5 | 31. Kapitel

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Sobald ich es endlich fertigbringen konnte, mich von seiner Gestalt zu lösen und Harrys Zauberstab an mich zu nehmen, drehte ich mich zu den anderen um. Crabbe und Goyle lagen wie zwei nasse Säcke auf dem Boden, ganz offensichtlich von Neville und Ron ausgeknockt. Ich sah noch, wie Ginny Blaise einen Fluch auf den Hals hetzte, dann wandten sie sich alle mir zu. 

"Gib uns den Zauberstab, Verräterin", verlangte Ron und trat, wie er wohl glaubte, drohend, einige Schritte auf mich zu.

Ich brachte nicht einmal ein müdes Lächeln zustande. "Du meinst den hier?" Knapp wedelte ich mit dem Stab in der Luft herum und schüttelte dann verneinend den Kopf. Auf Rons Beleidigung ging ich nicht ein. "Wenn der dunkle Lord tatsächlich Sirius haben sollte, komme ich mit. Keine Widerrede."

"Du kannst nicht einmal kämpfen!" Der Rotschopf drehte sich zu seinen Begleitern um. "Sie ist eine Schlange, sie würde uns bei der ersten Gelegenheit in den Rücken fallen."

Oh, Merlin, man sollte nicht meinen, dass ich ihm bereits ein oder zweimal beigestanden hätte. Ich verdrehte die Augen, ließ mich aber wieder nicht auf eine derartige Kindergartendiskussion ein, obwohl ich hart mit mir am Kämpfen war. Nur zu gern würde ich ihn hier und jetzt zum Duell fordern, dessen Ende ohnehin klar wäre. "Jede Sekunde, die wir hier diskutieren, verlieren wir an Zeit. Ich nehme doch an, ihr wollt Harry und Hermine nicht mehr allzu lang dort unten mit der Kröte alleine lassen!"

Ron setzte erneut zu Prostest an, da legte Ginny ihm die Hand auf den Arm. Die Stirn gerunzelt sah sie mich an. "Es passt mir auch nicht so recht, aber sie war es, die mir die Möglichkeit gegeben hat, mich loszureißen."

Den ganzen Weg aus dem Schloss hinaus und über die Ländereien durfte ich mir Rons gestichelte Kommentare anhören. Wie sollte ich mich bitte im Kommenden auf ihn verlassen können? Unsere Füße schlugen einen ungleichmäßigen Takt auf dem Boden, während wir zusahen, möglichst zügig voran zu kommen.

Schon bald hatten wir den Rand des verbotenen Waldes erreicht, wo es merklich kälter wurde. Ich fröstelte und rieb mir unruhig die Arme. Diese Temperaturen im Juni waren bestimmt nicht normal, zumal die Sonne noch nicht untergegangen war.

"Wie sollen wir wissen, wo sie hingegangen sind?", fragte Neville und starrte angestrengt in den Wald hinein. Er war der Erste, der verharrt war. Ich konnte die Hoffnungslosigkeit in seinem Blick sehen. "Sie könnten überall dort drin sein." 

"Wir finden sie", sagte ich entschlossen. 

Als wäre dies der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte, wirbelte Ron zu mir herum. "Und wie bitte? Warst du jemals im Wald? Nein, ich denke nicht. Lass dir eins gesagt sein, er ist riesig."

Ruhig zückte ich meinen Zauberstab und sah, wie er erstarrte. Sag bloß – große Klappe, nichts dahinter? Mein Mundwinkel zuckte, während ich den Haselstab auf meiner flachen Handfläche platzierte. "Ducernos", flüsterte ich, woraufhin sich das Stück Holz in die richtige Richtung ausrichtete. "Folgt mir."

Weiterhin wütend vor sich hin murmelnd, war Ron der letzte, der sich in Bewegung setzte, um mir zu folgen. Es dauerte nicht lange, bis es im Schatten der Bäume zu dunkel wurde, um viel erkennen zu können, daher entzündeten die anderen um mich herum ihre Zauberstäbe. Wir waren schreckhaft, reagierten auf jedes kleinste Geräusch um uns herum, war es nur das harmlose Knacken eines Astes.

