"Ex"istenzielle Vergangenheitsbewältigung

44 7 0
                                    

Was tut man nicht alles, um durch ein aktives Leben ein akzeptierter Teil der Gesellschaft zu sein. Dann ist man auf der Suche nach Anerkennung,  Zuneigung und Spaß.

Doch manchmal möchte man auch einfach nur seine Ruhe.
In mir selbst gesammelt  (und mit frischen gewaschenen Haaren), also rundherum das Wohlfühl- Paket, gab es heute einen Quantensprung in der "Oliver Hilmar- Bewältigung". Vielleicht sogar in meinem Leben.

Ich war unsozial!

Hörte ich noch anfangs Musik und schaute am Handy nur so einige Chats durch -  zum lustigen Zeitvertreib bis ich von Mama gefönt werde, so kam ich irgendwann mal wieder in die Foto- Galerie.  Zuerst war dort auch noch eine Prise von tiefsitzender Rest- Wehleidigkeit einer verstoßen Ex.

Oliver hier und Olli da. Selfie mit Oliver im Burger Laden, Shot's bei Oliver im Garten,  Olli beim Eis essen- kurz vor der legendären Klassenfahrt seiner Klasse, Oliver beim Handy- zocken und in seinem Zimmer.

Ich lösche also einige der Bilder.  Und nun? Ich fühle mich befreit von diesem Clown.  Also geht es so weiter- ein delete jagt das nächste Papierkorb- Zeichen.

Und ich überlebte dies.

Die Ex hat die Fotos in das Ex-il geschoben.  (Naja,  bis auf drei Bilder, wo er toll aussieht und zu denen ich irgendwann einmal sagen kann: Der erste Kuss?  Hier! Mit dem Jungen da! )

Und ich,  als die Ex, fand diese Vorstellung einfach ex- orbitant gut. Geriet womöglich auch ein Stück weit in Ex- tase.

Als ich mir die Bilder zum letzten Mal anschaue sagte ich mir erneut: nein. Ich habe in der Beziehung nicht versagt. Zweifeln ist da sicherlich auch ein normaler Prozess der Bewältigung.

Und überhaupt gehört das Zweifeln immer wieder dazu. Beim ansprechen eines Jungen, beim nächsten Schritt des miteinander gehen, bei besonderen Momenten,  bei kuscheliger Zweisamkeit oder der Trennung.  Ständig Zweifeln wir an uns,  hinterfragen alles,  um perfekt zu sein für den Moment.  Seh ich gut genug aus?  Wird er meine Haare und mein Styling mögen?  Sind meine Zähne sauber oder klebt da alles voll Spinat? Also,  wir zweifeln. 

Oft empfand ich das Gefühl,  nicht perfekt zu sein, keine gute Partnerin zu sein.

Nun sage ich mir: bloß gut!

Und ich habe Neuigkeiten aus der Welt der Wunder- Boys: Jungs sind ebenso von Zweifeln geplagt und zermürben,  wenn es um die Beziehungen geht. 

Dann fragen Sie sich: wird sie es mir übel nehmen,  wenn ich ihre Hand ergreife? Wirke ich lässig und cool genug? Rieche ich noch nach Schweiß? Soll ich die Kopfhörer nehmen oder findet sie das kasprig? Warum hat sie den Chat nicht mehr gelesen? Komm ich gut rüber, oder wirke ich kastriert? ( ;) )

Die Tür zu meinem Zimmer öffnet sich.  Mama und Fön besuchen mich.
"Alles gut bei dir?", fragt Mama im Angesicht meiner Gelassenheit und Zufriedenheit.
"Ja, vermutlich ist alles in Ordnung."
"Och, wirklich? So eine Trennung kann einen richtig fertig machen."
"Hmm, anfangs schon. Das Oliver sich so schnell wie möglich Ersatz besorgt hat, das tat wirklich sehr weh."
"Mein armes Mädchen. Gemein von ihm. So hätte ich Oliver gar nicht eingeschätzt!"
"Pffft.", puste ich die Luft raus und verleiere mein Augen.
"Mir kannst du dich anvertrauen, Mausi. Ist auch wirklich alles okay?"
"Ja. Mama? Wie waren die Jungs zu deiner Zeit? Ich meine jetzt nicht, dass du alt bist, oder so- ich wollte mal wissen, wie es in deiner Jugend so war?"

