Das Lager

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Fast zwei Wochen später hatte sie sich gut von dem Albtraum erholt, doch bald würde sie einen in echt sehen. Sie wollten heute in das Lager reisen und die Leute aus den dunklen Ebenen besuchen, die geflohen sind. Man hatte ihr schreckliche Sachen erzählt, von Kriminalität, Hunger und Leid, von zurückgelassen Kindern und Eltern, vom Tod.

Sie hoffte gefasst zu sein, sie hoffte den Leuten etwas Hoffnung zu schenken.
Das erste was sie sah, als sie die lange Wendeltreppe erreichte, die vom Marktplatz nach unten führte, waren die kleinen Hütten aus grob geschlagenem Stein die in dunklem grau vor dem roten Sand stark hervorstachen.

Mit der Trevo war der Abstieg schnell überstanden und nur Minuten später stand sie vor dem hölzernen Torbogen. Von innen standen Wachen davor, vielleicht zwanzig Stück.
"Die Leute versuchen einzudringen, wir mussten das Tor mit unseren Elementen verstärken, früher trat vielleicht alle paar Wochen ein Riss in unserem Wall auf, aber seit kurzem werden die Leute vor unserem Tor immer stärker. An jedem Morgen müssen wir den Wall erneuern." Erklärt uns eine alte Frau, die anscheinend die Passanten checken soll, die in die Baumkrone reisen wollen.

"Es scheint ein großes Problem hier zu geben, doch ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um es zu lösen. Danke für die Arbeit." erwiderte Sophie höflich.
Es war die Zeit gekommen, ihre Macht zu demonstrieren. Die Wachen würden den Schutzwall fallen lassen und da sie bald wieder hinein wollte, musste der Wall von außen gehalten werden. Sophie hatte darum gebeten, dass er von ihr verschlossen werden würde. Sie wollte probieren, ob sie in der Lage war, allem stand zu halten.

Und nachdem der Wall gefallen war, schritt sie mit Nahor und ein paar Wachen hindurch.
Alle Blicke richteten sich sofort auf sie und niemand regte sich mehr für einen Augenblick.
"Verschließ' das Tor, ansonsten kommen sie noch auf die Idee es jetzt zu stürmen." sagte Nahor und deutete hinter sie.

Die Prinzessin war überrascht, dass der Wall einfach zu erschaffen war. Aus allen vier Elementen sollte der Wall bestehen und sie als Thronfolgerin musste eigentlich alle beherrschen, doch das tat sie nicht. Zum Glück wusste Nahor was zu tun war. Er übernahm die Erde und er erschuf einen schwachen Windwall, so würde es nicht auffallen.
Sie war überrascht, es war nicht schwierig ihn zu beschwören, nur wurde ihr bald klar, dass dies nicht die Schwierigkeit war, das schwierigste war das Halten des Walls.

"Das ist Prinzessin Sofia!" rief plötzlich eine junge Männerstimme von hinten. Sie reckte ihren Hals, doch sehen tat sie niemanden.
Verunsichert sah sie sich um, Sophie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, sollte sie auf die Leute zugehen?
Ihr war nicht klar, wie die Menge reagieren würde. Würden sie sie anhimmeln oder würden sie sie verachten?

Ein paar Kinder kamen angerannt, ihre nackten Füßen auf den staubigen Boden waren ungewaschen und ihre Kleidung alt und dreckig, doch sie wirkten glücklich. Das Lager war nicht groß, hier lebten vielleicht 300 Leute, aber im Untergrund warteten viel mehr auf den Einlass den Stamm des Yggdrasil hinauf.

Aufgeregt sprangen die Kleinen um sie herum "Prinzessin!" "Hihihi!" "Willkommen!" wurde sie begrüßt. Nur als ein kleiner Junge fragte "Wer is'n das?" Wurde er entgeistert angestarrt "Na das ist unsere Prinzessin Sofia!" erklärte ein junges Mädchen mutig und ihre Augen blitzten vor Stolz.

Ein leises Tuscheln unter den Umstehenden brach aus. Eine junge Frau starrte ängstlich auf den Kleinen und schaute zwischendurch zu Sophie.
Sie war sicherlich seine Mutter, aber wie wenig erwartete die Frau von ihr, wenn sie vermutete, dass Sophie ihm was für seine Unwissenheit tat?

"Komm her, Moojen! Komm' schnell her!" rief sie ihren Kleinen herbei.
Widerwillig aber gehorsam lief er zu seiner Mutter, hatte sie auch fast erreicht, als er mit seinen nackten Füßen auf einen großen spitzen Stein trat.
Seine ganze Fußsohle war aufgeschlitzt und Tränen Tannen seine Wangen hinab.
"Holt einen Heiler!" rief Sophie, doch alle sahen sie unverwandt an.
"Wir haben keine Heiler." erklärte das Mädchen von vorhin.
Sophie ging auf den Jungen zu, sie hatte ihre Fähigkeit lange nicht eingesetzt und wusste nicht, ob sie überhaupt funktionierte, doch sie legte ihre Hand auf den winzigen Fuß und verschloss seine Wunden sorgfältig.

