„Hier, dein Tee.", sagte ich und reichte Ejana eine Tasse Kräutertee. Tim war bei Richard im Büro arbeiten. Lapislazuli schlief im Wohnzimmer. Sie war jetzt drei Wochen alt. „Danke, Liebes.", meinte Ejana und trank einen kleinen Schluck von dem dampfenden Gebräu. „Du bist hier, um mir mitzuteilen, wann ich zu Großvater gehen soll, nicht wahr? Du musst es gar nicht abstreiten. Ich will es zwar nicht, aber ich weiß genauso gut, dass ich ihm irgendwann vor die Augen treten muss." Ich mochte es nicht, wenn Ejana lange um den heißen Brei herum redete.

Die alte Dame seufzte: „Du hast ja Recht, Holly. Ich bin dafür, dass du sehr bald kommst. Am besten wäre es, wenn wir uns gleich gemeinsam auf den Weg machen würden, zusammen mit deiner Tochter. Je früher ihr euch begegnet, desto besser."

Einen Momentlang schwieg ich, bevor ihr sie nicht zum ersten Mal fragte, was mich brennend interessierte. „Wieso Ejana? Wieso machst du das alles? Würde nicht jede Frau wollen, dass ihre eigene Tochter den Thron besteigt? Gerade wenn diese Frau Königin ist und die Tochter das erstgeborene Kind in der Ehe mit dem König ist? Wieso willst du, dass ich, die Tochter des Bastards deines Mannes, der dich mit deiner besten Freundin betrogen hat, meinem Großvater nachfolge? Ich verstehe es nicht."

„Ich habe die uralte Magie studiert. Königin Luba hat mich als die Frau ihres Sohnes ausgewählt, weil sie wusste, dass ich in einer solchen Situation richtig handeln würde. Wenn eines meiner Kinder Nathaniels Nachfolge antritt, solange Daniel, deine Tochter und du leben, dann wird es nicht gut enden. Die uralte Magie wird sich gegen die Engel wenden und unsere gesamte geflügelte Gesellschaft zerstören. Deshalb unterstütze ich dich. Ich streite nicht ab, dass ich Marja auch gerne auf dem Thron sehen würde. Sie ist als Thronfolgerin aufgewachsen. Hat Erfahrung, die du nicht hast. Aber genauso hast du Dinge erlebt, die sie nicht kennt. Du kennst den Krieg, kennst die Trauer und die Angst. Du weißt, wie andere magische Gesellschaften leben. Ob Kjartan auf das Amt des Königs passen würde, kann ich nicht genau sagen. Aber er hat noch kein Kind. Und ich weiß nicht, wie es ausgehen würde, wenn Asti auf dem Thron säße. Ja, sie ist erwachsen geworden, aber immer noch ein Wirbelwind. Entweder du oder Marja. Doch die Magie steht nur dir bei und ich will unsere Gesellschaft nicht ins Verderben stürzen."

Wirklich zufrieden war ich mit der Antwort nicht, aber ich wusste es würde nichts bringen, wenn ich weiter nachhaken würde. Ejana hatte mir alles gesagt, was sie mir sagen wollte. Ich musste mich Wohl oder Übel damit zufrieden geben.

„Gehen wir, wenn du deinen Tee getrunken hast? Ich will es nicht noch länger aufschieben.", meinte ich und stieß mich von der Anrichte ab. Ejana nickte knapp. „Ist es in Ordnung, wenn ich dich alleine lasse und Lapislazuli fertig mache?", fragte ich. „Geh nur zu deiner Tochter.", Ejana lächelte sanft und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Tee.

Ich ging ins Wohnzimmer zu meiner Tochter. Sie war aufgewacht und blickte stumm durch das Zimmer. Als sie mich sah gluckste sie fröhlich und mir wurde warm ums Herz. Ich liebte die Kleine über alles.

„Hallo mein Schatz. Wir wollen gleich mal deinen Uropa besuchen gehen. Hast du Lust darauf?", flüsterte ich und nahm sie hoch. Sie schaute mich nur mit großen Augen an. Wahrscheinlich hatte sie gar nicht verstanden, was ich ihr damit hatte sagen wollen. In ihrem Kinderzimmer zog ich ihr etwas hübsches an und suchte dann noch den Babymantel heraus, denn Jo ihr geschenkt hatte. Noch schnell das Mützchen, dann war sie bereit um nach draußen zu gehen.

Ejana wartete im Windfang auf uns. Ich übergab ihr Lapislazuli, um mir selbst noch Schuhe und Mantel anzuziehen. Ein kurzer Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich akzeptabel aussah, bereit meinem Großvater unter die Augen zu treten.

Vorsichtig nahm ich meine Tochter wieder an mich und verließ nach Ejana unser Cottage. „Ich habe einen Zettel hinterlassen, falls Tim früher nach Hause kommt und sich fragt, wo ihr seid.", berichtete Ejana und berührte meinen Unterarm. Nur Sekunden später wehte mir der Wind die Haare ins Gesicht und wir teleportierten.

Flügel - Islands Hoffnung (Flügel II)Where stories live. Discover now