Kapitel 6

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Ivy's p.o.v.:

Mittlerweile war ich schon wieder auf dem Weg zu meinem Auto, denn Englisch war erstaunlich schnell vorbeigegangen, auch wenn mir Aaliyah's Blicke in meine Richtung nicht entgangen waren.

Sie wollte über irgendwas mit mir reden - mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit über ihren Bruder - weshalb ich auch so schnell wie möglich aus dem Raum geflüchtet war.

"Ivy! Hey, Ivy!" Bei der Lautstärke, mit der Aaliyah mich gerade gerufen hatte, konnte ich leider nicht so tun als hätte ich sie nicht gehört, denn ich war mir sicher, dass nun ganz Toronto meinen Namen kannte. Etwas widerwillig blieb ich deshalb stehen und wartete darauf, dass Aaliyah mich erreichte.

"Na endlich! Ich bin dir schon die ganze Zeit hinterhergelaufen, aber du hast mich scheinbar nicht bemerkt oder gehört bis gerade." Meinte sie etwas atemlos und stützte ihre Hände auf ihre Knie. War sie etwa von dem kleinen Stück von der Klasse bis zum Parkplatz kaputt?

"Wahrscheinlich." Murmelte ich deshalb nur, was glatt gelogen war, denn ich hatte Aaliyah die ganze Zeit gehört, was aber eher daran lag, dass man selber seinen eigenen Namen immer besser rausfilterte.

(Bemerkung: Kennt ihr das auch wenn am anderen Ende der Klasse ganz leise über euch geredet wird, ihr das aber hört, weil euer Name erwähnt wurde?)

"Ich wollte auf jeden Fall noch kurz mit dir reden. Shawn meinte seine Entschuldigung dir gegenüber vorhin ernst, wenn du noch immer dran zweifeln solltest. Er hat mir erzählt, dass er sich letzte Woche nicht bei dir entschuldigt hat." Es war irgendwie süß, denn Aaliyah versuchte wirklich alles dafür, dass alles zwischen uns gut war auch wenn sie mich nicht kannte.

"Oh. Ich habe ihm die Entschuldigung vorhin aber schon geglaubt, also ist alles ok. Ich muss jetzt aber auch nach Hause. Wir sehen uns im Unterricht!" Ich drehte mich um und lief zu Mom's Auto, in das ich dann auch einstieg. Allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, dass Aaliyah ebenfalls in das Auto einsteigen würde.

"Du und ich. Wir verbringen heute den Tag zusammen." Beschloss Aaliyah, allerdings passte mir das absolut gar nicht. Es kam nie jemand mit zu mir und wo anders verbrachte ich meine Zeit auch nicht, denn dafür hatte ich keine Zeit.

"Tut mir leid, aber das geht nicht, denn ich wollte meine Eltern heute besuchen. Ich habe sie schon seit ein paar Wochen nicht mehr besucht." Holte ich die glaubwürdigste Lüge hervor, immerhin waren es von hier, Toronto, bis zu meinen Eltern, Niagara Falls, in etwa 1 3/4 Stunden.

"Sind sie tot? Denn um ehrlich zu sein fällt mir kein anderer Grund ein, warum du sie besuchen müsstest." Schnell schüttelte ich meinen Kopf, dachte aber eine Sekunde näher über ihre Frage nach.

Es klang wirklich so als wären meine Eltern tot, wenn man meine momentane Situation nicht kannte, und als würde ich sie auf dem Friedhof besuchen gehen, aber das waren sie ja schließlich nicht. Gottseidank, denn sie waren alles was ich hatte!

"Hör mal, Ivy? Könntest du mich dann vielleicht nach Hause bringen? Normalerweise würde ich jetzt mit meinem Bruder fahren, aber ich habe ausgemacht, dass ich was mit dir mache. Er wird mittlerweile also nicht mehr da sein." Ich erklärte mich einverstanden, denn ich war auch kein unfreundlicher Mensch. Außerdem war es das Mindeste das ich tun konnte, nachdem Aaliyah versucht hatte, dass wir uns gut verstanden.

"Irgendwie erinnerst du mich an Shawn." Kam es urplötzlich von Aaliyah, als wir auf dem Weg zu ihr waren. Sie gab mir an jeder Kreuzung, die wir erreichten, die passenden Anweisungen wie ich fahren musste, da ich in einem anderen Bezirk lebte und mich hier deshalb nicht so gut auskannte.

"Warum sollte ich dich an deinen Bruder erinnern?" Fragte ich sie verwirrt, denn eins war ja schon mal glasklar! Er war ein Junge, ein sehr beliebter noch dazu, während ich eher das ruhige und unauffällige Mädchen war.

"Bei Shawn braucht es Jahre, bis er andere Menschen - außer meine Eltern und mich - an sich ranlässt. Er kennt all seine momentanen Freunde schon seit mehreren Jahren und da haben sich die ersten Freundschaften nach frühestens einem Jahr entwickelt. Ich habe ein Auge auf dich, weil ich möchte, dass es dir an der Schule gut geht, und deshalb weiß ich, dass du dich jede Pause zurückziehst. Du redest mit niemandem, verbringst deine Pausen alleine und auch für mich hast du keine Zeit. In anderen Worten: Du lässt auch niemanden so schnell an dich ran." Sie hatte Recht, denn ich ließ wirklich niemanden so schnell an mich ran. Besser gesagt, ich ließ niemanden an mich ran, denn niemand würde mich verstehen. Mich und meinen Alltag.

"Vielleicht bin ich ja so, aber es ist einfach einer Sache der Gewohnheit, Aaliyah. Wenn man aus Erfahrung weiß, dass man besser vorsichtig sein sollte was Freunde anbetrifft, dann dauert sowas nun mal einfach länger." Ich seufzte einmal, denn auch wenn auch wenn ich nichts an meiner momentanen Situation ändern wollte, nervte sie mich trotzdem ab und zu mal.

"Aber du kennst mich doch noch gar nicht! Du hast mir ja noch nicht einmal eine Chance gegeben, Ivy! In meinen Augen bist du sogar zu vorsichtig, denn um Freunde zu finden, müsste man bereit dazu sein. Das Haus hier ist es übrigens." Ich hielt am Rande der Straße und keine 3 Sekunden später war Aaliyah ausgestiegen.

"Danke fürs mitnehmen, Ivy." Sie schloss die Tür hinter sich, sodass ich keine Möglichkeit mehr hatte ihr zu antworten, weshalb ich mich selber schnell abschnallte und ebenfalls ausstieg.

"Weißt du, Aaliyah, du hast Recht. Du hast Recht mit dem, was du gesagt hast, denn ich bin nicht dazu bereit Freunde zu haben. Und soll ich dir mal sagen warum? Weil mein 'bester Freund' sich gegen mich gewendet hat. Er hat dabei zugesehen, wie ich von anderen fertig gemacht wurde und mich immer seltener sehen gelassen habe, bis ich letzten Endes nur noch in der Schule aufgetaucht bin. Versuch du mal so ein Leben zu leben, Aaliyah, und dann reden wir weiter, denn an deiner Stelle kannst du es noch nicht einmal nachvollziehen. Du wirst von jedem gemocht und hast deine Eltern bei dir zu Hause. Du hast einen Bruder, der zugleich dein Zwilling ist, mit dem du dich super verstehst und ich habe nichts." Mit Tränen in den Augen stieg ich wieder ins Auto und fuhr davon. Niemand hatte je Verständnis damit gehabt wie ich war. Nur meine Eltern hielten stets zu mir.

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Soooo! Ich freue mich euch alle wieder bei diesem Kapitel begrüßen zu dürfen und hoffe natürlich, dass ihr mittlerweile alle wisst, dass es immer ein neues Kapitel am Mittwoch und Sonntag gibt!

Und an dieser Stelle sage ich euch, dass es zwar einfach klingt, zu verstehen was bei ihr los ist, aber es ist komplexer als es scheint.

She'll be the one!《S.M.》Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt