EINS

518 16 0
                                    

Mittwoch
17.05.2017

Kurz blickte ich auf mein Handy, um anschließend wieder auszusehen und ihr direkt in ihr Gesicht zu lügen. Ich log darüber wie gerne ich gerade hier war und ich unterdrückte es ihr ins Gesicht zu schreien und zu sagen, dass ich eigentlich nur noch gehen wollte. Ich log sie an, weil sie Geburtstag hatte. Nur aus diesem Grund war ich hier. Nur wegen ihr. Eigentlich wollte ich ja nie wieder in eine Bar gehen und vor allem nicht in diese und auf keinen Fall mit ihr und dass auch wenn sie heute Geburtstag hatte und trotzdem stand ich hier. Kathy war zwar so etwas wie meine beste Freundin, in Thema Party spaltete sich jedoch jedes einzelne Mal unsere Meinungen. Sie war das geborene Partymonster und ich war die Person, die nur an der Bar stand und die Menschen beobachtete. Die ganze Zeit machte sie sich unnötige Sorgen um mich und ich wollte nur der Musik lauschen, meinen Kopf ausschalten . Ich wollte die Musik verstehen. Es gab nur leider niemanden der das verstehen konnte. Um Musik zu hören hätte ich ja auch zuhause bleiben können und genau das war der Punkt. Ich hätte einfach daheim in meinem Bett liegen können anstatt hier neben ihr zu stehen.

Ich drückte Kathy innig an mich, es war so etwas wie der heutige Abschied und dass wussten wir beide. Wir sprachen es nur nicht aus. Die wichtigste Person in meinem Leben ließ ich los und schob sie anschließend in die Menschenmenge. Wir waren wie Schwestern. Meine Worte verhalten im Lärm. "Ich komme klar." Meine Stimme war nicht mehr als ein lautes Geschrei. Sie hätte jedem Menschen gehören können zumindest in diesem Moment.

Erneut stellte ich mich an die Bar und sah den Menschen nach. Manche kamen von der Tanzfläche, andere erst von draußen hinzu und nur sehr wenige standen wie ich nur da und sahen sich die Menschen an. Um genau zu sein, es war nur eine einzige Person, die genau das gleiche, wie ich tat.

Er hatte braune Haare und starrte den betrunkenen Mädchen direkt vor seinen Augen nach, wie sie sich drehte und immer mehr Alkohol forderte. Er sah sie an und er lachte und sein Lachen erfüllte den ganzen Raum. Es ließ mir eine Gänsehaut aufkommen. Mein Atem blieb stehen und dann reichte er der Betrunkenen ein weiteres Glas. Sie bekam das was sie wollte und er auch. Dabei wirkte er kein bisschen benommen. Er war bei allen Sinnen und füllte das Mädchen ab um seinen Spaß zu haben und doch fasste er es nicht an. Er gab ihm aus einer viel zu großen Entfernung das Glas. Er wollte ihr nur zusehen, wie sie sich blamierte.

Meine Hand fand den Weg in die Höhe und nur wenige Sekunden später stand einer der vielen Kellner direkt vor mir und sah mich mit einem genervten Blick an. Seine Augen flogen über die Menge und später wieder zu mir. Die betrunkenen Menschen, die sich nicht unter Kontrolle halten konnten, schienen ihn gerade zu zu nerven. Dabei hätte er sich doch auslachen können. Immerhin sah es wirklich ein wenig lustig aus, wie sie sich bewegten. Wie sie hin und her tanzten und dann doch nur mit den Armen wedelte. Niemand hatte auch nur mehr einen klaren Gedanken im Kopf. Vielleicht war auch genau dass das Problem. Immerhin musste er ihnen zusehen.

"Entschuldigung", brüllte ich dem blonden Mann entgegen und beugte mich zu ihm vor. Mein Ellenbogen hatten es sich auf dem Tresen gemütlich gemacht und mein Mund war direkt neben seinem Ohr platziert. Sonst hätte das Gespräch zwischen dem Lärm sowieso keinen Sinn gefunden.

Der Barmann sah mich abwartend an. "Kommt dieser Typ oft hier her?" Mit meiner rechten Hand deutete ich auf den braunhaarigen. Lange musterte er ihn und nickte anschließend so als würde er ihn schon viel zu lange kennen. Dabei war seine Laune allerdings nur noch mehr gesunken als zuvor. Vielleicht lag es an meiner Art. Möglicherweise war ich Schuld oder der braunhaarige hatte einfach nur keine Freunde. Darum war er doch auch hier. Sonst hätte er bestimmt besseres zu tun gehabt. Das hatte ich eigentlich auch.

Mit einem mir nichtssagenden Ausdruck im Gesicht betrachtete der Barmann mich, schob mir ein Glas Wasser über den Tresen und wartete bis ich es in die Hand nahm. Einen Schluck nahm ich aus ihm heraus, dann stellte ich es ab und wartete auf eine Antwort.

"Das ist Carlo Waibel." Irgendwie passte der Name zu ihm. Er hieß also Carlo. Das klang jedenfalls nicht so als würde er von hier kommen. Das zog die Frauen wohl auch an ,wenn sie nicht gerade ein gratis Getränk wollten. Er hatte den Fler eines Ausländers, sah super aus und beeindruckte die Menschen nicht nur von der Nähe.

"Er ist nicht gerade der Typ, der Frauen versteht." Der Mann vor mir war meinem Blick gefolgt. Er sah wie ich diesen sogenannten Carlo ansah, dass jedoch auch nur, da ich wissen wollte, ob er mehrere Gründe hatte hier zu sein, außer dass er seinen Spaß haben wollte. Dieses Gefühl hier zu stehen musste ihn doch anlocken. Oder etwa nicht? "Jeden Abend kommt er hier her und füllt die nächste Tusse ab. Dabei amüsiert er sich, wie die Frauen plötzlich werden. Naja, ich meine er bekommt sie ja sowieso nicht ins Bett. Oder will es nur nicht, was weiß ich." Leicht lachte er, wendete sich ab und beendete dieses nicht all zu gute Gespräch mit einem kurzen Handzeichen und einem Zwinkern. Er tat es so selbstverständlich, als hätte er dieses Gespräch nicht zum ersten Mal geführt. Ich war eine von vielen, die auf diesen Carlo sahen. Ich war eine von Hunderten, die nicht verstanden was er da machten. Ich war eine von ihnen und brauchte gleich viele Informationen wie sie. Nichts an mir war besonders. Wenigstens hatte er mir ein Glas Wasser spendiert. Viel war es nicht und diese Gestik war auf keinen Fall neu. Aber er hätte es trotzdem nicht tun müssen.

War der Barmann und dieser Carlo Freunde?

Abwegig war dieser Gedanke in keinster Weise. Immerhin war ich auch mit Katy gekommen und stand nun hier total genervt von ihrem Verhalten.
Ich hätte auch so wie er gehandelt. Man kann Körpersprache immerhin auch falsch verstehen. Man kann auch einfach im falschen Moment am falschen Ort sein.

"Whiskey, Vodka oder Schnaps?"

Die Worte war nur lautes Geschrei, die hinter mir ertönte .

"Wie wärs mit Wasser? Warum darf ich kein Wasser trinken?"

Das ein schmächtiger Typ, wie Carlo es war, so schnell hinter mir stehen könnte, hätte ich nie gedacht. Zwei dunkle Augen starrten in meine. Mit einer Handbewegung strich er sich die Haare aus dem Gesicht und lächelte leicht. In diesem Moment sackte mein Herz in meine Hose hinunter.

Das war so was von Absicht. Er wusste was er mit seinen Grübchen bewirken konnte.

Er streckte mir seine Hand entgegen und erläutere mir seinen Namen. Den Namen, den ich so wunderschön fand und nun selbst in den Mund nahm.

"Sehr erfreut Carlo, ich bin..."

Meine Worte wurden von ihm unterbrochen, genauso wie mein Atem.

"das Mädchen, das mich schon seit einer gefühlten Ewigkeit beobachtet?"

Sein Griff wurde fester, seine Augen kleiner, sein Ausdruck finsterer und ich bereute es noch nichts getrunken zu haben.

wunderschöne Lügengeschichten (Cro Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt