6 | 15. Kapitel

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"Ich habe das noch nie gemacht, müssen Sie wissen." Meine Stimme war erstaunlich fest. Ich bildete mir ein, einen Schatten der Panik über ihr Gesicht huschen zu sehen. "Ich weiß nicht, ob es mir auf Anhieb gelingt."

"Du bist eine von seinen Anhängern. Eine Schülerin aus Hogwarts?" Als sie sich aufrichtete, war ich mir beinahe sicher, mir den Schatten nur eingebildet zu haben. Es war keine Angst, die sich in ihrer Miene spiegelte. Wenngleich sicherlich auch eine Spur Schock sich darin widerspiegelte, war es hauptsächlich Mitleid, welches sich darauf zeigte. "Hast du die Narbe von ihm? Von Voldemort?"

Sie war definitiv mutig, seinen Namen auszusprechen, wenn ich bedachte, wie viele sich davor sträubten. Und an ihrer Stelle hätte ich es wohl nicht getan. Falls sie nun nicht mir, sondern beispielsweise Bellatrix gegenüberstünde, hätten sich ihre Chancen nun noch deutlich verschlechtert. Ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie sie ausgerastet war, weil mein Bruder seinen Namen ausgesprochen hatte. 

"Nein", beantwortete ich ihre Frage. Was kostete es mich bei ihr schon, ehrlich zu sein? "Diese Verletzung stammt von einer seiner treuesten Dienerinnen. Bellatrix hat mir diesen Schnitt zugefügt."

Das Mitleid in ihren Augen wurde größer. Ich konnte es deutlich erkennen. "Du bist die Tochter von Professor Snape, nicht wahr?" Vage zuckte ich die Schultern. "Kann er dir nicht helfen? Niemand ist gezwungen, Voldemort zu dienen. Oder geh zu Professor Dumbledore. Ich wüsste niemanden, der besser geeignet wäre, für deinen Schutz zu sorgen."

Ich schnaubte. "Wer sagt, ich diente ihm unfreiwillig?" Es war eine glatte Lüge, doch bei ihren Worten war mich ein ähnliches Gefühl überkommen, wie vor mehreren Wochen als ich vorm dunklen Lord gekniet hatte. Der Wunsch, meinen Herrn nicht zu enttäuschen. Meine Aufgabe mit Bravour zu meistern. Dies hier war doch nichts weiter als ein weiterer Schritt dorthin. Ein Mittel zum Zweck. "Immerhin trage ich das dunkle Mal, sein Zeichen."

Ohne ihr die Chance für eine Erwiderung zu geben, geschweige denn mir die Möglichkeit für einen Rückzieher, hob ich meinen Zauberstab. Ich wollte nicht darüber nachdenken, dass ich mich in diesem Moment strafbar machte oder welche Folgen hieraus resultieren konnten. Es änderte nichts. "Imperio."

Sollte es mich erschrecken, dass mir der Zauber auf Anhieb gelang? Ich sah, wie das Licht aus ihren Augen schwand, sah sie leer werden, als wäre ihr gesamter Geist in Nebel gehüllt worden. Auch ihre Abwehrhaltung fiel in sich zusammen, als hätte sie nie existiert. Sie wirkte beinahe sorglos, wie sie dort stand. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, die vollkommene Kontrolle über ein Individuum zu haben. Vollkommene Unterwerfung.

Für mich war der Imperius-Fluch immer derjenige der drei Unverzeihlichen gewesen, der mich mit dem größten Schrecken erfüllt hatte. Eine Gefangene im eigenen Körper. Ein Schicksal schlimmer als der Tod. Rosmerta nun vor mir stehen zu sehen, mit leerem Blick, vollkommen meinem Willen unterworfen, bestätigte mich in diesem Glauben.

"Sie werden meine Kontaktperson hier in Hogsmeade sein und mich über alle Ereignisse auf dem Laufenden halten", sagte ich tonlos, den Zauberstab nach wie vor auf sie gerichtet. Madam Rosmerta nickte mit verschleiertem Blick. Ich schluckte. "Gerade in Bezug auf Dumbledore möchte ich informiert werden, wann immer er das Schloss verlässt."

