03. Call

2.2K 247 283
                                    


♪ Strangers in the night – Frank Sinatra


~~~ Eve ~~~


Ich musste nicht mehr alle Tassen im Schrank haben, diesem jungen Typen meine Visitenkarte mit den Worten 'Ruf mich an' zuzustecken. Aber so war ich nun einmal, spontan, ohne mich darum zu kümmern, was die Leute vielleicht denken könnten. Hoffentlich bekam er das nicht in den falschen Hals, andererseits konnte mir auch das egal sein.

Seufzend lehnte ich mich auf der Rückbank des Taxis zurück, welches mich nun zum Flughafen London Heathrow bringen würde. Den Rückflug nach LA hatte ich bereits gebucht und mein spärliches Gepäck wartete am Flughafen auf mich. Keine Minute länger würde ich in London bleiben, wo es sowieso nur nass und kalt war. Ich war stinksauer auf Morris, weil er mich aus den Staaten hatte antanzen lassen, mit dem Versprechen, wir würden ein tolles neues Album aufnehmen.

Wenn ich ehrlich war, juckte es mich schon, wieder in der Branche Fuß zu fassen aber nicht auf diese Art und Weise wie Morris das wollte. Die Songs für mich mussten perfekt zu mir passen, ansonsten würde ich sie nicht singen. Ich brauchte niemandem etwas zu beweisen und wenn die Songs nicht gut genug waren, würde ich ganz sicher nicht angekrochen kommen und nach besseren fragen. Schließlich hatte ich in der Vergangenheit genügend Kohle gescheffelt. Wäre da nicht der winzige Punkt, der sich Ehrgeiz nannte. Der Ehrgeiz, es noch einmal allen zu zeigen, sie wissen zu lassen, dass es mich noch immer gab und dass meine Stimme noch lange nicht zum alten Eisen gehörte. Aber dafür brauchte ich die entsprechenden Songs, die Morris mir nicht liefern konnte.

Der Kreis hatte sich heute geschlossen – ich warf das Handtuch, denn er war auf mich angewiesen und nicht umgekehrt. Allerdings hatte ich Blut geleckt und würde hoffentlich bald jemand anderen finden, mit dem ich zusammenarbeiten konnte.

Während das Taxi durch den Regen fuhr, holte ich mein Handy hervor, um auf iTunes zu stöbern. Ich wusste sehr wohl, wer der junge Kerl war, dem ich meine Visitenkarte gegeben hatte. Sein Album hatte in den USA eingeschlagen – und nicht nur dort. Niall Horan besaß eine wunderschöne Stimme, die meinen Ohren unglaublich schmeichelte. Wenn ich schlecht drauf war, hörte ich mir immer This Town an, den ersten Song, den er geschrieben hatte – das Lied brachte einen runter und auf andere Gedanken. Dass Niall Songs schreiben konnte, hatte er unter Beweis gestellt, aber ich wusste trotzdem nicht, welcher Teufel mich ritt, als ich ihm sagte, er solle mich anrufen.

Vielleicht lachte er darüber und warf die Visitenkarte weg, weil er es als Scherz auffasste. Ich hatte es aus einem Bauchgefühl heraus getan – wie so oft. Meine Entscheidungen begründeten sich niemals auf rein rationeller Ebene. Ich war kein reiner Kopfmensch – das waren die wenigsten Künstler – und deshalb kümmerte ich mich nicht weiter darum.

Als ich mich später im Flugzeug in den Sitz kuschelte, dachte ich sogleich an Grace, meine Freundin, die in LA lebte und die mich auch dort am Flughafen abholen würde. Seit Jahren feierten wir Weihnachten zusammen und das würde auch in diesem Jahr nicht anders aussehen. Vermutlich brütete sie schon über dem Menü, sie ließ sich da niemals lumpen. Bei dem Gedanken daran, dass ich noch die Geschenke einpacken musste, wurde ich ein wenig unruhig, hoffentlich bekam ich alles noch rechtzeitig hin.

Eine Stewardess reichte mir die Speisekarte, aus der ich die Wahl für das Essen an Bord traf. Außerdem bestellte ich einen Chardonnay, der wirkte fast so gut wie eine Schlaftablette, nur ohne chemische Zusätze.

In einer Zeitschrift blätternd, versuchte ich mir die Zeit bis zum Essen zu vertreiben und als dieses serviert wurde, bemerkte ich, wie sehr mein Magen inzwischen knurrte. Ich ließ mir das Hühnchen in Rahmsoße schmecken und sprach auch dem Wein gut zu, der ausgezeichnet mundete.

SOULحيث تعيش القصص. اكتشف الآن