Schicksalswende?

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Ich freue mich mit Clara, die am gestrigen Montag von Niels gefragt wurde, ob sie ihn zum Ball und den Tanzstunden begleiten würde. Ohne Zögern hat sie zugesagt- Torschlusspanik hemmte sie wohl noch einmal darüber nachzudenken. 

Sie hat aber Recht- es hätte sie auch schlimmer treffen können, denn "Schlimmer- geht immer!". Mit Niels sind wir ja auch irgendwie arrangiert- eine "Frienemy"- Gemeinschaft, mal Friend- mal Enemy! Und insgeheim hätte man damit rechnen müssen, denn auch Niels braucht ja ein Date.

Ach bevor ich es vergesse, Euch zu berichten- es gibt neue Trends unter den Jungen am "Anger". In der 10/1- ja, ja, Olivers Klasse- ist es neuerdings üblich und in den Pausen unter den Jungen ein muss, sich gegenseitig Nacken- Schellen zu geben. Doof, ich weiß! Ist gerade mal so unter denen- und wir hoffen, es ist dieses Mal auf diese Klasse beschränkt!

Und apropos 'beschränkt'! Die Jungen der Klasse 10/3 - Ihr erinnert Euch, die "Keine Ahnung- Klasse"! Also, diese Jungen stehen im Moment darauf sich überall im "Usain Bolt- Posing" zu präsentieren. So wird sich dann miteinander gefeiert- jeder feiernswerte Grund ist 'amazing' und wird im super- Posing alla Usain Bolt als Jungengruppe zelebriert. Bei dem Sportler Bolt sieht es ja auch cool aus, und man erwartet es irgendwie schon, wenn er mal einen Sieg oder Rekord hatte. Wenn aber einem Jungen aus der 10/3 nur das Pausenbrot aus der Hand fällt und es landet im Dreck, so postieren sich gleich ein bis zwei andere Jungen dazu und es wird ein Gruppenposing vorgeführt. 

Wie ich das finde? Die Jungs- Versteherin kann es nicht nachvollziehen und das Mädchen findet es von Hause aus schon doof.

Doch nun möchte ich Euch von der überraschenden Schicksalswende erzählen- unverhofft und gestern am Dienstag live geschehen:

Zu meinem Entsetzen wurde ich nach der Physio gestern von Mama und Julian gemeinsam abgeholt. 

Termine mit ärztlichem Hintergrund versucht Mama immer mal zu nutzen, um Fach zu simpeln- Berufskrankheit! Mama liebt es.

Jedenfalls wird mir eröffnet, dass es nicht gleich nach Hause gehen kann, da Mama noch etwas zu erledigen hat. Daher darf ich mich in Geduld über und von den Rängen der Sporthalle aus, Julian beim Handball- Training zusehen. Neben Julians Altersgruppe sind auch noch die kleinen und knuffigen Handball- Mini's zu dieser Zeit in der Sporthalle- sie teilen sich die Halle. 

Nun hatte ich Handy, ein gutes Buch und die knuffigen Handball- Minis zur Wahl, um mir die Zeit des Wartens zu verkürzen. Jedes von den Dreien kann einem die Zeit verkürzen. Also chatte ich erstmal ein wenig, doch dann schaue ich mir die süßen Kleinen an. Echt knuddelig sind einige von denen noch- vollkommener 'Welpenschutz' schwebt noch über den Minis.

Und während ich so den Minis zusehe und völlig von deren unbeholfenen Handball- Spiel zwischen den ebenso verzückten Mami's der Kleinen sitze, nähert sich von Hinten der "Erlöser" und tippt mich an:

"Hallo Helena! Ich wusste gar nicht, dass du dort jemanden in der Gruppe hast?"

Es ist Alexander Hiebl aus meiner Klasse- unbedarfter Neuzugang und noch nicht so recht einzuschätzen.

"Habe ich auch nicht! Ich warte auf Julian, meinen Bruder! Der spielt da hinten!"

Ich räuspere mich, um mich nach der Kleinkinderschau wieder zu sammeln. Für Alexander zeige ich meinen Bruder in der beweglichen Masse der D- Jugend- Handballer.

"Dein Bruder? Der ist gut!"

"Kann sein, ich habe dafür nicht so das Augenmaß! So etwas einzuschätzen, das fällt mir ehrlich schwer."

"Nein! Ist so! Dein Bruder ist richtig gut! Der spielt mit Übersicht- schaut, wo die anderen Spieler sind!"

Ich brumme vor mich hin und zucke mit den Schultern. Stimmt ja- Alexander hat ja auch Handball als Hobby. Jetzt fällt es mir wie Schuppen aus dem goldenen Haar. Na dann eben noch ein wenig "Small- Talk" mit Alexander.

