17- Scherben

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Ich weiß nicht, ob ich Grace dankbar oder eher sauer auf sie sein sollte. Nachdenklich liege ich da. Was ist schon richtig im Leben? Ist es richtig sich so hängen zu lassen, wenn man einfach keinen Grund findet, um weiter zu kämpfen? Ich für meinen Teil, sehe keinen Grund mehr. Irgendwie geht mal wieder alles den Bach runter und wer ist Schuld daran? Ich.

Plötzlich schweifen meine Gedanken zu Damon. Was er wohl macht? Ob er an mich denkt? Oder bin ich ihm aufeinmal völlig egal? Ich weiß gar nicht, was mir lieber ist. Wenn ich ihm egal wäre, dann wäre es einfach vorbei zwischen uns und ich müsste mich den Problemen nicht stellen. Einfacher wäre dieser Weg aufjedenfall und es wäre mal wieder typisch für mich. Ich bin bis jetzt immer weggelaufen wenn es schwierig wurde, also warum nicht dieses mal auch?

Den Rest des Wochenendes verbringe ich in meinem Bett und tue absolut nichts.

Am Montag steht Grace dann pünktlich um neun Uhr in meinem Zimmer. Mit lauter Musik weckt sie mich, worauf ich mich nur murrend umdrehe. Doch Grace wäre nicht Grace, wenn sie das einfach so akzeptieren würde. Ausgelassen und fröhlich springt sie auf meinen Bett herum. "Aufwachen du Schlafmütze", krakelt sie laut herum. "Man Grace", meckere ich laut und setze mich auf. Blinzelnd öffne ich meine Augen und gähne. Es ist eindeutig zu früh und Grace hat zu gute Laune. Besagte beruhigt sich etwas und setzt sich zufrieden neben mich. "Die Schonfrist ist vorbei Emma. Das Leben geht weiter, so hart das auch klingt". Seufzend nicke ich, jeder Widerstand ist zwecklos. "Du gehst heute zur Uni und später hole ich dich ab und dann gehen wir noch in die Stadt". "Das ist für dich Leben?", monoton sehe ich sie an. "Ja Emma das ist für mich Leben. Einfach mal was unternehmen, was lernen und sich unter die Leute mischen", überzeugt sieht Grace mich an. Sie steht von meinem Bett auf und geht zu meiner Tür, an dieser dreht sie sich nochmal kurz um. "In zwanzig Minuten gibt es Frühstück und geh am besten Duschen", sie mustert mich mit einem frechen Grinsen und verlässt dann entgültig mein Zimmer. Ein lauter Seufzer entfährt mir. Sehe ich wirklich so schrecklich aus?

Hastig gehe ich ins Bad und bleibe vor dem Spiegel stehen. Angewiedert betrachte ich mich im Spiegel. Ja, ich sehe wirklich so schrecklich aus. Meine Haare sind einfach nur fettig. Schnell gehe ich unter die Dusche und nehme mir ausreichend Zeit um meine Haare zu waschen und meinen Körper einzuseifen.

Frisch und gut riechend steige ich aus der Dusche und wickel mich in ein Handtuch ein. Ich putze meine Zähne, föhne meine Haare und schminke mich sogar etwas. Zufrieden blicke ich in den Spiegel und gehe dann in mein Zimmer, um mich anzuziehen. Ich entscheide mich für eine dunkelblaue, enge Jeans, ein weißes Top und einen grau-weiß mellierten Cardigan. Dazu trage ich meine schwarzen Boots mit Absatz.

