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Wonho

Sobald mein Gehirn begriffen hatte was der grelle Laut der Sirenen bedeutete war ich schon aus meinem dösenden Zustand aufgeschreckt und augenblicklich hellwach.
Jeder Muskel in meinem Körper schien gespannt und obwohl die Menschenmasse sich schnell nach draußen bewegte wurde ich doch ungeduldig.

Als mich zum ersten Mal seit zwei Tagen echte Sonnenstrahlen trafen kniff ich geblendet die Augen zu, die sich erst wieder an das natürliche Licht gewöhnen mussten, auch wenn es bereits geschwächt war von der Abenddämmerung.
,,Warte doch!"
Grimmig hielt Minhyuk eine Hand hoch um die Helligkeit zu blockieren.
Er und Shownu bahnten sich durch die vielen Leute einen Weg zu mir, langsam leerte sich der kleine Platz vor Bunker Nummer vier.
Zögerlich blieben wir stehen.

Es war unausgesprochen klar dass das Erste was wir jetzt tun würden die Anderen zu finden war.
Aber wo sollte man am besten anfangen?

So klein war die Stadt jetzt auch wieder nicht, und die vielen verlassenen Viertel boten etliche Nischen in denen niemand nach einem Menschen oder einer Leiche suchen würde, weil einfach keiner wusste dass sie überhaupt existierten.
,,Sollten wir uns aufteilen?"
Shownu schüttelte den Kopf.
,,Es wird schon dunkel, das ist zu gefährlich."
,,Lasst uns einfach so präzise wie möglich den größten Teil der Stadt absuchen. Wenn wir niemanden finden machen wir morgen weiter."
Minhyuk ging voran. Wir begannen, die kleinen Gassen die von der Hauptstraße abzweigten abzusuchen.
Nervös bis in die Fingerspitzen konnte ich die Augen nicht vom Boden lösen.
Die Abendsonne färbte den bröckeligen Asphalt orange.
Mit jedem Schritt schien sich mir die Kehle stärker zuzuschnüren.
Wo waren die Anderen bloß?

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich zu Kihyuns Mutter gehen musste, die uns immer so großzügig etwas Essen aus der Bäckerei geschenkt hatte um ihr zu sagen dass ihr Sohn mit hoher Warscheinlichkeit tot war.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich nie wieder hören würde, wie Jooheon und Changkyun sich über die unnötigsten Dinge stritten.

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich nie wieder beobachten könnte wie mein Hyungwon langsam neben mir in den Schlaf abdämmerte.

Wie als wären diese Gedanken eine lästige Fliege schüttelte ich den Kopf um sie los zu werden.
Nicht die Hoffnung aufgeben, Wonho.

Plötzlich hörten wir rennende Schritte, die auf uns zu kamen.
Blitzschnell duckte ich mich hinter eine Hauswand und lugte vorsichtig hinter der Ecke hervor.
Dann stahl sich ein überglückliches Lächeln auf meinen Mund.
Dort standen Kihyun, Changkyun und Jooheon und blickten sich um, als würden sie etwas suchen.
Wir kamen aus unseren Verstecken hervor und gingen auf sie zu.

Ihre Körperhaltung entspannte sich sichtlich als sie uns sahen, ich im Gegensatz runzelte schon wieder die Stirn.
,,Wo... wo ist Hyungwon?"
,,Wir haben ihn verloren! Als wir die Sirenen gehört hatten ist er ohne auf uns zu achten losgesprintet um euch zu suchen, denke ich mal.
Und jetzt ist er weg!"

Das konnte doch nicht sein.
Wenn er wegen mir gestorben war würde ich es nicht ertragen können.
Er musste noch am Leben sein.
,,Schnell. Solange es noch hell ist können wir ihn noch suchen!" Jooheon schien entschlossen, die Hoffnung nicht aufzugeben.
Zu sechst streiften wir durch die Straßen.

Ich war so unglaublich müde.
Ich durfte nicht einschlafen, es wäre unangenehm wenn mein Gesicht noch einmal Kontakt mit dem Boden aufnahm.
Außerdem musste ich für Hyungwon wach sein.
Für Hyungwon.
Fast lief ich in Changkyun hinein, der plötzlich vor mir stehen geblieben war.
,,Was-"
Mit einer Geste gab er mir zu verstehen, still zu sein.
Wir setzten uns wieder in Bewegung, so leise wie möglich schlichen wir weiter.
Jetzt hörte ich es auch.
Irgendwer schien wütend auf jemand anderen einzureden.
Dann ertönte ein unterdrückter Schmerzenslaut und mehr bedrohliche Worte.
Ich kannte diese Stimme.
Der Jüngste hielt mich am Arm fest und wollte mich aufhalten.
,,Ich weiß wer das ist!" zischte ich ihn vielleicht etwas giftiger als gewollt an, ich riss mich los und lief mit großen Schritten auf die Gasse zu.
Wie ich gedacht hatte sah ich Hyungwon und seinen Vater der mit erhobener Hand vor seinem Sohn stand.

Es tat mir innerlich so unglaublich weh ihn derart instinktiv demütig da stehen zu sehen, dass ich mich zu erst nicht rühren konnte.
Dann, als der Mann wieder einen Schlag in Hyungwons' Gesicht landete erwachte ich aus meiner Starre. Sein Sohn hatte sich mittlerweile auf dem Boden zusammengekauert und die Arme schützend über den Kopf gelegt.
Alle meine Muskeln waren offensiv angespannt, als ich laut rief.
,,Hey!"

Seine wässrigen, grausamen Augen richteten sich auf mich und er kam langsam auf mich zu.
Ich hatte höllische Angst vor ihm. Er war nur einige Zentimeter kleiner als Hyungwon, aber um einiges muskulöser gebaut.
,,Hö... hören sie auf!"
Und da brach meine Stimme. Großartig.
Als ich jedoch fühlen konnte, wie sich die fünf anderen breit hinter mir aufbauten war mein Selbstbewusstsein schlagartig zurück.
Er würde es nicht riskieren sich mit einer Überzahl anzulegen.
So rammte er mich nur grob mit der Schulter, als er an uns vorbei lief und zog von dannen.
Hyungwon starrte uns nur ungläubig an und schien gedanklich ganz wo anders zu sein, sein sonst so schönes Gesicht war übersäht von Kratzern, Schrammen und blauen Flecken.
Er schien aufstehen zu wollen, und schon war ich bei ihm und zog ihn hoch.
Fest und beschützend schlang ich meine Arme um ihn und er ließ den Kopf auf meine Schulter sinken.
Sanft strich ich über seinen Hinterkopf, ich hatte bemerkt dass er wie Espenlaub zitterte.
Dann konnte ich es nicht mehr aushalten und Tränen begannen unkontrolliert mein Gesicht herunter zu laufen.
Warum musste er so leiden?
Womit hatte er das verdient?
Er löste sich von mir und lächelte zu erst mich, dann die Anderen an.
Seine Stimme klang rau und leise.
,,Danke."

Battlecry || THE CLAN ; hyungwonho [IN EDITING]Where stories live. Discover now