Kapitel 10- Zufälle gibt es nicht

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Es hatte nicht lange gedauert, bis wir einen passenden Flieger bekamen, denn die Stecke LA-NY wurde oft beflogen. Es war ja wie immer wichtig, dass wir vor Sonnenaufgang ankommen würden. Da ich nun meine Reiseration an Büchern durch hatte (was sollte man im Flieger auch anderes tun, wenn einem die Filme nicht behagten?) stöberte ich in einem Buchgeschäft am LAX ein wenig herum, obwohl ich nicht wirklich wußte, was ich suchte. Ich hatte keine bevorzugten Genres und las eigentlich alles, es kam darauf an, wonach mir war, und schließlich stand ich vor dem Horror- Regal. Vampire. Ich kicherte und überflog die Buchcover, griff die Bücher heraus, die mich ansprachen und las die Klappentexte. Dann hörte ich Hubert in meinem Kopf, dass der Flug aufgerufen worden wäre. Ich konnte mich nicht wirklich entscheiden, schob zwei Bücher wieder zurück, als eines aus dem Regal rutschte und vor mir auf den Boden fiel. Ich hob es auf und drehte es um, auf dem viel zu bunten Cover war eine wütende Vampirin zu sehen, die ein Samuraischwert schwang. Nun, es war bestimmt ein schlecht geschriebener Reißer, aber ich kaufte es trotzdem. Nur des Schwertes wegen!

Dieses Mal hatte ich mir vorgenommen, auf die anderen Passagiere zu achten. Nun, ich hatte immer noch keinen wirklichen Appetit, aber der Vorfall in Tokio war auch erst drei Tage her und Hubert meinte, mit den Mengen an Blut könnte man zwei Wochen auskommen. Vorsichtshalber hatte ich etwas getrunken, doch wußte ich, dass es nie wieder so werden würde, wie in den ersten Tagen, als ich kaum an einem Menschen vorbei gehen konnte. Ja, auch jetzt wurden wir angeschaut. Ich hatte mir doch ein weiteres Kimono- Kleid gekauft, es war smaragdgrün und hatte einen rautenförmigen Ausschnitt, in den einige der Herren natürlich hinein schielten. Aber ich fand, dass meine Männer der wahre Hingucker waren! Mir entgingen die Blicke der anderen Frauen nicht, die mich fast so giftig anstarrten, wie die Vampirin auf meinem Buchcover guckte. Huberts Kopf lag an meiner Schulter, er trug mal wieder ein Rüschenhemd in weiß, das bis zum Bauchnabel aufgeknöpft war. Tom hatte sich einen neuen Kleidungsstil angewöhnt, weil man ihn in den USA zu schnell erkennen könnte, wenn er seinen Gucci- Anzügen treu geblieben wäre. Er machte mir Konkurrenz und trug fast ausschließlich schwarz, gerade eine Lederhose und ein ebenfalls weit aufgeknöpftes Hemd. Vorsichtshalber hatte er sich die schwarze Perücke aufgesetzt und eine Sonnenbrille, wie Hubert auch. Ich fand es albern, denn unsere Augen waren nicht anders, als vorher auch. Nein, kein rot, gold oder lila, einfach grün, blau und braun. Tom hatte seine Hand auf meinen Oberschenkel gelegt und zog Kreise. Ich seufzte und schaute ihn an. Er grinste frech hinter seiner Sonnenbrille und ich musste auch grinsen.

„Geht es dir eigentlich besser?" raunte Hubert.

„Mir ging es nie schlecht. Ich war nur erschrocken, weil es so doll geblutet hat." antwortete ich im Kopf. „Aber ich wäre nicht abgeneigt, es vor Weihnachten zu wiederholen...Vielleicht möchtest du ja mal, Tom."

„Ich möchte jetzt." entgegnete er und ich stöhnte.

„Jungs, ich habe immer noch keine Lust auf den Mile- High- Club. Aber ich müsste mal zur Toilette."

Hubert stöhnte. Tom zog die Augenbrauen hoch und stand auf, um mich durch zu lassen, ich strich ihm sanft über den Hosenschlitz.

„Ich verstehe nicht...warum jetzt doch?" dachte er.

Ich schmunzelte, als ich den Gang runter zur Bordtoilette ging.

„Weil ich Appetit bekommen habe. Wer von euch möchte seiner Puppe ein paar Proteine zukommen lassen?" dachte ich.

„Wir beide." hörte ich unisono und kicherte.

„Dann werft mal ne Münze, wer zuerst darf. Und... überrascht mich..."

Sie taten es tatsächlich und dachten an das NBA- Spiel, das gerade übertragen wurde. Ich machte eine kleine Wette mit mir selbst und tippte auf Tom, denn er war mal dran, ein bisschen Glück zu haben, er musste ja schon wieder am Gang sitzen! Obwohl ich mich angeboten hatte. Aber die Männer meinten, ich würde IMMER in die Mitte gehören! 

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