So fühlt sich Liebe an

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Wie sie auf den Sonnenuntergang schaute, dass erinnerte mich an meinen kleinen Bruder. An Henrik. Jeden Morgen hatte er wie sie nun fasziniert am Fenster gestanden und sah der Sonne beim Aufgehen zu. Cecilias Augen hatten den gleichen verträumten Ausdruck angenommen. Ich konnte nicht auf den Sonnenuntergang schauen, mein Blick ruhte beständig auf Cecilia. Sie war für mich die Sonne selbst. So wunderschön. Und dieses warme lächeln. Ihre herzliche Art. Ihre friedliche Ausstrahlung. Der weise Schimmer in ihren topasblauen Augen. Ich konnte nicht verhindern, dass ich ihr ganz leicht mit meiner Hand über den Arm strich. Als sie zu mir herum fuhr, strahlte sie mit den letzten Strahlen der Sonne um die Wette. ,,Es ist wunderschön", hauchte sie und unwillkürlich musste ich lächeln. ,,Ich wusste, dass es dir gefallen würde." Sie wollte scheinbar etwas erwidern, aber ihr Handy klingelte. ,,Mom", seufzte sie genervt. ,,Vielleicht bring ich dich dann lieber wieder nach Hause, nicht, dass sie noch den Sheriff auf uns beide ansetzt!" Sie lachte herzlich und folgte mir durch das Unterholz zurück zu meinem Auto. Dieser Nachmittag mit ihr war wirklich schön. Ich hatte schon lange nicht mehr so offen mit jemandem gesprochen. Klar, ich hatte ihr das Detail verheimlicht, dass ich ein 1000 Jahre alter Ur-Vampir war, aber das musste sie noch nicht wissen. Ich wollte sie nicht unnötig früh in die Welt der übernatürlichen Wesen ziehen. Das ich schon mehrfach getötet wurde hing irgendwie damit zusammen. Während der Fahrt zu ihr nach Hause ließ sie so richtig die Sau raus darüber, was sie über ihre Mutter dachte. Da waren etliche Dinge dabei, die ich nicht wiederholen möchte. Doch es brachte mich zum schmunzeln.

Wir hatten ihr Haus erreicht. Ich wollte sie nicht gehen lassen. Ich wollte sie zu mir zurück ziehen und sie küssen. Aber ich zwang mein Innerstes, die Klappe zu halten und sah zu, wie sie ins Haus stapfte. Kaum das sich die Haustür schloss, ging auch schon das Streitgeschrei los.
Doch anständig wie ich war fuhr ich nach Hause. Wo Hope schon auf mich zu warten schien. ,,Und, wie war dein Date?", stichelte sie. ,,Es war kein Date", verteidigte ich mich. ,,Aber du hättest es gerne so." ,,Ja, verdammt." ,,Du liebst sie. Und das solltest du ihr auch sagen." ,,Aber wie?", fragte ich verzeifelt und ließ mich neben ihr auf die Treppe sinken. ,,Du bist hier der mit 1000 Jahren Lebenserfahrung!", kam es jedoch nur zurück. Womit sie auch Recht hatte. ,,Schon klar", gab ich darauf zurück, ,,Aber von Liebe hab ich wirklich gar keine Ahnung." ,,Ich merks", meinte Hope dazu nur mitfühlend und klopfte mir auf die Schulter. Dann verschwand sie Richtung Küche. Mal wieder. Sie war wirklich ständig am essen!
Schmunzelnd über ihren gesunden Appetit flitzte ich hoch in mein Zimmer und zückte mein Handy. Cecilia hatte geschrieben. In der Nachricht stand: Meine Mutter hat sie wirklich nicht mehr alle! Sie will mir verbieten, dass ich mich nach der Schule mit dir treffe...

Was?!?!, schrieb ich entsetzt zurück, Du bist alt genug, um selber entscheiden zu können, mit wem du dich triffst!!! Vielleicht sollte ich mal ein paar Takte mit deiner Mutter reden!!!

Lass das lieber, kam es nur eine Sekunde später zurück, Das würde es wahrscheinlich nur noch schlimmer machen. Tut mir leid Kol...

Ich pfefferte mein Handy neben mich aufs Kopfkissen und rannte in Vampirgeschwindigkeit zu ihrem Haus. Ihr Fenster war offen. Kurz entschlossen sprang ich auf die Fensterbank, woraufhin Lia sich erschrocken zu mir umdrehte und fragte: ,,Kol? Wie bist du da hoch gekommen?" ,,Die Rosenhaltedinger an der Hauswand", log ich. Aber es war nur halb gelogen, denn an diesen Rosenhaltedingern wäre ich auch hoch gekommen. ,,Komm rein", flüsterte sie und schob schnell eine Zeitschrift unters Bett. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich schlüpfte aus meinen Schuhen und ließ mich neben ihr aufs Bett fallen. Sie stützte sich auf einen Arm ab und fragte mich: ,,Was machst du hier?" ,,Ich lass es mir nicht nehmen, dich auch nach der Schule zu sehen", flüsterte ich zurück. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, hatte sie ihren Kopf auf meine Brust gelegt und murmelte: ,,Ich bin froh, dass du jetzt hier bist." Ich grinste dämlich vor mich hin, während ich ihr ganz sanft durchs Haar strich. Ihre Haare waren unglaublich weich. Und in dem schwachen Licht hatten sie einen ganz zarten Rotstich. Irgendwann schlief sie ein und ich konnte es mir nicht nehmen, ihr eine Erinnerung zu zeigen. Der Tag an dem wir uns das erste mal gesehen hatten. Sie war auf dem Schulflur in mich reingelaufen und hatte eine Entschuldigung gestammelt, aber ich hörte ihr eigebtlich gar nicht richtig zu, sondern sah einfach nur in ihre wunderschönen Augen, die mich zu einem Haufen Wackelpudding werden ließen. Und das taten sie auch noch am zweiten Tag. Und am dritten. Sie sah so friedlich aus, während sie schlief, dass ich es mir nie verziehen hätte, wenn ich sie geweckt hätte. Also stand ich so vorsichtig wie möglich auf, doch dieses Mal konnte ich mich nicht bremsen. Ich hauchte ihr ganz vorsichtig einen Kuss auf ihre Lippen. Sie waren so zart wie die Flügel eines Schmetterlings. Ich strich ihr noch einmal ganz sachte durchs Haar, dann rannte ich mit meinen Schuhen in der Hand mal wieder weg. Ich hasste es, vor meinen eigenen Gefühlen davon zu laufen. Ich musste es ihr sagen. Da hatte Hope Recht.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, wäre ich am liebsten im Bett geblieben. Ich hatte tierische Angst davor, ihr meine Gefühle zu gestehen. Was, wenn sie nicht genauso empfinden würde, wie ich? Was, wenn sie mich dann hassen würde? Was, wenn...

Ich hatte so viel Angst, wie noch nie zuvor in meinem Leben, aber ich musste das durchziehen. ,,Kol, komm schon!", rief Hope von unten, ,,Wir müssen los!" In Vampirgeschwindigkeit machte ich mich fertig und rannte nach unten, wo ich direkt in mein Auto sprang und ohne Umschweife los fuhr. ,,Wow, da hat es wohl jemand eilig!", stellte meine Nichte lachend fest. ,,Du hast Recht", gab ich darauf nur zurück, ,,Ich muss es ihr endlich sagen." ,,Wem musst du was sagen?', fragte Rebekah natürlich. ,,Erklär ich dir später", meinte Hope darauf nur, während wir endlich an der Schule ankamen. Ich sprintete beinahe schon ins Gebäude und hielt verzweifelt nach Cecilia Ausschau. Was, wenn sie wieder nicht da sein würde?
,,Kol?", hörte ich dann plötzlich ihre Stimme hinter mir. Ich fuhr zu ihr herum und alles, was ich raus brachte, war: ,,Hey." ,,Weißt du, ich hab heut Nacht von dir geträumt", erzählte sie, ,,Ich hab davon geträumt, wie wir uns das erste mal begegnet sind. Und ich hab absurder Weise geträumt, wie du mich geküsst hast." Den Rest von dem, was sie sagte, hörte ich nicht mehr. Ich wollte nur endlich ihre Lippen auf meinen spüren. Kurzentschlossen legte ich ihr eine Hand an den Rücken zog sie sachte zu mir und küsste sie nur ganz leicht. Als ich mich wieder von ihr löste, flüsterte ich fast: ,,Der Kuss war kein Traum." Dann tat sie etwas, womit ich nie gerechnet hätte...

Good in evilWhere stories live. Discover now