"Trainiert ihr heute auch noch?", frage ich Alexander. Als Jungs- Versteherin weiß ich ja, das Sport und Hobby immer ein dankbarer Themenlieferant für Small- Talk mit Jungen ist- noch dazu, wenn sie dir das Hobby und potentielle Thema schon aufzeigen und vor der Nase hin- und her- schwenken.

"Nein. Nicht mehr! Wir waren vor der D- Jugend dran mit Training. Jetzt muss ich nur auf meinen kleinen Bruder warten. Übrigens- die Frau dort- das ist meine Mam!"

Alexander zeigt auf eine nett aussehende Frau mit warmen, braunen Augen und dickem, braunen Haar. Der Frau sieht man schon ihre Gutherzigkeit an- man würde ihr sofort vertrauen schenken und das Herz ausschütten, so wie sie da sitzt und nach den Kindern schaut.

"Und der Kleine dort mit dem Gelb- schwarzen Trikot, dass ist mein kleiner Bruder Noah."

Süß! Das ist sein Bruder? Knuddelig!

"Helena? Darf ich dich einmal etwas Fragen? Was - naja- was privates?"

Privates? Klingt nach Klatsch und Tratsch und sichert Alexander sofort meine volle Aufmerksamkeit. Alexander wirkt jedoch nicht so sicher, wie er sich eben noch gegeben hatte- vielmehr ist er etwas beschämt, schüchtern.

"Naja, ich kenne ja hier noch nicht so viele Leute, Mädchen schon gar nicht! Und jetzt steht da dieser komische Ball an, der anscheinend wohl der alljährliche Höhepunkt im schulischen Leben hier zu sein scheint! Um ehrlich zu sein, habe ich keinen Plan, um was es da gehen soll- und genauso wenig habe ich Jemanden, der sich von mir vielleicht dorthin begleiten lässt. Naja? Ich wollte diese Gelegenheit jetzt gleich einmal nutzen, und Dich fragen?"

Ich habe ja gesehen, wie sich seine Lippen bewegten und vorsichtig irgendwelche Wörter in den Raum zwischen uns formulierten. Dennoch braucht mein Verstand irgendwie eine kurze Schaltpause, bevor ich erfasse, was hier gerade passiert ist.

"Du fragst mich, ob ich dich zu der Tanzschule und dem Ball begleite?"

"Ja? Genau das! Wenn Du möchtest?"

Wenn ich möchte, wenn ich möchte? Ich hätte dann ja jemanden- sogar freiwillig ! Und Jemanden, der sogar noch etwas größer als ich ist und sportlich genug aussieht, um mit mir mitzuhalten.

"Ja?! Können wir machen, denn ich habe noch Niemanden für die Tanz- Stunden."

"Super! Danke! Och, ich freue mich total. Ich war schon in Sorge, wie beim Mannschaften erstellen vielleicht unter den letzten zu sein, die irgendwann an irgend wen zugeteilt werden. Alptraum."

"Ja, ich weiß, was du meinst. Nein. Das sollten wir uns nicht geben. Wir bekommen das mit dem Ball schon hin."

Mama kommt über die Treppe auf die Tribüne und winkt mir zu.

"Meine Mama! Von mir sehnsüchtig schon erwartet !", sage ich zu Alexander.

"Oh? Ja! Dann mache ich Ihr mal Platz! Also dann? Bis zu den Tanzstunden!"

"Jappi!", sage ich- und bereue das sofort! Jappi? Wer sagt denn so etwas selten doofes?

Mama drängelt zu mir und wirft eine Einkaufstasche zischen uns.

"Und? Was gibt es neues? Wer war der Junge?"

"Alexander! Aus meiner Klasse! Und mein Date für den Ball dieses Jahr! Er hat mich gerade gefragt!"

"Dein Date für die Tanzstunden?"- Mama macht sofort einen prüfenden , langen Hals, um Alexander genau in Augenschein zu nehmen. Alexanders Mutter ist auch gerade dabei, vom Blick auf die Minis mal einen Blick zur Tanzpartnerin ihres Sohnes Alexander zu werfen, als sich die Blicke der beiden Mütter treffen. Unter dem Anschein, man hätte einander ertappt, winken sie sich spontan zu.

Ich verdrehe die Augen vor Peinlichkeit, kann aber auch ohne Lippen lesen erkennen, was Alexanders Mutti zu ihrem Sohn sagt: 'Sie ist nett!', dann nickt sie zufrieden und wuschelt Alexander durch die kurzen Haare.

In meinem Kopf sehe ich Alexanders Mutter am Mikrophon der Sporthalle: "Achtung! Achtung! - Eine wichtige Durchsage zu Helena Raberg! -  Sie ist Nett!!! - Ende der Durchsage!"


Die Jungs- VersteherinWhere stories live. Discover now