Kapitel 18

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Shawn's p.o.v.:

Warum konnte Ivy mir nicht selber erzählen, was sie die letzten Tage und Wochen vor allen versteckt hatte?

Warum konnte sie es mir nicht sagen, als ihre Eltern gestorben sind und sie um sie getrauert hat?

Wieso musste sie erst durch diesen Anruf dazu gezwungen werden, mir ihr Geheimnis zu verraten?

„Ivy Willson also?" Bemerkte ich bitter und spuckte Ivy die Worte nur so förmlich ins Gesicht.

Ich fühlte mich belogen und betrogen, denn sie hatte uns alle so oft angelogen. Mich, Aaliyah, unsere Eltern und unsere Freunde! Jeden hatte sie angelogen und sie hatte nie auch nur einen Fehler gemacht und sich verraten.

„Oder sollte ich eher sagen Meisterin der Lügen?" Ich hatte ihr mein Vertrauen geschenkt und genauso auch alle anderen, aber das war ich scheinbar nichts Wert.

Anstatt dessen wollte sie einfach nur abhauen und uns hier sich lassen. Wahrscheinlich wäre das auch das beste.

„Nein! Du verstehst das nicht, Shawn! Es ist alles ganz anders!" In den letzten Minuten schien Ivy wie erstarrt zu sein, aber es schien mir nun so, dass sie sich verbittert versuchte aus eben dieser Starre zu befreien.

„Was verstehe ich nicht? Verstehe ich nicht, dass du eigentlich Ivy Willson heißt und somit die Erbin von Willson Enterprise bist? Verstehe ich nicht, dass deine Eltern keine einfachen Angestellten sondern die Leiter dieser Firma waren? Verstehe ich nicht, dass du uns die ganze Zeit angelogen hast?" Sie blieb still, was mir als eine Antwort reichte. Ich hatte sehr wohl alles richtig verstanden.

„Alles, was du jemals zu uns gesagt hast, war einfach nur eine Lüge, Ivy. Gib es zu." Meine Stimme brach, denn ich dachte, dass wenn ich immer ehrlich zu meinen Mitmenschen sein würde, sie es ebenfalls wären.

Anscheinend hatte ich mich geirrt und das war ein fataler Fehler.

„Nicht alles war gelogen, Shawn. Aber du verstehst es trotzdem nicht! Ich musste es tun! Mir blieb doch keine andere Wahl!" Sie wurde mittlerweile hysterisch, was man am schrillen Ton ihrer lauten Stimme erkannte.

„Dir blieb also keine andere Wahl? Du hättest uns einfach die Wahrheit sagen können, weißt du das? Du hättest dich aber auch einfach von uns fern halten können." Ich blickte ihr tief in die Augen, weshalb sie aufgrund der Intensität zusammenzuckte.

Genau so hätte es schon von Anfang an sein sollen. Sie hätte sich von Anfang an schuldig fühlen sollen, für jede einzelne Lüge die sie uns aufgetischt hat.

„Es tut mir leid, Shawn." Ich konnte erkennen, dass ihre Augen erneut feucht wurden, weshalb ich meinen Blick abwandte.

Ich würde nicht dabei zusehen, wie sie hier in Tränen ausbrach, um mein Mitleid zu bekommen.

„Du kannst dir deine Entschuldigung sonst wohin stecken, Ivy. Sie wird dir an dieser Stelle auch nichts mehr bringen." Sprach ich kalt und ging zur Haustür.

Ich hielt es hier definitiv nicht mehr aus und wollte deshalb nur noch weg von Ivy, was sie aber mit einem Griff um meinen Arm verhinderte.

„Lass meinen Arm los!" Zischte ich, wandte mich aber nicht zu ihr um. Sie hatte es nicht verdient.

„Nein! Erst hörst du mir zu! Ich habe es bei dir doch auch getan." Ihre Stimme klang traurig und war sehr leise. Ein starker Kontrast zu ihrer Hysterie von gerade eben.

„Warum sollte ich es tun? Damit du mir noch mehr Lügen erzählen kannst?" Ihr Griff um meinen Arm wurde fester, verzweifelter.

„Ich gehe jetzt durch diese Tür und du wirst mich nicht aufhalten." Bestimmte ich, auch wenn sie mich noch immer nicht losgelassen hatte.

Auch wenn deine Eltern nicht mehr hier sind, sind wir für dich da. Lassen diese Worte bei dir irgendwelche Glocken klingeln? Genau! Es sind die Worte die du mir vor meinem Aufbruch bei euch gesagt hast, Shawn." Reue schäumte in mir hoch, denn ich war noch nie ein Mensch, der sein Wort gebrochen hatte.

Aber warum sollte ich es jetzt nicht brechen? Immerhin wollte ich grade überall sein, nur nicht bei Ivy.

„Dann schieß mal los. Ich gebe dir 5 Minuten." Ihr Griff um meinen Arm lockerte sich, bis sie ihn ganz löste. Ich für meinen Teil drehte mich mit Entschlossenheit zu ihr um.

5 Minuten. Nicht länger und nicht weniger hatte sie Zeit.

„Wie hättest du reagiert, wenn an meinem 1. Schultag nicht nur irgendein Mädchen auf deinem Parkplatz geparkt hätte, sondern Erbin des Willson Imperiums?" Ich blieb still, denn ich verstand ihre Frage nicht.

„Du hättest gedacht, dass ich ein verwöhntes und reiches Kind wäre, dass sich alles nimmt, was es möchte, oder?" Ich schluckte einmal, denn auch wenn ich es niemals so gesagt hätte, wäre es an dem Tag bestimmt so durch meinen Kopf gegangen.

„Genau das ist es, was ich meine Shawn. Du hättest mit Vorurteilen reagiert, was ich dir noch nicht einmal hätte böse nehmen können, denn so hat jeder in meinem Leben reagiert. Aber so bin ich nicht. Ich bin nicht Mommys oder Daddys kleines Mädchen, das wollte ich nie. Ich wollte immer nur die Musik und meine Geige." Mitleid kam in mir auf, denn anhand ihrer niedergeschlagenen Tonlage, war es mir ein leichtes zu erkennen, dass sie wirklich die Wahrheit sagte.

„Ich wollte die Vorurteile umgehen und ich wollte verhindern, dass sich die Leute nur mit mir abgeben, weil ich die Tochter meiner Eltern bin. Meine Privatsphäre behalten, war ein weiterer Punkt warum ich es getan habe. An meiner alten Schule kannte nur eine Person meine Identität." Sie wippte von einem Fuß auf den anderen, was für ihre Nervosität sprach. Es musste noch irgendwas kommen.

„Ich wollte nicht schon wieder einen Menschen verlieren, bei dem ich dachte, dass er für immer in meinem Leben bleiben würde. Ich wollte verhindern, dass ich meinen zweitgrößten Wunsch zum Ende des letzen Schuljahres ausführe. Ich wollte mein Leben nicht beenden." Ich stolperte vor Schock einige Schritte zurück bei ihrer plötzlichen Aussage.

Sie hatte solche Gedanken? So tiefe und bedrückende Gedanken?

„Und anstatt es zu beenden, habe ich den Neuanfang gewählt. Dieses Mal aber mit der Entscheidung erst niemanden in mein Leben zu lassen, um mir die Schmerzen zu ersparen. Aber soll ich dir mal was sagen? Ich stehe jetzt hier, erkläre dir alles und erleide die Schmerzen, die ich so unbedingt umgehen wollte." Auch wenn sie uns alle angelogen hatte, fühlte ich mit ihr mit.

Sie hatte es alles mit der Erkenntnis getan nicht noch einmal verletzt zu werden. Und doch war genau das passiert.

Durch mich.

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Eine hitzige Diskussion zwischen Ivy und Shawn! Ich hoffe sie hat euch gefallen, denn im nächsten Kapitel wird es erstmal wieder ruhiger.

She'll be the one!《S.M.》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt