Das Flair der großen Welt !

39 7 2
                                    

Heute ist der große Tag! Ball- Tag!

Unnötig zu beschreiben, wie ich mich fühle. Stellt Euch die höchst- bewertete Klassenarbeit vor, oder eine mündliche Prüfung in Eurem Anti- Unterrichtsfach und potenziert die dort vorhandene innere Unruhe in Euch mal zehn! Dann haben wir's.

Und niemand soll behaupten, ich hätte nicht versucht, mich bis zum denkbaren Maximum aufzubrezeln- ohne zu viel Schminke versteht sich, denn dies beraubt mich meiner Natürlichkeit, wie Mama immer sagt.

Sogar meinen sonst so gelassenen Bruder hat es angesteckt- das Ball- Fieber!

Es ist furchtbar! Wenn es schon sicher erscheint oder im Rahmen der absehbaren Möglichkeiten gewiss ist, dass die anderen Leute und deine Eltern und Mitschüler auch einmal auf Dich schauen, so kann man in solchen Situationen, wie sie mich und die anderen Schüler heute erwarten, nervös sein. Sehr nervös.

Und da gibt es noch einen Faktor, der alles umwerfen könnte: das Wetter! Über der Stadt lag gestern eine Glocke aus Gewitterwolken und auch für heute sind Regenschauer geweissagt worden. Die Mädels, die also zuviel Rouge und Mascara auflegen, könnten dies bereuen.

Mama und Papa haben sich- wie alljährlich- auch diesmal in Schale geworfen. Und wie immer hat Mama das wichtigste Utensil neben Blasenpflaster und Schminktüchern eingesteckt- die Familien- Kamera. Sie liebt es, ihre Kinder ausstaffiert für die Nachwelt auf Foto's zu bannen. Und dank der Video- Funktion kann sie auch im Nachgang noch einmal alles durchleben, analysieren und genießen.

Doch davor steht erst einmal meine Angst, dass auch peinlich Patzer von mir dokumentiert werden könnten.

Der Ball wird immer ganz groß aufgezogen. Hierfür muss immer die städtische Mehrzweckhalle komplett umstaffiert werden- zur Kulisse romantischer Verklärungen. Tische mit Bestuhlung an den Seiten der Tanzfläche, ein gastronomischer Service, Musikanlage und hohe Boxen, ausgelegter Bodenbelag- sogar ein roter Teppich in der Vorhalle fehlt heute bestimmt wieder einmal nicht. Es wird nichts da sein, was daran erinnern könnte, dass hier sonst die sportlichen Highlights stattfinden- naja, abgesehen vom Geruch des Schweißes in den Umkleideräumen.

Meine Eltern ermahnen Julian und mich zur Eile. Frühes Erscheinen sichert gute Sitzplätze und eine gute Möglichkeit für sie, sich mit den anderen Eltern über die lieben Kleinen zu unterhalten.

Zum Glück bin ich heute frühzeitig fertig geworden, denn Haare einflechten ist eine wirkliche Kunst bei mir, die sonst wesentlich länger andauern kann.

In Papa's Auto herrscht auf der Rückbank beklemmende Stille. Weder Julian noch ich wollen uns heute streiten oder Wortgefechte über etwas geben. Und Mama's Nachfragen auf der Fahrt, ob wir denn schon aufgeregt seien, erscheint fast schon übertrieben- denn wir sind aufgeregt. Sofort schwelgt Mama in ihren eigenen Erinnerungen und sie erzählt diese und jene Posse. „Habe ich euch schon erzählt von ...?" , „Wisst ihr, was mir damals ... ?". Allein die Erwartung eines schönen Familien- Abends versetzt meine sonst sehr besonnene Mama schon in höchste Verzückung- und auch Papa wird von ihr angesteckt. „Oh ja, Schatz. Ich erinnere mich da an... . Unvergesslich, wie ich finde!"

So! Dann besteht also Gefahr, dass Peinlichkeiten unvergesslich sein werden? Das ist nicht sehr hilfreich, Papa!- denke ich so bei mir, ohne es auszusprechen.

Dann sind wir am Parkplatz- und, dem Herrgott sei Dank, es regnet nicht.

An der Eingangstür zur Vorhalle begrüßt uns die Tanzschulen- Inhaberin persönlich. Die Eltern mit einem Handschlag und wir- die Akteure- mit Anweisungen, in welchen Räumen zur linken und rechten Seite wir uns umkleiden können.

Die Jungs- VersteherinWhere stories live. Discover now