1. Kapitel: GEFANGEN

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Es war nass und kalt. Wasser tropfte von den Wänden und der Decke, die mit einer dicken Schicht Moos überzogen waren. Nur hier und da lugte ein wenig von dem grauen Stein unter dem Moos hervor. Die Pritsche, die in der einen Ecke des Raumes stand war morsch und es war ein Wunder, dass sie überhaupt noch zusammenhielt. In der anderen Ecke, gegenüber der Pritsche, befand sich ein kleiner Tisch auf dem ein Krug schales Wasser und ein Kanten altbackenen Brotes lagen. Ansonsten war der Raum leer. Kurz gesagt, es war kein Ort an dem man länger verweilen wollte. Trotzdem war Beorn gezwungen genau das zu tun. Er hatte schon mit dem Gedanken gespielt die Tür aufzubrechen, doch im Gegensatz zum Rest dieser kleinen Zelle schien diese bestens intakt zu sein. Sie bestand aus einem dicken dunkelbraunen, sehr stabil wirkenden Holz, vermutlich Steineiche. Wäre es ein anderes Holz gewesen, hätte Beorn vermutlich ausbrechen können, so aber hätte er nur seine Kräfte vergeudet. Und selbst wenn er es geschafft hätte die Tür zu öffnen, hätte dies so viel Lärm veranstaltet, dass selbst die schläfrigste Wache aufmerksam geworden wäre. So blieb Beorn nicht viel anderes übrig als zu warten. Darauf, dass die Zeit verging und seine Freunde ihn aus dem elenden Kerker herausholen würden. Wieso er hier festsaß wusste er nicht. Man hatte ihn gleich abgeführt als er die Stadt Andergast zusammen mit einer Gruppe Reisenden, denen er sich angeschlossen hatte, betreten wollte. Schon nach kurzer Zeit hatte er mit den Mitgliedern der Gruppe so etwas wie eine Art Freundschaft geschlossen und er hoffte, dass diese es ebenso sahen und ihn befreien würden. Andererseits hätte er ein gewaltiges Problem. Was musste er auch eine Stadt betreten? Es war doch klar, dass dies zu nichts als Ärger führte. Im Nachhinein verfluchte Beorn sich selber. Eigentlich war es gar nicht sein Plan gewesen, die Stadt zu betreten, doch er wolle die Reisenden noch nicht verlassen. Sie hatten interessante Andeutungen gemacht. Und neugierig, wie Beorn nun einmal war, konnte er nicht widerstehen und beschloss sie noch eine Weile zu begleiten. Das hatte er nun davon, jetzt saß er in diesem Loch hier fest. Die Zeit verging zähflüssig. Alle paar Stunden kam eine der Wachen vorbei und sah nach dem Rechten, sonst passierte absolut gar nichts. Und das war fast noch schlimmer, als dass er hier festsaß. Wenn wenigstens etwas Interessantes passieren würde. Dann könnte er vielleicht mit seinen Studien fortfahren wegen denen er ursprünglich hergekommen war. So aber war seine Zeit wertlos.

Weitere Stunden vergingen bis wieder eine der Wachen mit schweren Schritten und lautem Gepolter den Gang entlangschritt. Beorn fuhr aus seinem dämmrigen Halbschlaf hoch. »Hey, Ihr da«, rief er und versuchte dabei so höflich wie möglich zu klingen, obwohl eine unbeschreibliche Wut in ihm brodelte. »Kommt doch einmal her, ich verlange auf der Stelle zu wissen, weshalb ich eingesperrt wurde.«

»Mhrr« brummte der Wächter. Ein Mann so groß wie ein Baum, mit einem grimmigen Blick und ungepflegtem Bart. »Du hast nichts zu vermelden, kleiner Wicht, also sei Leise, sonst stopfe ich dir meine Faust in die Fresse.«

Das war die Gelegenheit. Wenn Beorn den Wächter weiter provozieren würde, bis er die Tür aufschloss um seine Drohung in die Tat umzusetzen, dann könnte er entkommen. Blöd nur, dass er sich dann wirklich einer Straftat schuldig gemacht hätte. Beorn hielt inne und schluckte herunter, was er gerade hatte entgegnen wollen. Der vernünftige Teil seines Gehirns hatte gerade noch schlimmeres verhindert. Auch wenn er es nicht wollte, er musste warten, bis er hier herausgeholt wurde und man feststellte, dass es keinerlei Grund gab, ihn festzusetzen. Er hoffte nur, dass Flaviminius, der Anführer der Reisegruppe, wirklich darum bemüht war, ihn zu befreien. Immerhin hatte er sich, während Beorn festgehalten wurde, unauffällig durch das Tor in die Stadt begeben und so getan, als hätte er mit dem Rest nichts zu tun. Falls Flaviminius ihm wirklich nicht helfen würde, dann hoffte er, dass die andergastische Justiz gerechter und überlegter urteilte, als man ihr nachsagte. Es war also immer noch eine verzwickte Situation. Er konnte abwarten und hoffen, dass er befreit wurde, doch wenn dies nicht geschah, verlor er wertvolle Zeit. Also fasste er einen Entschluss. Sollte er nicht bis zum übernächsten Tage wieder auf freiem Fuß sein, so wollte er selber einen Ausbruch wagen.

Die Legenden von Ni'Uan - Die Rückkehr der DruidenWhere stories live. Discover now