5 | 7. Kapitel

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Wie jedes Jahr hielt die Hauslehrerin von Gryffindor direkt aufs Lehrerpodium zu und sorgte gebieterisch für eine angemessene Aufstellung der neuen Schüler. Stille kehrte ein und die geballte Aufmerksamkeit richtete sich auf den alten, zerfransten Hut auf dem storchbeinigen Stuhl. Gespannt auf die diesjährige Kreation des Huts kuschelte ich mich etwas dichter an Draco hinter mir, als sich der Schlitz an der Krempe öffnete und der Hut zu singen begann:

In alter Zeit, als ich noch neu,
Hogwarts am Anfang stand,
die Gründer unsrer noblen Schule
noch einte ein enges Band.
Sie hatten ein gemeinsam' Ziel,
Sie hatten ein Bestreben:
Die beste Zauberschule der Welt,
Und Wissen weitergeben.
>>Zusammen wollen wir bau'n und lehr'n!<<
Das nahmen die Freunde sich vor.
Und niemals hätten die vier geahnt,
Dass ihre Freundschaft sich verlor.
Gab es so gute Freunde noch
Wie Slytherin und Gryffindor?
Es sei denn jenes zweite Paar
Aus Hufflepuff und Ravenclaw?
Weshalb ging dann dies alles schief,
hielt diese Freundschaft nicht?
Nun, ich war dort und ich erzähl
Die traurige Geschicht'.
Sagt Slytherin: >>Wir lehr'n nur die
Mit reinstem Blut der Ahnen.<<
Sagt Ravenclaw: >>Wir aber lehr'n,
Wo Klugheit ist in Bahnen.<<
Sagt Gryffindor: >>Wir lehr'n all die,
Die Mut im Namen haben.<<
Sagt Hufflepuff: >>Ich nehm sie all'
Ohne Ansehen ihrer Gaben.<<
Am Anfang gab es wenig Streit
Nur Unterschiede viele,
Denn jeder der vier Gründer hatte
Ein Haus für seine Ziele.
Sie holten sich, wer da gefiel;
So Slytherin nahm auf,
Wer Zauberer reinen Blutes war
Und listig obendrauf.
Und nur wer hellsten Kopfes war,
Der kam nach Ravenclaw.
Die Mutigsten und Kühnsten doch 
Zum tapferen Gryffindor.
Den Rest nahm auf die Hufflepuff,
Tat allen kund ihr Wissen,
So standen die Häuser und die Gründer denn
In Freundschaft, nicht zerrissen.
In Hogwarts herrschte Frieden nun
In manchen glücklichen Jahren,
Doch bald kam hässliche Zwietracht auf,
Aus Schwächen und Fehlern entfahren.
Die Häuser, die vier Säulen gleich,
Einst unsre Schule getragen,
Sie sahen sich jetzt als Feinde an,
Wollten herrschen in diesen Tagen.
Nun sah es so aus, als sollte der Schule
Ein frühes Ende sein.
Durch allzu viele Duelle und Kämpfe
Und Stiche der Freunde allein.
Und schließlich brach ein Morgen an,
Da Slytherin ging hinfort.
Und obwohl der Kampf nun verloschen war,
Gab's keinen Frieden dort.
Und nie, seit unsere Gründer vier
Gestutzt auf dreie waren,
Hat Eintracht unter den Häusern geherrscht,
Die sie doch sollten bewahren.
Nun hört gut zu dem Sprechenden Hut,
Ihr wisst, was euch beschieden:
Ich verteil euch auf die Häuser hier,
Wie's mir bestimmt ist hienieden.
Ja, lauscht nur meinem Liede gut,
Dies Jahr werd ich weitergehen:
Zu trennen euch bin ich verdammt,
Doch könnt man's als Fehler sehen.
Zwar muss ich meine Pflicht erfüllen
Und jeden Jahrgang teilen.
Doch wird nicht bald durch diese Tat
Das Ende uns ereilen?
Oh, seht das Verderben und deutet die Zeichen,
Die aus der Geschichte entstehen.
Denn unsere Schule ist in Gefahr,
Sie mag durch äußere Feinde vergehen.
Wir müssen uns stets in Hogwarts vereinen
Oder werden zerfallen von innen.
Ich hab's euch gesagt, ich habe gewarnt ...
Lasst die Auswahl nun beginnen.

Der Hut erstarrte wieder und ich klatschte wie alle anderen auch in die Hände, doch zwischen dem Applaus war ein Murmeln und Wispern zu hören. Überall beugten sich Schüler zu ihren Nachbarn und mir war klar, worüber sie sprachen. Über die Tische hinweg begegnete ich dem Blick meines Bruders, wandte den Kopf aber gleich wieder und sah über die Schulter zu Draco. "Die Zeiten sind wahrlich düster geworden, wenn selbst der Hut seine Warnung ausspricht", murmelte ich ihm zu, während in der Halle langsam wieder Ruhe einkehrte und die Auswahlzeremonie begann.

Der Druck seiner Hand auf meinem Schlüsselbein verstärkte sich ein wenig, allerdings hörte ich den Spott aus seiner Stimme, als er schnarrend erwiderte: "Dennoch wird mich das Teil sicher nicht dazu bekommen, mit Gryffindor Freundschaft zu schließen oder zu diesem alten Narren hinaufzublicken."

"Vielleicht ist es ja eben diese Einstellung, die der Hut verurteilt?", überlegte ich leise und betrachtete einen dunkelhaarigen Jungen, der bei Aufruf seines Namens regelrecht nach vorne stolzierte und bei dem ich schon vor dem Urteil des Huts wusste, dass er nach Slytherin kommen würde. "Du könntest doch als gutes Beispiel vorangehen und eine Blutsbruderschaft mit Harry schließen?"

An dem leisen Lachen hinter mir erkannte ich, dass er meine Worte richtigerweise neckisch aufgefasst hatte, seine Brust bebte dabei leicht an meinem Rücken und entlockte auch mir ein kleines Lächeln. "So leid es mir tut, Miss Snape, aber ich fürchte, Sie werden sich von mir lösen müssen", raunte er, als auch der letzte Neuling einem der vier Häuser zugeteilt war und Dumbledore sich von seinem Stuhl erhob. Ich grummelte unwillig, was ihm nur ein erneutes leises Lachen entlockte. "Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber sobald er sich wieder setzt, werden sich all diese goldenen Teller und Platten mit Speisen füllen und mein Magen freut sich schon seit heute Morgen darauf. Deiner übrigens auch."

Meiner übrigens auch? Wie bitte? Befremdet setzte ich mich erneut aufrecht hin und schenkte den Worten des Schulleiters keine Beachtung. "Woher willst du wissen, dass mein Magen ... was?" Mir fehlten die Worte, so verblüfft war ich. Es konnte nicht sein. Hatte er wirklich so genau auf mich geachtet?

Über den Tisch hinweg sah ich Noreen an, die verträumt zwischen uns beiden hin und her sah und somit nicht mitbekam, wie das Essen vor uns auf dem Tisch erschien. "Wisst ihr zwei eigentlich, wie süß ihr seid? Ihr verhaltet euch nicht einmal mehr wie ihr – es ist, als wärt ihr wie ausgewechselt."

Bei ihren locker in den Raum gestellten Worten verspannte ich mich und auch Dracos Präsenz neben mir schien um einige Grad kälter zu werden. "Wir sind kein bisschen anders als sonst auch", schnarrte er und tat sich etwas von dem Hühnchen auf. "Es tut mir leid, wenn du diesen Eindruck erhalten hast."

"Nein, sie hat ganz recht ihr zwei. Es ist nichts Negatives dabei." Ein schwarzhaariger Junge mit spitzem Gesicht beugte sich hinüber und versuchte an den Krug mit Kürbissaft direkt vor meiner Nase zu gelangen. "Wärst du so freundlich, Cat?" Kaum hatte ich ihm den Saft gereicht, fuhr er auch schon fort: "Gerade in diesen Zeiten tut es gut, ein wenig Freude und freie Liebe zu sehen. Ich hätte nichts dagegen, wenn ihr ..."

"Pucey!", unterbrach ich ihn ruppig. Ich hatte nicht die geringste Lust darauf, hier über besagte Zeiten zu sprechen und wollte genauso wenig seine Definition der freien Liebe auf Draco und mich bezogen hören. "Wenn du deinen Platz im Quidditchteam behalten willst, würde ich dir jetzt dringend raten, die Klappe zu halten."

Adrian ließ den Krug fallen. Der gesamte Inhalt, was Merlin sei Dank nur noch eine kleine Pfütze war, ergoss sich über den Tisch. Hastig hob ich meinen Teller in die Luft und brachte ihn somit in Sicherheit, ehe ich meinen grinsenden Teamkollegen ansah. "Du bist also tatsächlich Kapitän geworden? Du hast das Abzeichen erhalten?"

"Nein, natürlich nicht", antwortete ich sarkastisch und kramt nach meinem Zauberstab, um den Saft verschwinden zu lassen und den Krug zu reparieren. "Deshalb kann ich dir, als nicht Kapitän, ja auch mit dem Rausschmiss drohen."

Noch bevor ich meinen Stab finden konnte, verschwanden die Speisen vor uns im Nichts. Enttäuscht blickte ich auf meinen nun mehr blitzsauberen Teller, als der Geräuschpegel an diesem Abend zum wiederholten Male abflaute. "Nun, jetzt, da wir alle ein weiteres herrliches Festessen verdauen, bitte ich für einige Momente um eure Aufmerksamkeit für die üblichen Bemerkungen zum Schuljahresbeginn." Dumbledore hatte sich erhoben. "Die Erstklässler sollten wissen, dass der Wald auf dem Schlossgelände für Schüler verboten ist – und einige unserer älteren Schüler sollten es inzwischen auch wissen." Weitere Ermahnungen folgten, bis er endlich auf das Thema zu sprechen kam, was mich wirklich interessierte: "Auswahlspiele für die Quidditchhausmannschaften finden statt am -"

Ich war nicht die einzige, die irritiert war, dank seines plötzlichen Innehaltens. Verwirrt sah ich am Lehrertisch auf und ab, wobei mir besonders der finstere Blick meines Vaters auffiel, bis ich endlich die Ursache erfuhr.

Unknown Potter II - Hidden in the DarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt