PART 5 AKA DRUNKEN TRUTHS

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Innerhalb von weniger als zwei Stunden hatten sie über den Fernseher in der Wohnung Internetzugang bekommen und sahen sich die verschiedensten Trailer und Interviews des jeweils anderen an, nur um sich dann über ihn lustig zu machen.

„Uh warte," meinte Lycia nur, als Kade das Video, welches sie sich gerade anschauten, wegdrücken wollte und schenkte sich etwas von dem Whiskey ein, den sie sich beim Zimmerservice bestellt hatten.

„Ich liebe das Video von dir."

Sie drückte auf Start und sah zu, wie Kade mit dem Interviewer Scharade spielen musste. Nur waren seine Zeichenkünste so schlecht, dass das Skateboard, das er zeichnete, wie ein Penis aussah. Und das schrie auch dieser dementsprechend laut ins Publikum, welches fast vor Lachen am Boden lag.

„Schau, das ist eines deiner ersten Videos," sagte er und nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand, ehe er genau auf das Video drückte, welches innerhalb von wenigen Sekunden geladen war.

„Ich liebe dieses Kleid," sagte er nur und sie sah zu, wie sie selber unsicher gegenüber dem selben Schauspieler saß, mit dem Kade vorher Scharade gespielt hatte.

„Wirklich?", fragte sie nur und sah zu, wie die unsichere Lycia immer wieder ihr Kleid hinunterzog. Doch dieses Video war kein normales Video sondern eine Zusammenstellung aller Videos, die sie bei Robert Schier verbracht hatte.

„Weißt du, als Kind wollte ich immer auf das Cover von irgendeiner Zeitschrift kommen," sagte sie, während der Interviewer die Zeitschrift in die Höhe hielt und das Publikum applaudierte.

„Nur die besten schaffen es auf das Cover der Vibe."

Dann war auch das Video vorbei und sie sah, wie ein Video abgespielt wurde, dass sie nur zu gut kannte. Verdammtes Autoplay.

Warrens Stimme alleine erinnerte sie an alles, was sie durchgemacht hatte, alles, was er zu ihr gesagt hatte, was er ihr versprochen hatte. Ich werde sie verlassen, versprochen. Ich liebe dich, Lycia. Was war nur aus der Lycia vor dieser Affäre geworden? Was war nur mit ihr geschehen? Wer war sie jetzt?

Als sie seine Stimme, sein Gesicht nicht mehr aushielt, sah sie zu Kade, der schmunzelnd auf den Fernseher sah und erst, als er ihren Blick bemerkte zu ihr sah.

„Was?", fragte er und sie lachte beinahe hysterisch auf. Verdammt, so viel Alkohol war sie nicht gewöhnt.

„Nichts, es ist nur...nach Sins hatte ich nicht erwartet, dass..." Sie verstummte und lächelte stattdessen. „Ist nicht so wichtig. Ich bin einfach nur glücklich. Und ja, ich bin mir bewusst, dass das der Alkohol ist, der aus mir spricht."

„Versteh ich," meinte er nur und rutschte näher zu ihr, schlang einen Arm um ihre Schultern und zog sie so näher. Sie erstarrte kurz, überwältigt von der plötzlichen Nähe und seinem Duft, der sie einmal mehr benebelte, doch ansonsten tat er nichts. Bewegte sich nicht, entspannte nur seine Glieder und sah weiterhin auf den Fernseher, auf die Videos, die nicht mehr von ihnen handelten, aber von anderen Schauspielern.

Bald schon würde der eine oder andere Nachmittag oder Abend wegen einem Interview draufgehen, denn jeder von ihnen musste den Film bereits früh genug promoten. Außerdem mussten sie noch verschiedenste Photoshoots machen. First Looks waren verdammt wichtig.

Sie versuchte alles auszublenden und entspannte sich auch. „Der Tag morgen wird lustig." Mit der Spitze ihres Fußes zeigte sie auf die Flasche, die auf dem Tisch stand. Kopfweh wird ihr geringstes Problem sein. Zwar konnte Lycia jetzt den Großteil des Films, aber dennoch war die drohende Nähe von Warren greifbar, alleine zu wissen, dass er bald hier sein würde, hier bei ihr und ihre Welt erneut zu zerstören, brachte ihre Glieder zum Beben.

Kade erwiderte für lange Zeit nichts, bis er abrupt das Thema wechselte. „Gefällt dir das Skript eigentlich?"

Nichts, außer dem Job. Über etwas anderes sprach er nicht mit ihr.

Was einerseits verständlich war. Immerhin kannten sie sich erst weniger als vierundzwanzig Stunden. Tiefe Gespräche über ihre Vergangenheit waren da einfach nicht drinnen und wenn er sie nicht drängte, würde sie ihn auch nicht drängen. Sie genoss die Tatsache, dass er ihr Freiraum ließ, dass er sie nicht viel fragte, sondern einfach schweigen konnte. Sie hatte die Stille für lange Zeit vermisst. Sie wussten beide, dass das hier kein Date war. Das hier war vielmehr ein Abend, der zwei einsamen Seelen half, nicht mehr alleine zu sein. Was auch immer seine Vergangenheit war, er konnte die Stille alleine nicht mehr ertragen. In dieser Sache waren sie gleich.

„Ich..." Trotzdem wusste sie nicht, wie sie die Gefühle beschreiben konnte, die sie ergriffen, wenn sie an das Skript dachte. Es hatte so viel mit dem zu tun, was mit ihr in der Zeit geschehen ist, in der sie es erhalten hatte und in welchen emotionalen Zustand sie sich befand. Schließlich begann sie einfach zu sprechen, ohne darüber nachzudenken und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. „Ich mochte, dass es gleich von Anfang an voll zur Sache ging und die Tiefe der Charaktere, dass sowohl Owen als auch Sylvia Geheimnisse haben. Ich konnte mich auf eigenartige Weise genau mit ihr identifizieren. Und ich habe keine Ahnung, warum. Sie... ein Teil von mir passt einfach zu ihr, wie ein Handschuh, der perfekt sitzt."

„Wer auch immer Ryan Mason ist," sagte er nur als Antwort. „Er kennt uns beide oder hat uns schon länger im Visier."

Sie setzte sich auf und sah ihn lange an, sein seitliches Profil, sein Gesicht, von dem sie nur die Umrisse wegen dem nicht vorhandenen Licht in der Wohnung sah. „Wie kommst du darauf?"

„Ryan Mason stellte besondere Anforderungen, bevor er sein Skript verkauft hat, zumindest hat mir das Darin Salvatore erzählt. Wenn wir beide die Rollen nicht angenommen hatten, dann wäre das Projekt nie entstanden."

„Was? Wieso?", fragte sie erneut und es schien, als wäre der Alkohol verschwunden. Sie wollte nur, dass er weitersprach, weiter von dem erzählte, was sie nie erfahren hatte. Wieso hatte er ihr das nicht früher gesagt? Sagte er das nur wegen dem Alkohol?

„Nun ja... alle Teilnehmer wurden gecastet oder mehreren Schauspielern wurde für eine Rolle das Skript zugeschickt, aber nicht für uns. Nicht für die Rolle des Owen Laiken und Sylvia van der Brook. Nur du und ich sind für die Hauptrolle in Frage gekommen, niemand sonst. Das war eine Bedingung von Ryan Mason selber."

Es war seltsam, dass er das alles jetzt einfach so sagte, aber vorher mit keiner Silbe erwähnt hatte. Aber auch er hatte Alkohol intus, auch er war nicht gegen die Wirkung von Whiskey immun. 

Lange Zeit wusste Lycia nicht, was sie sagen sollte, weshalb sie sich einfach durch die Haare fuhr und sich ein Glas Wasser holte.

Ok, du kannst das, Lycia. Reiß dich zusammen. Jeder weiß, dass Ryan Mason seltsam ist, auch wenn das deine ganze Vorstellung übersteigt. Einen so guten Film auf solchen banalen Entscheidungen zweier Schauspieler zu lasten, ist doch Wahnsinn.

Doch als sie nach fünf Minuten wieder zurück zu der Couch ging, saß Kade zwar noch immer so wie vorher auf der Couch, allerdings waren seine Augen geschlossen und sein Atem ging ruhig und tief.

Er schlief.

Kurz überlegte sie, was sie jetzt mit einem schlafenden Schauspieler machen sollte, ehe sie die Flaschen einfach in die Küche stellte und eine Decke holte, seinen Körper einfach auf die Couch drückte und ihn dann zudeckte. Während der ganzen Prozedur bewegte er sich kein bisschen, nur als er ihre kalten Hände auf seinen Wangen spürte, zuckte er kurz zusammen, aber das war es auch schon.

Ein letztes Mal sah sie zurück zu ihm, ehe sie kopfschüttelnd in ihr Zimmer ging und die Tür vorsichtig schloss. 

This Is ActingWhere stories live. Discover now