Auf einer kleinen Lichtung angelangt, gelangten wieder erste Strahlen der untergehenden Sonne an unsere Augen. Vor uns im Gebüsch raschelte es, doch nichts geschah. Links neben mir schnappte Neville erschrocken nach Luft. Die Ravenclaw – Luna Lovegood, wie ich erfahren hatte – blickte beängstigend verklärt drein. "Was ist?", fragte Ginny leise, doch in der plötzlich eingesetzten Stille klang es eher wie ein Kanonenschuss. 

Ich hob den Zauberstab und sah den Gryffindor abwartend über die Schulter an. Er öffnete den Mund, als lautes Krachen von der anderen Seite der Lichtung drang und zwei Gestalten zwischen den Bäumen hervorrannten. Im ersten Moment dachte ich, sie wären eine akute Gefahr und hatte schon fast den ersten Zauber auf den Lippen, da erkannte ich sie als die beiden gesuchten Personen.

"Wie seid ihr da rausgekommen?" Mein Bruder klang verblüfft und sah von einem zum anderen. Ginny hatte einen langen Kratzer auf der Wange, Rons Lippe blutete stark und über Nevilles Auge schwoll ein großer violetter Bluterguss an. Luna und ich waren als einzige unverletzt. "Cathy, was machst du hier?"

"Unwichtig. Hat der dunkle Lord tatsächlich Sirius in seiner Gewalt?"

"Ja", antwortete Harry müde und rieb sich über die Stirn. "Ich weiß auch wo, im Ministerium, aber ..."

Bestimmt trat ich vor und drückte ihm seinen Zauberstab in die Hand. Verwirrt nahm er ihn entgegen. "Dann müssen wir ihn da rausholen gehen", verkündete ich fest, auch wenn ich innerlich alles andere als überzeugt von dieser Idee war. Es konnte eine Falle sein, wir hatten nicht die geringste Ahnung, was uns dort erwarten würde und wie wir überhaupt nach London gelangen sollten.

Natürlich begann Harry zu protestieren. So war er einfach. Er führte dieses und jenes Argument auf und vergeudete wertvolle Zeit, in dem er sich mit seinen Freunden stritt. Das Stechen in meiner Brust, welches ich bis dahin noch recht gut hatte ignorieren können, verstärkte sich. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Harry sich an die Stirn fasste. "Von mir aus. Nehmt euch einen der Thestrale und dann los."

Ich fuhr mir mit beiden Händen übers Gesicht und dann durchs Haar. Thestrale, jene pferdeähnlichen Wesen, die nur derjenige sehen konnte, der den Tod gesehen hatte? Laut verschiedenster Bücher sollten sie einen wahnsinnig guten Orientierungssinn haben, doch auf ihnen nach London fliegen? Das war schon eine ordentliche Strecke. Wie sollte ich überhaupt auf einen draufkommen?

Ron, Ginny und Hermine plagten scheinbar ähnliche Sorgen. "Wie sollen wir denn aufsitzen?", fragte der Rotschopf mit schwacher Stimme, "Wo wir diese Dinger doch gar nicht sehen können?"

"Oh, das ist einfach." Luna glitt hilfsbereit zu Boden. "Ihr müsst euch wirklich gut festhalten", schärfte sie jedem von uns ein, während sie unsere Hände in etwas Weiches und seidiges schlang. Zweifelnd sah ich auf die Luft unter mir hinunter. Sicherlich fühlte ich, dass da irgendetwas war, allerdings war es ein ziemlich seltsames Gefühl. Auch die anderen drei hatten einen ähnlichen Ausdruck im Gesicht. 

Mit einem knappen Blick nach hinten versicherte sich mein Bruder, dass wir alle sicher saßen, dann sagte er unsicher zu der Luft: "Also, Zaubereiministerium, Besuchereingang, London. Falls du weißt, ... wo es lang geht."

Für einen Moment geschah überhaupt nichts, dann sackte ich plötzlich ab. Meine Finger wurden weiß, so sehr klammerte ich mich an die unsichtbare Mähne des Tieres. Steil und pfeilschnell schossen wir plötzlich alle sieben in die Höhe, hinein in einen blutroten Sonnenuntergang.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt