Colin Teil 66

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Ich spürte, dass Nathaniel voller Hass war. Ich konnte es verstehen, auch ich verabscheute Royce, aber da war ein Teil in mir der wusste, warum Royce das alles tat. Er hatte nur aufgehört zu denken, ließ sich von der Wut leiten und machte einen riesigen Fehler. Sollte Nathaniel ihn töten wollen, musste ich ihn irgendwie aufhalten.

Unser Boot stieß gegen festen Untergrund. Ich steckte mein Telefon ein und stoppte den lauten Motor. Das Boot wackelte heftig als Nathaniel hinaus sprang und losrannte. Es passierte so schnell, dass ich ihm für einen Augenblick verdutzt hinterher sah, bis mir bewusst wurde, was das zu bedeuten hatte.

Ich kletterte an Land. Die felsigen Steine unter meinen Füßen waren nass und gefährlich rutschig, trotzdem beeilte ich mich, voran zu kommen. Die Dunkelheit machte es beinahe unmöglich, etwas zu meinen Füßen zu erkennen, weshalb ich ein paar mal stolperte und mir dabei die Handflächen aufkratzte. Ich fluchte leise, hatte das Gefühl viel zu lange zu brauchen, bis ich endlich oben ankam.

Durch meine Blindheit hatte ich einen ziemlichen Umweg zurückgelegt, aber das Feuer war trotzdem nah. Ich konnte Nathaniel nirgends sehen. Ein Schrei fing meine Aufmerksamkeit. Es war Cid, der ein paar Meter weiter auf dem Boden saß. Er zitterte am ganzen Körper, seine Kleidung war feucht und dreckig, der Blick starr auf irgendwas gerichtet.

Ich verlor keine Zeit, rannte zu ihm und ging neben ihm in die Hocke. „Cid, hey, wir sind hier", sagte ich sanft, worauf er den Kopf drehte und mich anschaute. Royce hatte ihn geknebelt. Ich wurde wütend. Dieser Mistkerl. Wie konnte er so kalt sein?

Eilig löste ich die Fesseln um seine Handgelenke und das aufgerollte Tuch über seinem Mund. Im flackernden Licht schimmerten getrocknete Tränen auf seinen Wangen. „Alles gut", sagte ich leise, „es ist vorbei."

„Nathaniel!", krächzte Cid und versuchte aufzustehen. Ich packte ihn am Arm und folgte seinem ängstlichen Blick.

Nicht weit auf der anderen Seite des Feuers lag Nathaniel am Boden. Royce stand über im gebeugt, in der Hand eine brennende Fackel, in deren Licht alles rot war. Rot vor Blut, das aus einer Wunde an Nathaniels Kopf floss. Nein!, schrieen meine Gedanken. Ohne zu zögern rannte ich los. 

Royce hörte meine Schritte auf dem feuchten Geröll und sah auf. „Halt dich da raus, Colin!", warnte er mich fauchend und senkte die Fackel näher an Nathaniels schwitzendes Gesicht. Voller Angst, er könnte Nathaniel anzünden, falls ich näher kam, blieb ich stehen. Die Flamme spiegelte sich in seinen schwarzen Augen und ließ seine Haut in der Finsternis leuchten.

„Er verdient es! Er ist ein Captor, ein verdammter Captor!", brüllte Royce voller Hass, „ein Mörder!" Damit beugte er sich wieder tiefer. Das Feuer war nur noch Zentimeter über Nathaniels Gesicht. „Sag, wie viele hast du umgebracht?"

Hinter mir schrie Cid auf. Er war näher gekommen, langsam und unbeholfen. Ich streckte die Hand in seine Richtung, bedeutete ihm fern zu bleiben. 

„Du machst einen riesigen Fehler Royce", sagte ich warnend. Es war ein Schwall aus Wörtern, die versuchten so schnell wie möglich meinen trockenen Mund zu verlassen. „Tu das nicht! Willst du, dass dieser Junge zusehen muss, wie sein Bruder verbrennt? Willst du so barbarisch sein? Soll das etwa deine Geschichte werden? Du bist ein Anführer, aber du bist auf dem falschen Weg! Niemand wird dir dafür danken!"

Plötzlich regte sich Nathaniel. Ich hörte ihn etwas sagen, undeutlich, eine Zahl, dann war er auf den Beinen. Es war, als hätte er an Kraft gewonnen, ungebändigte, übernatürliche Kraft. Gleich wie Royce konnte ich nur zusehen, wie er in die Fackel griff und sie einfach löschte, als wäre sie ein Streichholz. Dann drehte er den Stock um und rammte ihn Royce in den Bauch wie ein Pfahl, fest und ohne Skrupel. 


Wie wird dieser Kampf enden? Was glaubt ihr? Stay twinned!

Obwohl wir Freunde wurden (Colin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt