Grieve

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Ende März - Zwei Monate nach dem Unfall

„Mr. Irons, wenn Sie immer nur aus dem Fenster starren, ist das auch keine Lösung."

Kade hörte die Stimme seines Psychotherapeuten, nahm die Worte war, verstand ihren Sinn, aber etwas in ihm wehrte sich, konnte nicht sprechen und so starrte er stattdessen weiter aus dem Fenster.

Meine Güte, er wollte nur zurück in seine Wohnung und sich mit Whiskey volllaufen lassen. So wie die Wochen davor. Er wollte doch nur den Schmerz vergessen. Doch er war noch hier und er hatte seinen Eltern und sich selbst versprochen, dass er es probieren würde. Dass er von dem Verlust seiner Verlobten und seines ungeboren Kindes wegkommen würde.

Aber es war so... unmöglich.

Jedes Mal, wenn er sich ertappte, dass er nicht trauerte, nicht an sie dachte, sich nicht den Schmerz bewusst war, fühlte er sich schuldig.

Er hatte die Liebe seines Lebens verloren. Und noch so viel mehr. Jede Erinnerung, die er vorher mit so viel Liebe und Glück verbunden hatte, war jetzt mit Schmerz verbunden. Zauberte ihm kein Lächeln auf die Lippen, sondern Tränen in die Augen.

Und er wollte doch einfach nur diesen unmöglichen Schmerz vergessen. Diesen intensive, furchtbare Schmerz, der ihm die Kehle zuschnürte, seine Narben wieder brennen und sein Herz schneller schlagen ließ. Es war zu viel.

Er konnte es nicht ertragen.

Und seit er aufgegeben hatte es zu versuchen zu ertragen, seit er seine Trauer in Alkohol vergaß, war alles viel einfacher. So viel einfacher.

Der Schmerz wurde dumpf, die Erinnerungen verschwommen; es fühlte sich an, als wäre er in einer großen pinken Blase, aus der er nie entkommen wollte. In dieser Blase lebte Mavie noch, in dieser Blase malte er sich ein Leben mit ihr und seiner Tochter aus.

„Woran denken Sie?", fragte der Therapeut wieder und langsam wandte Kade ihm den Kopf zu und lächelte spöttisch.

„An Whiskey," erwiderte er trocken und fuhr sich durch die Haare.

Der etwas ältere, weißhaarige Mann mit der dicken Hornbrille seufzte leise auf. „Haben sie jemals überlegt zu einem AA treffen zu gehen?", fragte er und nahm die Brille ab, begann sie zu putzen.

„Nein. Werde ich auch nicht."

„Mr. Irons wir machen hier keine Fortschritte." Bei diesen Worten wandte Kade sich wieder ab und starrte die Menschen, die unten auf der Straße vorbeigingen weiter an. Sie alle hatten Leben, hatten Verluste und Geheimnisse zu ertragen. Mavie war von diesem Gedanken so fasziniert gewesen und so war ihre Obsession mit den Geschichten der Menschen entstanden.

„Probieren wir etwas anderes. Erzählen Sie mir von einer Eigenschaft, die sie an Mavie geliebt haben."

Kade schwieg einige Minuten, ehe er auf die beschlagene Scheibe ihre Initialen schrieb. M.R. „Von Freunden wurde sie oft so eingeschätzt, dass sie Menschen in ihrer Umgebung, egal ob sie sie kannte oder nicht, be- und verurteilte, aber eigentlich war es nie so. Ihrer Meinung nach kannte sie niemanden gut genug um sich das Recht daraus zu nehmen, jemanden aufgrund seiner flüchtigen Handlungen zu verurteilen. Stattdessen malte sie sich immer Geschichten für.... Autofahrer aus, die bei rot über die Kreuzungen und oder viel zu schnell fuhren. Vielleicht war die Frau schwanger und lag in den Wehen, vielleicht hatte er eine Affäre und war so extrem angeturnt von dem Dirty Talk seines Dates, dass er zu schnell fuhr, wer konnte es denn schon wissen?" Bei der Erinnerung an ihr trotziges Lächeln, als sie ihm das erzählte, musste er grinsen. Sie war einzigartig gewesen. Genau das hatte er an ihr geliebt. „Das ist so weit gegangen, dass wir das immer gemacht haben, wenn uns langweilig war und wir nicht für die Uni lernen mussten. Wir haben uns auf das Fensterbrett unseres Fensters gesetzt und den Menschen draußen eine Geschichte gegeben. Es hat uns von unserem Leben abgelenkt und uns etwas Frieden im Stress geschenkt."

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⏰ Last updated: Dec 07, 2017 ⏰

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