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Hyungwon

Ich schreckte von dem rauen, staubigen Hausdach hoch und helles Sonnenlicht stach mir augenblicklich in die Pupillen.
Wonho, der seinen Arm um mich gelegt hatte murrte im Halbschlaf und drehte sich auf die andere Seite.
Sein helles Haar stand in alle Richtungen ab und er hatte sich wie ein Hund zusammengerollt.
Der Anblick war derartig entzückend dass es mir missfiel ihn wecken zu müssen.

Aber das, was mich geweckt hatte, ließ nicht zu das wir komplett umgeschützt draußen herumlagen.
Schnelles, gleichmäßiges Getrampel erfüllte die Gassen in dieser frühen Stunde.
Vorsichtig, um nicht entdeckt zu werden, lugte ich über der Kante des Daches hervor um mir einen Überblick über die Situation zu verschaffen.
Soldaten mit schwarzer, gepanzerter Rüstung, Helmen, die fast ihr ganzes Gesicht verdeckten und schweren Maschinengewehren strömten im Gleichschritt durch die Stadt.
Einige robust aussehende Geländewägen durchsetzten die Trupps.
Auf ihnen standen Männer mit Megafonen deren Rufe mich auch aus dem Schlaf gerissen hatten.
,,Alle Bewohner zum Marktplatz! Ich wiederhole, alle Bewohner zum Marktplatz!"
Was zur Hölle machten die Patroullien der Regierung so früh hier in Hero?
,,Wach auf, Wonho, schnell!"
Energisch stieß ich ihm in die Seite worauf er kraftlos nach meiner Hand schlug.
Langsam jedoch erwachte er ganz und rieb sich müde die Augen.
,,Was ist das für ein Lärm hier?..."
,,Komm, steh auf!"
Ich zog Wonho hoch auf die Beine und nahm dein Gesicht zwischen die Hände.
,,Aufwachen, komm schon."
Ich klapste leicht gegen seine Wange.
,,Wir werden schon wieder durch die Gegend gehetzt..." seufzte ich halblaut während ich mich abwandte und auf den Rand des flachen Daches zulief, um danach herunter zu springen und leichtfüßig zu landen.

Bei meinem Aufprall flogen kleine Brocken getrockneten Schlammes von meinen Schuhen ab, der sich bei dem Gesprinte durch die Stadt darauf abgesetzt hatte.
Einige Sekunden später stand auch Wonho neben mir und wir mischten uns unter die anderen Bewohner, die genauso verwirrt drein blickten wie wir.
Es war eng und die Menschen wurden immer gestresster durch die lauten Rufe aus den Megafonen.

Plötzlich ertönte panisches Geschrei ein paar Meter hinter uns, die Stimme einer jungen Frau stellte sich in den Vordergrund der Geräuschskulisse.
,,Mino! Mino! Helfen sie mir doch!"
Ich reckte den Kopf und konnte erkennen wie sie wild auf einen Soldaten einredete, doch dieser schob sie von sich und ignorierte sie.
Darauf hin ließ sie von ihm ab und boxte sich mehr schlecht als durch die Menschenmassen, die nun ebenfalls in Angst verfielen, die durch die Rufe ausgelöst wurde.
Dann erkannte ich, wo sie hin wollte.
Ein kleiner Junge lag weinend auf dem Boden und hielt sich das Knie, während er sich aufsetzte.
Die Leute überrannten ihn fast.
Am schlimmsten jedoch war der Militärswagen, der sich unaufhaltsam auf den Kleinen zu bewegte.
,,Bleib hier!"

Wonho, der mir aufhaltend nachsah ließ ich stehen und bahnte mir gewandt einen Weg durch die Menschen.
Ich war größer und vor allem um einiges dünner als die junge Mutter, was mir einzig in so einer Situation zu Gute kam.
Sonst war ich deswegen nur schwach und verletzlich.
Immer schneller bewegten sich meine Füße während ich Entschuldigungen murmelte wenn ich jemanden versehentlich anstieß.
Ich erntete einige Beleidigungen und unhöfliche Kommentare, was mir aber reichlich egal war.
Mein ganzer Verstand galt dem Kind und dem Fahrzeug, dass immer noch rücksichtslos auf es zurollte.
Ich ballte nervös die Fäuste.
Du schaffst es nicht rechtzeitig, ging es mir immer wieder durch den Kopf.
Du schaffst es nicht rechtzeitig.

Bis sich dann endlich die Traube von
Einwohnern verdünnte und ich stolpernd die letzten Meter zurücklegte, den Jungen in die Arme nahm und mich in letzter Sekunde auf die Seite stürtzte.
Hart schlug ich mit dem Rücken auf der Straße auf und kurz blitzten Lichter vor meinen Augen auf.
Ich hatte mich schützend um den Jungen gekrümmt, weswegen ich so unangenehm aufgekommen war.
Jetzt ließ ich ihn los und er sah sich benommen mit seinem runden Gesicht um.
Und schon stürtzte seine Mutter auf uns zu und drückte ihn schluchzend an sich.

Ich richtete mich wieder auf und tastete mir vorsichtig über den Rücken.
Die Berührungen meiner Finger hinterließen ein Stechen auf der wohl aufgeschrammten Haut.
Dann schlangen sich noch einmal Arme um mich und ich stöhnte leise auf, das Stechen war jetzt zu einem ausgewachsenen, brennenden Schmerz geworden.
Offensichtlich hatte die Frau das gehört und ließ mich schnell loß.
Ihr tränenüberströmtes Gesicht sah mich voller Dankbarkeit und Güte an, nachdem sie mich kurz wie hypnotisiert angestarrt hatte, warscheinlich wegen meines grün und blau geprügelten Gesichtes.
,,Ich weiß nicht- Ich weiß nicht, wie ich dir jemals danken kann, ich- Du hast meinen kleinen Mino gerettet..."
Während wir bereits wieder weiter gestoßen wurden hatte sie meine Hand in ihre genommen und schüttelte diese unentwegt.
,,Keine Ursache."
Ich lächelte sie an und sie erwiederte es.
,,Er ist doch erst vier... er hat meine Hand los gelassen weil er gestolpert ist und ich habe ihn aus den Augen verloren und dann..."
,,Ist ja gut, jetzt ist er ja sicher."
Unbeholfen tätschelte ich ihr den Rücken und wartete, dass sie sich beruhigte. Was sie schließlich auch tat, kurz bevor wir den Kern von Hero erreichten.

,,Noch einmal, vielen Dank. Ich bin übrigens Yuna."
Sie konnte kaum fünf Jahre älter sein als ich, immerhin stellte sie sich auch mit ihrem Vornamen vor.
,,Hyungwon."
,,Du hast etwas gut bei mir, Hyungwon!"
Rief sie mir noch nach, während wir wegen dem Anlauf auf dem Marktplatz getrennt wurden.
Ich hielt wieder Ausschau nach den Anderen, aber ich wurde auf der Schulter angetippt.
Wonho wollte schon vorwurfsvoll den Mund aufmachen als er von einem breit gebauten Soldaten mit seltsam eingedrücktem Gesicht, buschigen Augenbrauen und kahl rasiertem Kopf unterbrochen wurde, der sich auf das kleine Podest in der Mitte des Platzes gestellt hatte, das einmal für Reden des Bürgermeisters gedacht war.
Er räusperte sich, dann hob er das Megafon an den Mund.
,,Mein Name ist Offizier Park Jongdae. Ich komme aus der Hauptstadt, Interstellar, mit einigen meiner Männer. Wir sind hier um Hero vor weiteren Angriffen zu schützen. Von jetzt an wird die Stadt rund um die Uhr von Soldaten bewacht werden, damit die Bewohner in Sicherheit leben können."
Seine letzten Worte gingen in lauten Rufen der Empörung, aber auch der Erleichterung unter.

Zum einen würden jetzt die Menschen weit eingeschränkter und unterdrückter leben müssen, andererseits hätten sie jetzt Leute die sie wirklich verteidigen könnten, nicht nur lauter halbstarke, unproffessionell ausgebildete Rekruten.
Der Lärm nahm wieder ab als der Offizier erneut zu sprechen begann.
,,Dafür, dass wir Soldaten hier lassen, brauchen wir jedoch auch neue. Wir fordern, dass sich jeder Mann zwischen fünfzehn und dreißig Jahren morgen Mittag hier auf dem Platz einfindet um mit nach Interstellar zu kommen, wo er eine Ausbildung zum Soldaten erhalten wird. Bis dahin verlässt niemand die Stadt. Jemand der um diese Zeit nicht hier ist wird gesucht und zum Mitkommen gezwungen."

Battlecry || THE CLAN ; hyungwonho [IN EDITING]Where stories live. Discover now