4. Kapitel: AUDIENZ

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Am nächsten Morgen, pünktlich zur zehnten Stunde, standen Beorn und Xarngromm vor den Toren der Burg Andergast. Als sie gerade das offen stehende Tor passieren wollten, stellten sich zwei Gardisten in glänzendem Brustpanzer vor die beiden und kreuzten ihre Hellebarden, sodass der Weg versperrt war.

»Was wollt ihr?«, rief ihnen einer der Gardisten etwas unfreundlich zu. »Auch wenn das Tor aufsteht, hat hier noch lange nicht jeder Zugang.« Seine Stimme drückte Missfallen aus.

»Wir wollen seine Majestät sprechen. In einer Stunde beginnt eine Audienz zu der wir geladen sind«, antwortete Beorn höflich.

»So wollt ihr das? Dann nennt mir doch mal eure Namen. Ich kenne euch nämlich nicht. Und ihr seht mir nicht so aus als wäret ihr von hohem Rang.«

»Nicht von hohem Rang, sagt ihr. Wisst ihr, wer ich bin? Ich bin ein Absolvent der Schule des Drachenkampfes zu Xorlosch. Mein Name ist Xarngromm groscho Ingromm groscho Ongromm groscho Arngromm. Ich blicke auf eine Jahrtausende lange Ahnenreihe zurück und besuchte die beste Kriegerschule weit und breit. Und das nennt ihr nicht von hohem Rang?«

Die beiden Gardisten blickten sich an. Dann sprach einer wieder »Nie davon gehört. Und jetzt schert euch weg.«

»Nichts werden wir tun. Wir bleiben so lange hier, bis wir eingelassen werden. Schickt doch nach dem Erben von Rommilys. Er kann euch sicher bestätigen, dass wir geladen sind«, versuchte Beorn eine neue Taktik.

»Wir werden ganz bestimmt nicht den hohen Herrn mit solchen Kleinigkeiten belästigen«, fuhr der Gardist barsch dazwischen.

»Doch, werdet ihr. Wir wollen doch einen Konflikt vermeiden.« Xarngromm fasste dabei den Griff seiner Axt und ließ seinen Drachenzahn unmerklich aufblitzen. Dabei machte er ein grimmiges Gesicht. Von außen sah er ganz wie ein typischer wütender Zwerg aus. Sein Kettenhemd funkelte in der Sonne. Innerlich jedoch war er ganz gelassen. Er war gespannt, wie lange ihm die Gardisten noch standhalten würden. Er funkelte sie weiter aus dunklen Augen an und endlich gaben sie nach.

»Ich werde einmal schauen. Vielleicht seid ihr tatsächlich geladen. Aber wehe euch, wenn nicht.« Die beiden Wachhabenden wirkten nicht mehr ganz so überheblich, dafür machten sie einen wütenderen Anschein und verzerrten grimmig das Gesicht. Ganz so, als wollten sie Xarngromm nacheifern. Für diesen sah die Szene jedoch nur lächerlich aus. Dann drehte sich einer der Gardisten um und marschierte in die Burg hinein. Kurze Zeit später kehrte er mit einer weiteren Person zurück.

Ein Mann von mittlerem Alter, die Haare schon leicht ergraut. Trotzdem hatte er eine kräftige Statur und strahlte eine herrschaftliche Aura aus. Dies war ganz ohne Frage ein Mann, der schon einiges erlebt hatte und sich seines Standes bewusst war.

»Herr Turniermarschall, diese beiden Herren hier sind es, die den König zu sprechen wünschen.« Dabei deutete der Gardist auf Xarngromm und Beorn.

»Ah, das ist doch dieser Beorn, den wir wohl irrtümlich für einen Verbrecher hielten.« Der Turniermarschall hatte eine dunkle und tiefe Stimme, doch war darin auch Freundlichkeit zu erkennen. »Nun meine Zeit ist zwar knapp bemessen, aber ich habe sicherlich einen Moment Zeit um mir eure Belangen anzuhören. Aber folgt mir doch bitte, hier lässt es sich nicht gut reden.«

Er machte dabei eine Geste die Beorn und Xarngromm dazu aufforderte, dem Turniermarschall zu folgen. Durch das Tor traten sie in die Burg ein und überquerten den großen Innenhof. Angesichts des Zustandes der mächtigen Mauern schüttelte Xarngromm nur den Kopf. Die Bauweise zeugte seiner Ansicht nach von Unkenntnis über die Baukunst. Keiner der sandfarbenen und grauen Steine saß genau gerade auf dem anderen und die kleinen Türmchen machten einen viel zu schmalen Eindruck auf ihn. Sie würden, im Gegensatz zu den dicken Mauern den Einschlag eines Geschosses nicht überstehen. Als sie den Burghof überquert hatten, auf dem erstaunlich wenige Wachen zu sehen waren, traten sie in ein niedriges Gebäude ein, dass sich an die Stadtmauer schmiegte. Auch dieses war aus Xarngromms Gesicht zu instabil gebaut. Aber das war ja eigentlich die ganze Stadt.
Der Turniermarschall führte sie durch einen langen Korridor und öffnete an dessen Ende eine weitere Tür auf der linken Seite. Beorn und Xarngromm traten in einen Raum ein, der von einem schweren Schreibtisch aus Steineiche dominiert wurde. Dahinter befand sich ein großes Fenster und die restlichen Wände waren mit Regalen zugestellt in denen sich zahlreiche Bücher und Schriftrollen befanden. Der Turniermarschall setzte sich auf einen Stuhl hinter dem Schreibtisch, die anderen beiden auf zwei einfache Stühle davor.

Die Legenden von Ni'Uan - Die Rückkehr der DruidenWhere stories live. Discover now