Während Mama mir die Haare fönte, wurde ich von Mama über die Jungen vor 20 Jahren informiert. Handys gab es dieser Tage noch nicht mal. Jungen und Mädchen gingen- wie heute auch- ihrer Wege. Damals war ein Anruf zu bekommen wohl etwas besonderes,  denn oftmals kam der Anruf aus einer Telefonzelle oder von einem Münztelefon. Allein schon, sich in eine Warteschlange an der Telefonzelle zu stellen, war mutig und hatte etwas verrucht gefährliches an sich.
Mit 15 Jahren traf man Jungs in der Schule, in außerschulischen Arbeitsgemeinschaften,  beim Sport, in der Mall, am Kino. Irgendwie ging man auch mehr aus dem Haus, als heute. Und man redete mehr.  Auch gab es damals mehr Diskotheken, als heute.  Mit 15 Jahren durfte man sich da schon einmal blicken lassen- entweder in der Samstag nachmittag- Disco oder auch am Samstagabend bis 22 Uhr,  bevor die Größeren kamen.

Mama schien sich auch heute noch vor dem Türsteher der Diskothek zu fürchten.  Der hatte Sie wohl immer auf dem Fokus, wegen ihres Alters - ließ sie dann doch immer rein. 
In der Disco tanzten die Mädchen und die Jungen standen an der Bar. Die Jungs und Männer "checkten das Terrain"- also die Mädels.  Mama verglich das mit einer allwöchentlichen "Fleischbeschau". Wie peinlich und unvorstellbar muss sowas sein. Disco's gibt es heutzutage anscheinend nur noch auf Klassenfahrten oder im Englisch- Camp, also wo viele Leute aufeinander hocken und miteinander auskommen müssen.

Irgendwie find ich es süß, wenn Mama- oder manchmal auch Papa- über ihre Jugend sprechen. Das kann ja alles noch nicht so lang her sein, aber für die Beiden ist es gefühlt wohl ein Menschenleben- oder zwei, dass heißt das von meinem Bruder und meines.

Mama ist grade so in Erinnerungen, dass sie gleich nach dem Fönen meiner Haare zum Flechten übergehen will- doch danach steht mir jetzt wirklich nicht der Kopf. "Lass mal, Mama!"

"Okay!" Schwer seufzend zieht sich Mama nun zurück und geht.

Eigentlich muss ich jetzt noch Geschichte lernen- deutsche Außenpolitik von 1938 bis 1943. 

Ja- ich weiß, was du sagen möchtest! Das hat mein Papa mir auch schon gesagt, als ich ihn fragen wollte, ob er mich abhört mit Geschichte! Das hörte sich dann so an: "Was? Deutsche Außenpolitik nach 1938? Die haben doch nur geballert nach allen Seiten! Zeig mal her! Das kann ja nicht so viel gewesen sein- und wenn, dann nur Beistandspakte!"

Insgesamt gesehen jedoch war der heutige Abend für meine Seele ein voller Erfolg! Ich habe ganz bewusst Oliver und der Zeit mit ihm heute Abend "Adieu!" zugerufen und mich davon mit einem symbolischen kräftigen Tritt in den Allerwertesten verabschiedet.

Würde er jetzt noch einmal zu mir kommen, mit den Augen rollen und mir zärtlich zuhauchen: "Hey, Baby! Lass es uns noch einmal probieren! Du weißt ja, so einen Kerl wie mich- den findest du nicht noch ein zweites Mal!" -so wüsste ich auch schon die richtige und passende Antwort!

"Sehr gut! Dann hat Gott mich ja erhört und ich bekomme nicht noch einmal so ein Arschloch zum Freund!", oder "Jippi! Her mit dem Lotto-Schein! Sieht so aus, als kann ich heute nur noch gewinnen! Verschwinde, du Loser! Deine Aura zieht mich nur runter!"




Die Jungs- VersteherinDove le storie prendono vita. Scoprilo ora