Colin Teil 54

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Den Entschluss, nie einer Frau von Magie oder Captoren zu erzählen hatte ich getroffen, nachdem mein Vater mit mir über Mom sprach, Jahre nach ihrem Tod. Er hatte die Dinge über sie verraten, die ich als Kind nicht sehen konnte, die Dinge, die sie in den Tod getrieben hatten. Auch wenn ich meine Mutter ab diesem Tag besser verstehen konnte war sie mir dadurch nicht besser vorgekommen. Sie blieb die Frau, die mich nicht genug geliebt hatte, um zu kämpfen.

Meine Angst, ich könnte einer Frau dasselbe antun, indem ich die Wahrheit sagte, saß viel zu tief.

Mein Vater hatte Mom bei einer Kurzreise nach San Francisco kennengelernt. Es war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick gewesen, zumindest behauptete er das. Es folgte eine komplizierte Fernbeziehung, die die beiden aber nicht auseinander bringen konnte, dann kam die Hochzeit. Dad überredete sie dazu, ein Leben in Alaska aufzubauen, seiner geliebten Heimat. Das war der größte Fehler, den er je begangen hatte, sagte er mir später. Zuerst mochte sie es dort. Das Haus, das sie gekauft hatten, war groß, die Einwohner freundlich und das Leben unkompliziert. Deine Mutter war so glücklich, als sie erst dich zur Welt brachte und zwei Jahre später Daphne, hatte Dad erzählt. Vielleicht war sie es tatsächlich gewesen, aber nicht mehr in der Zeit, an die ich mich erinnern konnte. Mom begann, die Kleinstadt am Fluss zu verabscheuen. Dann hasste sie die kalten Winter, den hohen Schnee, die weiten Wälder. Sie bekam Angst vor der Dunkelheit. Aber Dad sagte sie von all dem nichts. Sie weinte im Stillen. Depressionen, diagnostizierte der Arzt erst nach einem Jahr, in dem sie sich immer mehr zurückgezogen hatte.

So trug ich sie in meinen Erinnerungen: Still, angespannt, traurig, ernst. Schreiend, weinend, vor sich hin starrend. Sie war keine Mutter mehr, sie war ein Schatten ihrer selbst geworden. Für ein paar Monate war sie zur Behandlung in einer Klinik. Ich freute mich wenn sie zurückkam und weinte wenn sie wieder ging. Weinte vor Wut, weil sie es nicht schaffte, das Leben zu lieben. Ich verstand damals nicht was ihr fehlte. Du hast doch uns!, hatte ich sie einmal angeschrien, warum bist du nicht glücklich darüber? Ingesamt war sie dreimal stationär behandelt worden. Mein unwissendes Kinderherz begann zu glauben, dass sie uns nicht liebte. Ich glaubte, sie sei traurig weil ich nicht der Sohn war, den sie sich wünschte. Nach zwei weiteren Jahren ihres nutzlosen Kampfes gegen die Krankheit entwickelte ich eine Wut auf sie. Sie war nicht da für mich. Sie saß nicht an meinem Bett, wenn ich Alpträume hatte. Sie feuerte mich nicht an, wenn ich bei ein Fußballspiel spielte. Sie sang keine Lieder mit uns an Weinachten. Wenn sie lächelte, dann war es kein Strahlen gewesen, sondern eine angestrengte Grimasse, vor der ich Angst bekam. Sechs Wochen nach meinem siebten Geburtstag nahm sie sich das Leben. Ich weinte nicht an ihrem Grab.

Heute wusste ich es besser und ich hätte mich so gerne für mein Verhalten damals entschuldigt. Aber ich war noch ein Kind gewesen. Ich verstand es nicht. 


Stay twinned!

Obwohl wir Freunde wurden (Colin)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt