DREIZEHN

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Dienstag
30.05.2017

Ich hätte mich daran gewöhnen können. An das späte Aufstehen, an das lange Wachbleiben, an die vielen unsinnigen Gespräche, an die Gespräche mit ein wenig Sinn, an das auf der Couch sitzen am Morgen, an seine Berührungen, seine Küsse, an ihn.

Heute allerdings saßen wir nicht einmal mehr zusammen auf der Couch. Er sollte wenigstens so tun, als wäre ihm meine Vergangenheit egal. War ja nicht seine. Spuren hinterließen die kleinen Tatsachen, die ich ihm verschwiegen hatte, trotzdem.

Als hätten wir uns kein bisschen gekannt sahen wir uns am morgen auf den Flur an. Zwar war ein Lächeln in seinem Gesicht, dennoch war selbst deswegen nichts normal. Die Frage wo Julian war, wurde ignoriert. Carlo ging lediglich an mir vorbei und nun saßen wir in der Küche.

Er stellte seine Kaffeetasse vor sich hin und biss von seinem Marmeladenbrot ab. Das ich hier war, schien ihn nicht zu interessieren.

Meine Gedanken schrien ihn an. Meinem Bruder hatte er versprochen mein Herz nicht zu brechen, warum hielt er es nicht?
Ich wusste, vor mir stand Carlo, trotzdem hielt ich mich an Sachen fest, von denen ich wusste, dass sie gelogen waren. War viel leichter, als sich die Wahrheit einzustehen und sich sein Herz selbst zu brechen.

"Du hast mir noch nicht gesagt, warum Julian gegangen ist."

Vor mir stand nichts. Mein Hunger war verschwunden, indem Moment indem ich seinen kalten Blick auf mir gespürt hatte.
Es war der gleiche Blick wie jetzt.

Das Blut in meinen Adern gefror und zum ersten Mal wäre ich wirklich freiwillig von hier verschwunden. Zum ersten Mal wollte ich gehen, nur weil er mich so ansah, als wäre ich die schlimmste Person auf dem Planeten. Bei keiner Person wäre ich deswegen verschwunden. Nur bei ihm.

"Was denkst du?"

Seine Stimme war kühl. Seine Augen sahen mich fordernd an. Er wollte meine ehrliche Meinung. Dabei wusste er gar nicht, was er mir damit antat. Diese Situation erinnerte mich an unser erstes Treffen. Zuerst wollte ich unbedingt mit ihm sprechen, anschließend nur noch verschwinden.

"Er hat bestimmt mit mir abgeschlossen und wollte das nur noch mal sagen."

Mein Hals war trocken. Ich fühlte mich wie ausgetrocknet. Eine Meerjungfrau, die an der Oberfläche lebte und der das Wasser fehlte.
Das schlimmste war ja, dass ich mich elendig fühlte und Carlo rein gar nichts dazu sagte.

"In seiner Welt bin ich doch nur n kranker Penner."

Und obwohl ich meistens nur von Sachen träumte und sie nicht erlebte, so entschied ich mich heute das Gegenteil zu tun. Ich stand auf und ging.

Julian hatte alles erreicht und ich war bei einem Menschen untergekommen, der mich nur hier wohnen ließ, um mir später mein Herz zu brechen. Der mir Fragen stellten, die mich verletzten und mir die wichtigen Sachen nicht sagen wollte.

Hatte ich nicht einst selbst gesagt, dass ich mich wie ein Penner fühlte?
Ich korrigiere mich. Es war ein Fehler das zu sagen. Denn ich fühlte mich nicht so. Ich war einer. Nicht einer der dafür nichts konnte. Ich hatte falsche Entscheidungen getroffen und darum lief ich so schnell ich konnte aus der Türe, hatte nur kurz zu Carlo gesehen und sein Blick nicht deuten können. Jetzt lief ich die Einfahrt entlang.

"Lina! Lina, bitte komm wieder es tut mir leid."

Carlo hatte keine Ahnung von dem was all seine Worte für mich waren. Er hatte ja keinen Plan, wie gerne ich ihn hatte. Und es tat ihm nicht leid. Er log. Alles was er tat, war es mich an zu lügen. Und ich hatte keine Worte für ihn übrig.

"Er ist gegangen, weil ich ihn darum gebeten hatte."

Im Gehen drehte ich mich zu ihm um. Ein gefühlter Kilometer war zwischen uns. Die Spannung wurde höher. Ich bemerkte wie mein Bauch anfing zu rebellieren. All die Schmetterlinge wollten raus. Sie hatten keinen Platz mehr in meinem Bauch.

"Warum?"

Die Meter zwischen uns blieben gleich. Ich wollte nicht, dass er mir näher trat. Denn mit jeder weiteren Sekunde, die verging, bemerkte ich, dass ich meine Gefühle nicht mehr verstecken konnte. Er verletzte mich mit seiner Ignoranz. Mit den Liedern über eine andere Frau. Er verletzte mich, wenn er von Partys zu mir kam. Und es ging nicht mehr nur an mir vorbei.

"Ich kann ihn hier nicht brauchen. Ich hab heute ein Meeting. Mit Benno und Jule."

"Und warum musst du dann meinen Bruder wegschicken?"

Nun ging ich auf ihn zu. Er kam mir ebenfalls näher. Dabei war es von meiner Seite aus reinste Provokation. Die dieses Mal nicht an ihm vorbei ging. Denn zum ersten Mal, seitdem ich ihn provozieren wollte, funktionierte es Tatsächlich und er veränderte seine Haltung wie auch seinen Tonfall.

"Julian ist nicht dein Bruder und du hast nicht den Eindruck gemacht, dass du ihn hier haben möchtest. Außerdem ist dieses Treffen sehr wichtig für mich."

Ich sah den Glanz in seinen Augen, hörte seiner zu hohen Stimme zu und wollte die Wahrheit wissen. Er knickte ein. Oder er war lediglich ein schlechter Lügner und ich sah die Tatsache erst viel zu spät. Irgendwie allerdings war selbst das egal. Denn er hatte mich in der Hand wie kein zweiter vor oder nach ihm.

Sein Atem streifte meine Haut. Er legte seine Hand an meine Taille und zog mich zu sich her. Seine Stirn lag auf meiner.

"Warum lügst du die ganze Zeit?"

Ich schloss meine Augen. Er wusste, was zu tun war, damit ich nicht wegging. Selbst wenn all seine Worte nicht annähernd wahr waren und ich mir dies langsam eingestanden hatte.
Er wusste was er tun musste. Im Gegensatz zu mir hatte er mich unter Kontrolle.

"Weil in diesem Fall, die Wahrheit nicht das ist, was du hören solltest. Nicht von mir und ganz bestimmt nicht jetzt."

Ich nickte leicht. Vertraute ihm trotz allem.

"Kannst du mir wenigstens sagen um was es geht?"

Ich gewann mit meiner Hand auf seiner Brust ein wenig Abstand. Konnte wieder frei atmen. Er war wie eine Droge für mich. Ich war abhängig von ihr während sie mich nur zerstören wollte. Er war mein Skateboard. Ich wollte es unbedingt haben, tat mir damit aber nur weh. Er war mein Romeo. Ich wäre für ihn gestorben, um seine Julia zu sein fehlte mir dennoch etwas.

"Um Mode, VioVio,... eigentlich, naja eigentlich geht es heute nur um dich."

wunderschöne Lügengeschichten (Cro Ff)Where stories live. Discover now