Flügel - Islands Hoffnung (Flügel II)

Veränderungen

„Holly, es ist echt furchtbar lieb, dass ich hier bei dir wohnen kann, aber das ist auf Dauer keine Lösung."

Es dauerte eine Weile, bis ich verstand, was Jo eben gesagt hatte. Ich saß einfach nur da, im Schneidersitz und starrte ins Nichts.

„Holly. Ich bleibe hier, in Island. Zum einen hält mich nichts in England und hier habe ich dich, zum anderen... Ich bin kein Engel, aber ich glaube, dass ich trotzdem in dieser Welt ein neues Zuhause finden kann. Hier gibt es niemanden, der mit meiner Herkunft etwas anfangen kann... Hier wäre ich einfach nur Johanna... Ich kann nach einer Arbeit suchen und mir eine eigene Wohnung kaufen. Ich will mir selbst etwas aufbauen, weißt du Holly. Es heißt nicht, dass unser Kontakt abbricht. Nur... Ich glaube, dass du auch Zeit für dich brauchst. Ich weiß nicht genau, was du machst, aber ich weiß, dass es wirklich wichtig ist. Du bist nicht irgendjemand. Auf irgendeine Weise bist du wichtig und du willst dein Bestes geben. So warst du schon immer und nichts kann das so leicht ändern, auch nichts, was bisher passiert ist.
Bisher saß ich hier den ganzen Tag nur rum. Ich brauche etwas, was ich arbeiten kann. Sonst... Sonst muss ich immer an alles Denken... Verstehst du, was ich meine, Holly?"

Langsam nickte ich. Ja, ich verstand sie – sogar sehr gut. Trotzdem war ich etwas traurig. Doch meine beste Freundin sollte auch glücklich sein. Mit ruhiger Stimme antwortete ich ihr: „Ich versteh dich, Jo. Bei mir war es ja nicht anders. Ich war froh, aus England wegzukommen und hier eine Aufgabe zu haben. Ich war froh, als ich neue Freunde gefunden habe und... und Tim wiedersehen konnte. Du hast dir diese Entscheidung gut überlegt, das weiß ich. Wenn du willst, kann ich dir helfen eine Wohnung und eine Arbeit zu finden. Natürlich nur, wenn du willst."

Jo lächelte und zog mich in eine Umarmung. Eine Glücksträne verließ ihn Auge: „Danke, Holly! Danke! Ich will selbst suchen, aber wenn du Tipps hättest, wo ich Arbeiten kann... Du kennst dich hier ja besser aus..." „Gerne, Jo.", meinte ich.

Zwei Tage später gingen Jo und ich nach Borg. Ich war mir sicher, dass sie hier etwas finden würde. Borg bot nun einmal eine Vielfältigkeit. Jo hatte keine Ausbildung für Engel, weshalb einige Arbeitsbereiche schon einmal wegfielen. Ich schlug ihr vor, in einem der Läden nach Arbeit zu fragen. Jo mochte die Idee und meinte, sie würde mal durch die Läden gehen. Ich beschloss währenddessen in die Nationalbibliothek zu gehen, die, anders als die Palastbibliothek, öffentlich zugänglich war. Ich wollte mehr über die magischen Fähigkeiten erfahren.

Drei Stunden später traf ich sie auf dem großen Platz wieder, auf dem samstags ein Markt war. Gemeinsam gingen wir in ein Restaurant und bestellten uns etwas zu Essen.

„Hast du etwas gefunden?", fragte ich sie. Jo nickte und schluckte ihre Spagetti Carbonara hinunter. Borg hatte internationale Restaurants, was mir gefiel. „Ja, in einer Seitenstraße der Fußgängerzone gibt es einen Modeladen. Dort gibt es alles von Abendkleidern bis Jogginghosen. Sie können noch jemanden gebrauchen und ich denke, dass es etwas für mich ist. Ich brauche keine Ausbildung als Engel und die Besitzerin fand es gut, dass ich aus einem anderen Kulturkreis komme. Sie glaubt, dass ich gute Ideen miteinbringen kann in die Mode von ihnen.", sie schien sehr begeistert. „Das klingt super! Sie würden dich also übernehmen?" „Ja, ich darf nächste Woche anfangen. Die Besitzerin wohnt darüber und ganz ober, unter dem Dach gibt es eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung. Sie würde sie mir vermieten. Ich... Ich würde am Samstag umziehen. Wäre das für dich in Ordnung?" „Gerne, Jo. Ich freu mich so für dich!"

Freitags half ich Jo, ihre Sachen zu packen. Es war nicht viel, immerhin war sie gerade mal mit zwei Taschen zu mir gekommen. Samstags brachte ich sie in ihre neue Wohnung, die bereits möbliert war. Gemeinsam passten wir die Wohnung Jos wünschen an. Es war schon praktisch, wenn man magisch begabt war.