Stattdessen fragte sie ruhig: „Warum hast du es getan?"

Auch wenn sie Makuc nicht so gut kannte, wie sie es gerne würde, wusste sie, dass er es nicht ohne Grund getan hatte. Und dass ihn sein Gewissen deswegen beinahe auffraß, machte ihr klar, dass er sensibel genug war, um seine Tat zu bereuen.

Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Man konnte seine Männer hören, die im großen Speisesaal zechten und nicht ahnten, dass ihr General hier unten Qualen wegen seines schlechten Gewissens ertrug.

„Sie hat...Genia...sie war dabei, als meine Mutter starb. Sie hat es mir entgegen geschrien. Sie erzählte in aller Kleinigkeit, wie sich meine Mutter in der Nacht, als sie starb, Schmerzen erlitt, aber keinen Laut von sich gab, um mich nicht zu wecken. Aber das hat mich nicht so erregt, dass ich den Stein geworfen hätte. Was mich aus der Fassung brachte, war die Tatsache, dass sie in dieser Nacht nicht nur ein Leben ausgelöscht hatte, sondern zwei."

Meridea sah ihn erschrocken an.

„Wie meinst du das?"

Er atmete zitternd ein.

„Meine Mutter war schwanger. Ich denke, das Genia es irgendwie erfahren hatte und das hat bei ihr etwas ausgelöst, was sie zu der Tat geführt hat. Denn mein Vater hatte sie schon jahrelang nicht mehr rufen lassen. Und meine Mutter...nun, sie war nur eine Dienerin der Dunkelheit. Für einmal gut und dann vergessen. Aber diese Schwangerschaft zeigte, dass mein Vater mehr für sie empfand, als er je für eine Frau empfunden hatte. Genia wollte das eigentlich für sich haben und meine Mutter hat ihr das weg genommen, was sie für sich beansprucht hat."

Meridea drückte ihn fester an sich und strich ihm über die kurzen Haare. Sie war entsetzt über die Kaltblütigkeit von Genia. Wie konnte eine Frau nur so verbittert sein, dass sie billigend in Kauf nahm ein Kind sterben zu lassen?

Er zitterte in ihren Armen. Sie spürte, dass ihn wieder die Wut überkam. Die Wut über das, was er verloren hatte und darüber, dass er sich dazu verleiten lassen hatte, dass er seine Fassung verloren hatte.

„Ich kann dich verstehen, Makuc! Du hast einen sehr großen Verlust erlitten. Denn ich weiß, dass dein Vater dich auch von sich gestoßen hat. Aber er tat es bestimmt nicht, weil du ihn an deine Mutter erinnert hast. Er tat es aus Liebe, glaube mir!"

Makuc schnaubte.

„Das versuche ich mir auch einzureden. Aber ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Ich habe ihn erst Jahre später wieder gesehen und das auch nur zu meiner Ernennung. Danach war ich wieder Luft für ihn! Dabei war ich kein kleiner Junge mehr. Ich war ein Mann und konnte auf mich aufpassen!"

Sie nickte.

„Ja, das warst du bestimmt. Aber die Angst war noch in ihm und er wusste, dass Sumek nicht sein Sohn war. Du weißt selbst wozu Sumek fähig ist. Dein Vater hatte bestimmt das im Sinn, als er dich ignoriert hat. Und sehe es doch einmal so: er wusste von uns und obwohl ich für dich verboten war, hat er dich nicht bestraft, dass du mit mir geredet hast. Er wusste, dass da mehr zwischen uns war. Und er hatte es akzeptiert. Mehr noch. Er hat dafür gesorgt, dass wir uns sehen konnten, ohne dass uns jemand auf die Schliche kam. Wenn er so kalt gewesen wäre, wie alle ihn beschreiben, dann hätte er mich in dieser Nacht genommen, nur um dir zu beweisen, dass er mächtiger ist als du! Aber er hat es nicht!"

Er seufzte leise.

„Du hast Recht. Aber das war ja noch nicht alles!"

Sie hob eine Augenbraue.

„Noch mehr?"

Er nickte.

„Ich habe aus Wut den ersten Stein geworfen. Aber so gezielt, dass nur ihr Bein getroffen wurde. Und ich habe das Volk indirekt dazu aufgefordert, sie eine Stunde lang zu quälen. Und das Volk hat es getan. Eine Stunde wurde sie nur leicht verletzt. Und dann wurde sie gestreckt. Man konnte ihre Schreie bis zum Palast hören. Auch als sie ausgeweidet wurde, konnte man ihre Schreie hören. Es endete erst, als sie geköpft wurde. Dann hörte man das Volk jubeln. Ich habe das verursacht. Ich habe eine Frau quälen lassen! Und das nur aus meiner Wut heraus!"

Meridea - Dienerin der Dunkelheit Where stories live. Discover now