Vollkommen fertig gemacht gehe ich in die Küche, in der Grace, schon auf mich wartet. Ich setze mich an den Tisch und lasse mir von Grace ein Tasse frischen Kaffee geben. Der herbe Duft des Kaffes steigt mir in die Nase. Ich liebe Kaffee. Genüsslich nehme ich einen Schluck und sehe dann zu Grace, welche mich grinsend mustert. "Muss ich dir sagen, dass du eben absolut schrecklich aussahst oder ist dir das selbst bewusst?". Sie grinst mich schelmisch an. "Ist mir bewusst", murmle ich schmunzelnd. Wir schmieren uns unsere Brote und packen sie dann ein. "Hast du dich schon bei Damon gemeldet?". Stumm schüttele ich den Kopf. "Emma", seufzend schüttelt sie den Kopf.

Wenige Minuten später sitze ich in der viel zu vollen Straßenbahn in Richtung Universität. Einen Sitzplatz habe ich wie so oft nicht bekommen und so stehe ich gequetscht zwischen den anderen Leuten. Trotz der kalten Jahreszeit ist es warm in der Straßenbahn und es riecht unangenehm nach Schweiß. Kurzgesagt es ist einfach nur wiederlich und ich möchte so schnell wie möglich hier raus.

Als ich aussteige atme ich erstmal tief durch und lasse den Wind durch meine Haare wehen. Ich kann wieder atmen und bin mehr als froh, als die Frische Luft meine Lungen füllt. Die Menschen strömen förmlich an mir vorbei, auf dem Weg in das riesige Hauptgebäude. Ich bin die einzige die stehen bleibt. Einige sehen mich an als wäre ich gestört oder schlimmeres. Was haben die eigentlich für Probleme? Wieso glaubt jeder, er hätte das Recht über andere zu urteilen?

Langsam setze ich meinen Weg fort und betrete den bereits ziemlich vollen Hörsaal. Schnell setze ich mich auf einen der freien Plätze und hole leise meinen Block und einen Stift aus meiner Tasche.

Die nächsten zwei Stunden versuche ich krampfhaft dem Proffessor zu folgen, was mir wirklich schwer fällt. Immer wieder driften meine Gedanken ab. Mal zu Collin, mal zu Damon. Ich weiß einfach nicht was ich tun soll und ich habe verdammt nochmal Angst davor ihm wieder zu begegnen.

Colin. Ich glaube er ist der wiederlichste Mensch, den ich je kennenlernen musste. Doch was ich viel schlimmer finde ist, dass ich ihm so blind vertraut habe und so hintergangen wurde. Wie konnte ich mich bloß so in einem Menschen täuschen? Und wie kann es sein, dass mich unser Aufeinandertreffen so aus der Bahn wirft? Plötzlich ist mir alles egal und ich verkrieche mich wieder hinter meiner Schutzbarriere. Ich schmeiße alles weg, was ich mir in den letzen Jahren so hart erarbeitet habe und lasse mich vollkommen von meiner Angst kontrollieren.

Damon. Was ich über ihn denken soll, weiß ich irgendwie nicht so richtig. In mir herrschen so viele gemischte Gefühle. Ein Teil vermisst ihn und möchte ihn wieder sehen. Doch ein anderer, viel zu großer und mächtiger Teil, möchte ich ihn nicht wieder sehen, am besten nie wieder. Ich hab Angst. Angst, dass mir das gleiche nochmal passiert. Das ich nochmal so verletzt werde.

Denn das ist das schlimmste daran jemanden zu lieben. Irgendwann kommt der Tag an dem du verletzt wirst. Aufeinmal kam mir ein Zitat von Casper in den Sinn. Lieben ist Scherben fressen, warten wie viel Blut man dann kotzt. Genauso ist es doch, erst ist alles schön. Doch mit jeder neuen Erinnerung, jedem neuen guten Gefühl wird es schwerer falls sich etwas ändert an den Gefühlen des anderen. Oder falls man hintergangen wird. Dann werden all die schönen Gefühle und Erinnerungen plötzlich zu Scherben, die einen langsam von innen aufschlitzen. Es zerstört einen von innen herraus, bis es dich plötzlich vollkommen kontrolliert.

Love AgainWhere stories live. Discover now