ich und er muss lachen.

,,Ich weiß. Das kann man unschwer erkennen. Soll ich dir noch eine holen?", fragt er. Um Gottes Willen Nein! Das wär doch was. Also schüttle ich meinen Kopf, was ich nicht tun sollte. Na immerhin nicht so ruckartig.

,,Ne Ne. Hat die Pfand oder kann ich die einfach auf irgendeinen Tisch stellen. Wird doch sicher niemanden stören oder? Verschmutze ich dadurch die Umwelt? Sag Nein", rede ich dummes Zeug und schäme mich einerseits in Grund und Boden und andererseits denkt meine andere Hälfte des Gehirns, es sei völlig normal. Toll. Will lacht nur und antwortet, als wär alles normal.

,,Stell sie ruhig ab. Die werden nachher alle eingesammelt." Also stelle ich sie ab und im nächsten Moment nimmt er meine Hand. Wir stehen plötzlich in Mitten von tanzenden Leuten und ich bin mir sicher, dass ich nicht so mit den Hüften schwingen kann wie die neben mir. Oh wow. Darauf stehen Männer sicher total. ,,Lass uns tanzen", flüstert Will mir ins Ohr und ich sehe ihn an, wie er mich an sich zieht. Laut um uns herum spielt ein Lateinamerikanischer Song, den ich nicht identifizieren kann, aber es hört sich gut an und es animiert zum Tanzen und Hüften kreisen, so wie die Mädchen, bei denen ich mir denke, wieso schaut er die nicht an, sondern die ganze Zeit nur mich? Normalerweise würde ich das ja nicht machen, aber irgendeine Gehirnzelle macht, dass auch ich mit ihm tanzen will. Oh man, er tanzt so gut und ich versuche mit ihm mitzuhalten. Im Prinzip zieht er mich wie ein Sog einfach mit sich und ich muss praktisch nichts machen. Es kommt wie von alleine. Ich muss lachen und spüre Wills Hand sehr deutlich, die an meiner unteren Rückenhälfte liegt. Ja, mal so ausgedrückt. Ich muss sagen, wo ich so darüber nachdenke, was ich anhabe, muss ich gestehen, dass ich sehr unsexy aussehe. Zwar liegt die Hose sehr eng an, aber das wars auch schon. Ich bin halt kein Typ dafür, aber ihn scheint das nicht zu interessieren. In meinem Kopf rattert es und ich denke nach...Darf ich ihn anfassen? Ich sehe in seine Augen, die abwechselnd meine Lippen und meine Augen ansehen. Ich muss lächeln und drehe mich, sodass nun mein Rücken an seine Brust gedrückt ist. Ich höre ihn leise lachen und drehe meinen Kopf zur Seite, weil ich mir einbilde, dass ich ihn dadurch nur noch mehr spüre. Wow, ich dachte nicht, dass der Abend sich noch so verändert. Heute Mittag hatte ich noch Angst, dass er meinen Finger hält und jetzt tanzen wir eng umschlungen miteinander. Das ist die Atmosphäre, denn das machen alle um uns herum.

I See You.Where stories live. Discover now