Kapitel 16

889 57 8
                                    

“Du willst wirklich zu Erik?” Besonders erfreut war mein Vater über meine Idee überhaupt nicht, doch ich wollte und musste zu ihm. Erik war mein bester Freund, doch ich selbst glaubte daran selbst nicht mehr. Wir waren keine Freunde, wahrscheinlich waren wir es nie, aber was war aus unserer Freundschaft geworden?

“Ja, außerdem liegt er sowieso auf meiner Station”, antwortete ich ihm schulterzuckend, während wir auf den Weg zum Krankenhaus waren. Zu Fuß. Versteht sich sicherlich von selbst.

“Josi, ich will nur das beste für dich”, sagte mein Vater und nahm mich kurz in den Arm.

“Das weiß ich doch. Aber in diesem Fall ist Konfrontation die beste Lösung”, erwiderte ich und sah zu ihm auf. So wie ich es als Kind schon getan und ihn bewundert hatte, wenn mein Vater wieder eine Heldentat vollbracht hatte.

“Ich hoffe du behältst recht”, meinte er, bevor mein Vater die Tür des Krankenhauses öffnete und mir diese aufhielt.

“Erik hasst Streitereien und das weißt du", sagte ich und lächelte ihn liebevoll an. Ich wusste, dass mein Vater es nicht böse meinte, aber da ich seine einzige Tochter war, wollte er mich einfach nur beschützen.

“Pass auf dich auf”, erwiderte mein Vater und drückte mir einen Kuss auf den Haaransatz, bevor er mich im Foyer allein zurück ließ.

Noch haderte ich etwas mit mir, da ich etwas Angst hatte in der nächsten halben Stunde bei Erik vor der Tür zu stehen. Doch ich musste zu ihm. Etwas anderes konnte ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Er war nun einmal mein bester Freund, auch, wenn ich in den letzten Tagen und Wochen etwas anderes behauptet hatte.

Keine halbe Stunde stand ich in meiner Arbeitsbegleitung vor der Zimmertür meines besten Freundes. Mein Mut sich der Angst. Ich dachte für einen kurzen Augenblick, dass ich nicht mit Erik reden könnte, wenn Jenny ihn besuchen würde. Vielleicht sollte ich mir manchmal nicht so große Gedanken darüber machen. Erik würde mich nicht wegschicken. Das hatte er noch nie. Diese gute Seele.

Nachdem ich meinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, der sich in den verschiedensten Ecken verkrochen hatte und den ich finden konnte, klopfte ich an der Tür und öffnete diese als ich ein ‘Herein’ vernahm.

Doch anders als erwartet, war Erik nicht alleine.

Mein bester Freund musste sich mit einem anderen Patienten teilen. Während Erik seine Augen geschlossen hatte, sah mich der andere Mann an, so als hätte ich etwas im Gesicht.

“Bringen Sie mir mein Essen?” Fragend sah er mich an, doch ich schüttelte nur mit dem Kopf und ging zu meinem Pechvogel.

“Die Jugend interessiert sich natürlich wieder nur für die jungen Fußballer. Was soll das nur werden?”

Ich legte meine Hand auf Eriks Schulter, der daraufhin seine Augen sofort öffnete und ich sah einen Schimmer von Traurigkeit in diesen aufblitzen.

“Josi.” Auch seine Stimme war tränenerstickend, während ihm die Tränen unaufhaltsam über die Wangen liefen. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht mit ihm zu weinen.

“Hey, alles wird gut”, versuchte ich ihn gut zu zu reden, doch ich kannte Erik und ich wusste, dass das nicht viel helfen würde.

“Josi, ich brauch dich”, flüsterte er unter Tränen, bevor ich ihn in den Arm nahm um mein Dürmchen etwas zu trösten.

“Ich bin hier. Bei dir.“ Ohne groß über meine Wortwahl nachzudenken, lächelte ich Erik liebevoll an. Es tut so weh ihn so zu sehen. Er ist plötzlich so zerbrechlich. So kenne ich ihn überhaupt nicht. Ich habe ihn noch nie so am Ende erlebt. Wahrscheinlich ist seine heile Welt mit dieser Verletzung zusammengebrochen. Doch meine war zu diesem Zeitpunkt schon längst zerbrochen.

“Josi, ich will dich nicht verlieren.” Unter Tränen sah mich Erik an, während es mir im Leibe weh tat ihn so zu sehen. Ich hatte meinen besten Freund noch nie so emotional erlebt geschweige denn jemals weinen gesehen. Doch ich durfte es nicht so nah an mich heran lassen. Es wäre falsch und fatal. Auch, wenn ich dadurch leiden musste und mein Herz in tausend Teile zerbrach. Es ging nicht anders. Es war die beste Lösung für Erik und vor allem für mich. Aber ich wollte unsere Freundschaft nicht gefährden, denn diese war mir wichtiger als meine Gefühle für ihn.

“Du wirst mich nicht verlieren”, sagte ich und klammerte mich an ihn. Für mich fühlte es sich schon längst so an, als hätte ich Erik verloren. Für immer. Doch, dass konnte und wollte ich ihm nicht sagen Zu sehr war er schon am Boden zerstört, dazu musste ich nicht noch weiter beitragen, dass hatte er nicht verdient.

“Es tut mir leid, was in den letzten Wochen passiert ist. Jenny. Sie hat ihr wahres Gesicht gezeigt. Sie wollte die ganze Zeit nur mit Marco ins Bett und ich war einfach ein Fußballer, der viel zu leichtgläubig ist.” Falsch Erik. Du bist verpeilt nicht leichtgläubig, denn sonst hättest du mir schon längst geglaubt, dass ich in Wahrheit eine Prinzessin bin, wie ich es gerne als Kind behauptet hatte.

“Alles wird wieder gut, da bin ich mir sicher. Sehr sicher sogar.” Doch ich selbst zweifelte an meiner Aussage. War ich mir wirklich sicher, dass alles wieder gut werden würde. Ich meine, ich hatte Gefühle für Erik, die ich versteckte, nur damit ich unsere Freundschaft nicht ruiniere. Es wird nichts so sein wie früher. Das stand zumindest fest. Unsere Freundschaft hat in den letzten Wochen sehr gelitten. Sie musste eine Zerreißprobe überstehen, die sie vermutlich gar nicht überstanden hat, denn so wirklich wusste ich nicht, ob wir an der Zeit wieder anknüpfen konnten, bevor dieser Schlamassel angefangen hatte. Alles war plötzlich so anders. Unsere Beziehung war plötzlich so verklemmt. jeder hatte Angst etwas falsches zu sagen.

“Können Sie mir endlich etwas zu essen bringen?” Wieso konnte sich nicht jemand anderes um ihn kümmern. Ich meine, ich bin nicht die einzige Krankenschwester auf dieser Station.

“Ich muss wieder an die Arbeit. Ich komme später noch einmal vorbei und schau nach dir”, versprach ich ihm, doch ob ich mich daran halten sollte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Zu sehr beeinflussten mich in diesem Moment meine Gefühle. Mein Kopf und mein Herz. Mein Herz sagt ja mein Kopf sagt nein. Auf wen soll ich nur hören?

Perfection Where stories live. Discover now