Leicht lächelte Sophie und gab Nahor ein Zeichen. Aus einer Tasche holte er Thermotücher, welche die Hitze während des Brandes erträglich machen sollten. Die Blätter des Yggdrasil schützen die Leute mit ihrem Schatten, aber die Hitze ist trotzdem unerträglich. Wenn wenigstens die Kinder, Alten und Kranken sich in solches Tuch hüllen könnten, wäre das eine immense Verbesserung der Situation.

"Ich freue mich, dass ich die Chance bekommen habe, euch alle hier zu besuchen. Mein Anliegen ist es, euch zu helfen, auch wenn ich zur Zeit nur eine kleine Verbesserung erreichen kann. Ich bringe euch kühle Thermotücher für eure Kinder, Alten und Kranken.
Wenn ich gekrönt wurde, werde ich alles daran setzen eure Situation zu verbessern. Ich verspreche euch zu helfen.
Darum bitte ich euch, dass ihr mir zeigt wie ihr lebt. Zeigt mir bitte eure Probleme."

Die Kinderaugen leuchteten aufgeregt, als Sophie ihnen Tücher gab.
Selbst Moojens Mutter gab ein versöhnliches Lächeln von sich.

"Bravo," sagte Nahor "du hast ihre Herzen im Sturm erobert. Der Junge hätte ohne Heilung nicht mehr laufen können und du hast ihm ohne Bedingungen geholfen."
Überrascht sah Sophie ihn an "Das ist doch selbstverständlich! Ich möchte zu jedem Verletzten gehen und ihre Wunden heilen."
Also erhob sie ihre Stimme "Wo sind eure Kranken und Verletzten?" fragte sie.

Ein Raunen ging um aber schnell trat das junge Mädchen hervor. "Ich bringe sie zu dem Lazarett, wir haben zwar keine Heiler, geben aber unser bestes denen zu helfen, die Hilfe brauchen."
Sie war zurückhaltend, aber ziemlich mutig.
"Das wäre furchtbar lieb von dir, wie heißt du denn?" Sophie beugte sich etwas zu ihr herunter und freute sich darüber, dass sie kein Kleid, sondern lieber eine Hose und eine Bluse angezogen hatte.

"Meine Name ist Maya." erklärte die Kleine stolz und mit einem Grinsen drehte sie sich um und ging in großen Schritten voraus.
"Aber Prinzessin, ihr könnt hier nicht alle Menschen heilen, ihr werdet total ausgelaugt sein!" beschwor Nahor sie dringlich.

"Die Wachen sollen den Feuer- und den Wasserwall übernehmen, ich werde den Leuten hier helfen und wie sollen sie mir vertrauen, wenn ich mir zu teuer bin um den Schwächsten zu helfen?"
In einer Spalte in der Rinde des Yggdrasil befand sich der Eingang zu einer Höhle, die zwar nicht sehr groß, aber sehr voll war.

Neben dem Eingang lag ein großer Haufen Sand und Sophie graute davor zu sehen, was darunter vergraben war. Sie versuchte nicht hinzuschauen und sich auf die Kranken zu konzentrieren.
Es waren knapp 20 Leute hier, doch es gab viel mehr Verletzte, die unten in den Höhlen warteten.

Als sie hineinkam schauten alle auf und die Gespräche verstummten.
"Ich bin gekommen um euch zu helfen." sagte Sophie, ratlos was sie sonst hätte sagen sollen.

"Wir brauchen deine Hilfe nicht!" rief eine Männerstimme und hustete ausgiebig.
"Aber nein," intervinierte das Mädchen "Sie hat Moojen geholfen und sie ist eine Heilerin und unsere Prinzessin!"
Prinzessin. Man konnte förmlich sehen wie das Wort wie eine Gedankenblase über den Köpfen der Menschen hing.

"Dayon, Bruderherz, komm her!" sagte Maya und zog aus einer Ecke einen kleinen Jungen, vielleicht zwei Jahre jünger als sie. "Sein linkes Bein ist gebrochen, als eine Hütte zusammengestürzt ist. Bitte hilf ihm!"
Und so legte Sophie jeder Person die Hand auf ihre Wunden und verschloss sie. Heilte Wunden und Krankheiten bis sie selbst kaum noch stehen konnte.
"Das reicht!" sagte Nahor streng und verabschiedete sich und Sophie von den Leuten.
Sophie stellte aber noch eine letzte Frage:
"Maya, wo sind deine und Dayons Eltern? Sie würden euch hier doch nicht allein herumlaufen lassen.."

Überrascht sah das Mädchen sie an, Tränen quollen aus ihren Augen "Sie sind tot!"

~Voten & Kommentieren~

~1.300 Wörter

Souuuu.... Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen 😆
Soll das nächste Kapitel nochmal im Lager sein, oder soll es an einen anderen Ort gehen?
Schreibt es in die Kommentare und wenn es euch gefallen hat, denkt an das Sternchen 😆

LG
Eure Dämmer 💟💖💕

The Elements of Night - Siedendes BlutWhere stories live. Discover now