Besuch

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Ohnezahn flog gemütlich durch eine Wolke und ich schloss genießerisch meine Augen. Wie ich das Gefühl der unendlichen Freiheit liebte. "Gut Kumpel, fliegen wir zurück", sagte ich und tätschelte seinen Kopf. Er brummelte und schenkte mir sein zahnloses Lächeln, welches ich nur erwiedern konnte.

Als wir landeten stieg ich von seinem Rücken. Das vertraute Geräusch der Prothese, die auf dem Holz aufkam erklang und Ohnezahn und ich stapften nebeneinander durch Berk. Wir waren für einen Besuch hier, ein benachbarter Stamm war da. Innerlich stöhnte ich bei dem Gedanken auf die ganzen Festlichkeiten nur auf, doch ich versuchte möglichst positiv zu denken und es hinter mich zu bringen. Außerdem konnte ich so mit Grobians Hilfe an dem Fluganzug arbeiten, welchen ich fertigstellen wollte, genau wie eine neue Konstruktion für Ohnezahn.

Als wir so durch Berk schlenderten, fiel mir ein Mädchen auf, was etwas verloren herumstand. Ich ging locker auf sie zu. "Suchst du etwas?", fragte ich und lächelte. Sie schreckte zusammen und lies dabei doch glatt den Becher mit Wasser fallen. Sie wurde rot und hob ihn peinlich berührt auf. "Ups, ich wollte dich nicht erschrecken", sagte ich entschuldigend und kratzte mich am Hinterkopf. "Schon gut", sagte sie mit heiserer Stimme, die schwer verständlich war. "Ich bin Sirena" "Ein außergewöhnlicher Name", bemerkte ich und sah sie interessiert an. "Ein außergewöhnliches Mädchen", hörte ich Grobian hinter mir sagen. Ich drehte mich um. Das Mädchen sah zu Boden. "Hä?", fragte ich ungeniert. "Ich kann ungewöhnlich lange die Luft unter Wasser anhalten und sehr schnell schwimmen", flüsterte sie schon fast. Neugierig sah ich sie an. "Das ist doch cool!" Sie starrte weiter auf ihre Stiefelspitzen. "Deswegen Sirena. Wie die Meerjungfrauen, die Sirenen" Das leuchtete ein. "Eigentlich hieß ich Maya", fügte sie kaum hörbar hinzu. Grobian ist inzwischen weiter gegangen. Ohnezahn hatte sie die ganze Zeit über betrachtet, bis er sie freundlich anbrummelte. Sie sah auf und als sie ihn sein Gesicht sah, schien jegliche Scheu zu verschwinden. Ein mildes Lächeln huschte ihr über das Gesicht und sie berührte ihn sanft. Ohnezahns grüne Augen sahen sie aufrichtig an. Etwas, was mich so sehr an ihm faszinierte. Die Augen die nie lügten. Maya, oder Sirena, schien wie ausgewechselt. "Hallo Drache", sagte sie. Ihre Stimme klang weder heiser noch zu leise, sondern völlig normal. Ohnezahn brummelte. "Ihr werdet eine überraschende und zugleich erschütternde Zukunft haben", sagte sie.

Ein Blick in ihre Augen erschreckte mich. Sie hatten dieselbe Farbe wie Ohnezahns angenommen, doch ich hätte schwören können, dass sie vorher grau waren. Plötzlich wich sie erschrocken zurück und schlug die Hände vor den Mund. "Ich habe zu viel gesagt", sagte sie wieder mit heiserer Stimme. Ihre Augen waren grau, und ich fragte mich, ob ich mir das nicht einfach eingebildet hatte. Ohnezahn schüttelte kurz seinen Kopf und sah dann verwirrt hin und her. "Ich werde oft als Hexe dargestellt, weil ich in die Zukunft sehen kann", sagte sie. Ich hielt das alles für einen schlechten Witz. "Ja, wirklich witzig, ich muss dann", sagte ich unwirsch. Doch plötzlich waren ihre Augen wieder grün, nur, dass sie diesmal mein grün angenommen haben. Sie starrte mich eindringlich an. "Das ist kein Witz", sagte sie scharf. Im nächsten Moment war sie verschwunden. Ohnezahn sah mich genauso ratlos an wie ich ihn.

Bei der Schmiede fragte ich Grobian nach Serina. Er sah mich verwirrt an. "Ich kenne keine Serina", sagte er und schüttelte den Kopf. Verdattert starrte ich ihn an. "Du sagtest 'ein außergewöhnliches Mädchen'!", zitierte ich ihn. "Nein, unmöglich", sagte er und zwängte sich an mir vorbei. Fassungslos lief ich zu meiner Hütte. Dort schlug ich das Buch der Drachen auf. Ich brauchte etwas Ruhe.

Als ich das Nachtschattenkapitel aufschlug, verschwammen die Buchstaben plötzlich vor meinen Augen und wichen einer roten Schrift.

Ich habe euch die Zukunft vorher gesagt, deswegen kann sich nun niemand mehr an mich erinnern, der euch und der mich kennt

Als ich blinzelte, war der Satz verschwunden. Ich sog scharf die Luft ein und klappte das Buch zu. "Ich brauche dringend mehr Schlaf. Ich halluziniere schon", murmelte ich etwas verstört.

Ein Jahr nach diesem Ereignis wachte ich schweißgebadet auf. Zum tausendsten Mal träumte ich von der Begegnung. Und sie hatte recht mit ihrer Vorhersage behalten. Ohnezahn war der Alpha und ich Stammesoberhaupt, aber mein Vater ist tot. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto gruseliger wurde das Alles.

Doch diesmal war ich mit wenigstens im Klaren, dass ich nicht halluzinierte. Ein wahrlich schwacher Trost...

HTTYD - One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt