#6.2

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Fay stürmte davon. Die Leute sprangen ihr aus dem Weg, als sie durch die weißen Gänge des Krankenhaus sprintete. Hier und da war ein Bild oder ein Pflanzenstock zu sehen, in einem kläglichen Versuch das erdrückende Weiß etwas abzuschwächen. Doch gemeinsam mit den weißen Kitteln der Patienten und Ärzte, war das ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.

Fay blieb vor einem bläulich schimmernden Tisch stehen und packte den Mann hinter dem Tresen grob. „Scott Cowan. Ich will mit einem Arzt sprechen. Sofort." Sie ließ den Mann los, der panisch loslief. Sie ignorierte die Blicke der Umstehenden geflissentlich.

Im Eilschritt kam der Mann zurück, einen etwas älterer, bereits ergrauter Arzt im Schlepptau, und sprach wild gestikulierend mit dem Arzt.

„Doktor Ivor Steinfeld", stellte sich der Arzt vor und schmunzelte ein wenig. „Wie ich sehe, haben Sie sich gut erholt, Miss Cowan."

„Gut genug, um zu erfahren, dass sie meinen Vater nicht weiter behandeln können", biss Fay zurück. In ihr brodelte Wut und ihre Knochen schmerzten vor Müdigkeit und Verzweiflung. Sie spürte jeden der Schläge der Stadtwachen in sich. „Was ist mit dem Recht auf Behandlung? Habt ihr Ärzte keine Ehre, an die ihr euch zu halten habt?"

Doktor Steinfeld lachte lauthals. „Beruhigen Sie sich, Miss Cowan. Wir behandeln Ihren Vater so gut wir können."

„Und wofür sind dann bitte die drei Gulden, die sie von meiner Schwester verlangt haben? Zu ihrem persönlichen Vergnügen?" Fay wusste, dass sie zu weit ging, doch es war ihr egal.

Er zögerte. „Wenn Sie mitkommen, kann ich ihnen alles in Ruhe erklären, Miss Cowan. Wir kommen nicht weiter, indem wir uns hier Gegenseitig beschimpfen. Wenn Sie mir bitte folgen würden."

Ohne auf ihre Widerworte zu warten, führte Doktor Steinfeld mit einer galanten Handbewegung sie in ein Büro, dass sich hinter dem Tresen auftat und mit einer von innen durchsichtigen Tür vom Rest des Flurs getrennt war. Das Büro war in dem selben sterilen Weiß gehalten, dass die Klinik dominierte. Hinter dem Schreibtisch stand jedoch eine hohe Bücherwand und auf dem Schreibtisch selbst stand ein Holo-Bildschirm, auf dem eine Frau mittleren Alters mit blonden Haaren und knallroten Lippenstift zu sehen war.

„Wir schalten jetzt zur Leiterin von RockInnovations. Mrs Rockrose, Ihr neuestes Projekt gilt zukunftsweisend im Bezug auf BioTech-Generatoren. Wie sehen Sie das? Kann man in den nächsten Jahren mit der Nutzung der Naturenergien und gar mit dem Aus der Spiritangriffe rechnen?", säuselte eine Stimme aus dem Nichts.

Die verhärteten Lippen der Frau verharrten einen Moment regungslos. „Es ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Wir rechnen damit, den ersten Prototypen gegen Ende dieses Jahres fertig zu stellen. Die neuen Generatoren bedienen sich der Energie der Leylines und halten den Belastungstests bisher einwandfrei stand. Welche Auswirkungen das auf die Spiritaktivität haben wird, ist derzeit noch nicht geklärt."

Fay schnaubte. Die Spiritaktivität war in den letzten Monaten extrem angestiegen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein einfacher Generator, egal wie fortschrittlich er auch sein dürfte, dagegen etwas ausrichten konnte. Die Menschen, die sich hier hinter den Schilden versteckten, hatten keine Ahnung wie es außerhalb der Schilde wirklich aussah.

„Also. Die drei Gulden." Doktor Steinfeld schaltete den Holooperator aus und holte sie zurück in die Realität. „Den Preis, den ich deiner Schwester genannt habe, würden die gesamte Behandlung eures Vaters decken. Inklusive der Kosten für den Aufenthalt, die nötigen Bluttransfusionen und das Reinigungsverfahren der Wunde."

„Und warum sollen wir das bezahlen? Mein Vater hat für dieses Land gekämpft und hat sich auf einen Spirit geworfen, um andere zu retten! Er hat sich das Recht auf Behandlung verdient", sagte Fay und verschränkte die Arme vor der Brust.

Spirits - Stadt im UntergrundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt