„Morris will es aber mit aller Gewalt behalten. Er hat einen anderen Plan, um uns aus dem Ruin herauszuholen", holte mich Jeremys Bemerkung aus meinen Gedanken.

Vorsichtig nahm ich einen Schluck aus dem heißen Becher und verbrannte mir fast den Mund, als ich plötzlich das laute Schlagen einer Tür vernahm.

„Nein, Morris! So lasse ich nicht mit mir umspringen! Steck' dir diese bescheuerten Texte sonst wo hin! Ich bin doch keine Zwanzig mehr!"

Die weibliche Stimme, die in meinen Ohren ertönte, klang furchtbar aufgeregt, um nicht zu sagen angepisst. Und das Gezeter ging weiter.

„Wenn du möchtest, dass ich hier antanze und für dich die Kohlen aus dem Feuer hole, dann kümmere dich darum, dass jemand Kompetentes meine Texte schreibt! Ansonsten siehst du mich hier nicht wieder!"

„Eve, bitte beruhige dich." Das war Morris, der wohl versuchte, die weibliche Furie zum Bleiben zu bewegen. Doch das erneute Schlagen einer Tür bestätigte mir, dass sie wohl gegangen war. Der eisige Luftzug der Eingangspforte war selbst hier, in diesem Raum, zu vernehmen und als ich zu Jeremy schaute, seufze er erneut. Dieses Mal noch tiefer, was mir ziemlich leidtat.

„Sieht wohl so aus, als würde Morris' Plan nicht so ganz klappen", brachte er reichlich geknickt hervor.

„Was genau war denn sein Plan?", hakte ich nach, da wir durch das Geschrei der Furie unterbrochen worden waren.

Bevor Jeremy darauf antworten konnte, stieß Morris die Tür zu dem kleinen Raum auf, in welchem wir saßen und knallte Jeremy einen Papierhaufen auf den Tisch. Songtexte, wie ich sofort feststellte. Während Morris redete, warf ich einen verstohlenen Blick darauf. Die Texte waren keineswegs schlecht und Ariana Grande hätte sich bestimmt darüber gefreut. Ich wusste gar nicht, was es da zu meckern gab.

„Lass Malcolm und Leslie übermorgen hier antanzen. Wir müssen uns mit Lancaster zusammensetzen, sie kommt dann auch vorbei und ich hoffe nicht, dass es zum letzten Mal sein wird, sonst können wir einpacken."

Hatte er gerade Lancaster gesagt?

Im gleichen Moment begann mein Hirn zu arbeiten.

Eve Lancaster hatte Ende der Achtziger bis Ende der Neunziger etliche Hits gehabt, bevor sie in der Versenkung verschwunden war. Trotzdem sollte sie jedem, der in der Musikbrache arbeitete, noch geläufig sein.

Nachdem Morris wieder gegangen war, schaute ich zu Jeremy.

„Eve Lancaster, hm? Wie kommt er denn an die?"

„Sie hat früher für dieses Label Gold gescheffelt und Morris möchte es einfach nochmal versuchen. Ihre Stimme klingt noch immer toll, sie war gestern bereits zu einigen Probeaufnahmen hier, konnte sich jedoch mit den Songs nicht so recht anfreunden."

„Und heute hätte sie fast in den Sack gehauen", vervollständigte ich den Satz, worauf Jeremy nickte.

„Wenn Eve nicht mitmacht, können wir einpacken und ich bin erstmal arbeitslos", brummte er unmotiviert.

„Dann würde ich mich an deiner Stelle schleunigst um die Songwriter kümmern."

Ich schlug ihm auf die Schulter und erhob mich. „War nett, dich mal wieder zu sehen, Jeremy."

„Niall, warte."

„Worauf? Du musst arbeiten, oder nicht?"

Ohne mich noch einmal umzudrehen, trat ich den Weg nach draußen, in die eisige Kälte an. Während der Rückfahrt versuchte ich die größten Songs von Eve Lancaster in meinem Kopf abzurufen. Der erste, der mir spontan einfiel, nannte sich „Break." Ironischerweise passte er zu der momentanen Situation von One Direction, denn wir befanden uns noch immer in unserer langen Pause.

SOULWhere stories live. Discover now