Eigentlich hätte ich nicht damit gerechnet, dass sie den Mund aufmachte, doch als sie es tat, trieb mir die Schuld einen Kloß die Kehle hinauf. Sie klang lediglich wie die Hülle ihrer selbst, keinerlei Gefühl lag in ihren Worten. "Wie soll ich die Informationen übermitteln?"

"Mit der hier." Ich warf ihr die kleine goldene Münze zu, welche Draco und ich im Voraus verzaubert hatten. Hermine hatte mit einem ähnlichen Mittel letztes Jahr die Zusammenkünfte von Dumbledores Armee organisiert. "Sie wird heiß, wenn wir Sie kontaktieren. Außen auf dem Rand wird dann die Nachricht stehen." Ein wenig wie unsere dunklen Male. Auch sie waren intern miteinander verbunden. 

"Okay."

"Dann habe ich jetzt direkt noch eine Aufgabe für Sie." Erneut griff ich in meine Tasche, beförderte das kleine Päckchen zutage. An den Ecken war das Papier ein wenig durchweicht, ließ jedoch noch keinen Blick auf ihren Inhalt zu. Madam Rosmerta zuckte nicht mit der Wimper. "Ich möchte, dass Sie das jemandem geben, der es hinauf ins Schloss zu Professor Dumbledore bringt. Ein Geschenk."

Wenige Minuten später kehrte ich mit zwei Flaschen Butterbier an unseren Tisch zurück, wo Noreen inzwischen den Versuch, ihre Haare zu trocknen, dran gegeben hatte. Meine Hand brannte, obwohl die Scherben inzwischen entfernt und sie verbunden war. Ich hatte einen ähnlichen Tarnzauber wie damals für Noreens Gesicht verwendet, weshalb sie unversehrt aussah. 

"Wo warst du denn so lange?" Ungeduldig nahm mir meine Freundin eine der Flaschen ab, noch bevor ich die Chance bekam, mich hinzusetzen. "Potter und seine Freunde sind eben gekommen und starren mich ununterbrochen an."

"Ach, tun sie das?" Mit ungerührter Miene ließ ich mich auf meinen Stuhl nieder und nahm einen tiefen Schluck von meinem Butterbier. Meine Hände zitterten. Nicht verwunderlich. Nur mit Mühe hielt ich mich davon ab, mich umzuschauen. Mir blieb nur zu beten, dass niemandem meinen kurzen Abstecher ins Lager zusammen mit Madam Rosmerta bemerkt hatte. 

Der Zauberer an der Theke war bereits verschwunden, hatte nur einige silberne Sickel an seinem Platz zurückgelassen, als wir aus dem Lagerraum getreten waren und so den abgestandenen Geruch hinter uns gelassen hatten. Man merkte Madam Rosmerta nicht an, dass irgendetwas vorgefallen war. Wie zuvor auch wuselte sie, ein freundliches Lächeln auf den Lippen, durch den Schankraum und sammelte hier und da Gläser und Flaschen ein. Wenn ich die Wirkung des Zaubers nicht gespürt hätte, hätte ich mich vermutlich gefragt, ob sie mir nicht nur etwas vorgespielt hatte.

"Bei Merlin, Cat. Heute macht es echt keinen Spaß mit dir." Ich zuckte zusammen, als Noreen ihre Flasche heftiger als nötig auf den verkerbten Holztisch knallte. "Du bist überhaupt nicht bei der Sache. Wo ist meine Caitlyn? Früher hast du mit mir zusammen gescherzt."

Diese Caitlyn ist erwachsen geworden, hätte ich am liebsten geantwortet, verkniff es mir aber. Stattdessen kippte ich den Rest meines Butterbiers in einem Zug hinunter. Die Flüssigkeit wärmte mich von innen, schaffte es jedoch nicht, den bitteren Nachgeschmack zu vertreiben, als ich Madam Rosmerta in Richtung Mädchentoilette verschwinden sah. "Können wir zurück zum Schloss?"

Noreen wirkte zwar nicht besonders begeistert, stimmte allerdings zu. Nur wenig später traten wir zurück hinaus auf die Straße, wo der Schnee uns mit alter Wucht begrüßte und sich eisig auf unsere Gesichter und Hände legte.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt