Kapitel 9

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Leise schloss ich die Tür auf. Es war schon spät und ich wollte meine Nachbarn nicht wecken, da diese eh schon nicht so ein gutes Verhältnis zu mir hatten. Wir betraten meine Wohnung. Namjoon schaute sich natürlich sofort um. Ich hingegen zog mir direkt meine Schuhe und Jacke aus. "Willst du dir vielleicht deine Sachen auch mal ausziehen?" Das war das Erste was ich seit dem Vorfall im Zug mit ihm gesprochen hatte. Als ich das gesagt hatte sah er mich komisch an, grinste dann aber. Seine Reaktion verwirrte mich etwas. Was hatte er vor? Er begann dann ganz normal seine Sachen auszuziehen, doch er hörte nicht, wie erwartet, nach seiner Jacke und seinen Schuhen auf, nein, er zog sich bis auf seine Boxershorts aus. Mit einem Gesicht, welches einer Tomate gleichen müsste, sah ich ihn an. "Ich sollte doch meine Sachen ausziehen", sagte er unschuldig und grinste mir dann provozieren zu. Oh man, so war das doch nicht gemeint. Er ist so ein Idiot. Nur was sollte ich jetzt dazu sagen? Völlig überfordert stand ich da und konnte ihn nur bewundern. Er war einfach so schön, so makellos, so perfekt. Und all das gehörte mir nicht und wird es auch nie. Als dieser Gedanke in meinem Kopf war, seufzte ich einmal ehe ich mich umdrehte und in mein Schlafzimmer ging. Was Namjoon nun tat, war mir egal. Ich schmiss mein Gepäck in eine Ecke des Zimmers und ließ mich auf mein Bett fallen und genoss die Stille. Doch lange hielt diese nicht an. "Jin, wo soll ich schlafen?" Schlagartig weiteten sich meine Augen. Ein Wohnzimmer hatte ich nicht, weswegen ich auch keine andere Schlafmöglichkeit, als mein Bett, für ihn hatte. Wie konnte ich Trottel nur das vergessen? "In meinem Bett" murmelte ich und stand auf, um mir bequeme Sachen zum schlafen raus zu suchen. Namjoon hatte derweil sein Shirt wieder über gezogen und legte sich in mein Bett. Ich suchte aus meinem Schrank noch ein zweites Bettzeug und warf es ihm zu. Sofort kuschelte er sich in dieses, wie ein kleines Kind. Stumm legen ich mich neben ihn und drehte mich mit meinem Rücken zu ihm. Ich wollte einfach nur noch schlafen. Die ganze Fahrt war einfach nur anstrengend gewesen, der reinste Horror. "Jin, bist du noch wach?", flüsterte Namjoon nach einer Weile. Ich sagte erstmal nichts. Vielleicht würde er mich dann in Ruhe lassen, da er mir vielleicht abkaufen würde, dass ich schlief. "Nein, du schläfst nicht." Genervt atmete ich laut aus. "Du würdest sonst die ganze Zeit deinen Kopf in deinem Kissen vergraben und unverständliche Sachen von dir geben", redete er weiter. Wieso merkte er sich meine Schlafgewohnheiten? Da es keinen Sinn hatte ihm alles vor zu spielen drehte ich mich auf den Rücken. Ich starrte ins dunkle und versuchte die Zimmerdecke zu sehen. "Weißt du, ich komme mir gerade als wäre es damals, als wir jede Nacht zusammen geschlafen hatten und ich muss sagen, nachdem du weg warst, hatte ich Wochen lang Probleme zu schlafen. Ich wusste gar nicht, dass sowas möglich ist." Ich erwidert nichts und starrte weiter in die Dunkelheit. Aber er hatte recht. Es fühlte sich wirklich an wie damals. Ich genoss es einfach neben ihm liegen zu können und ihm zu hören zu können bei seinen Erzählungen. "Als du damals dann weg warst, war jeder Tag irgendwie komisch. Auch merkte ich, dass es im Restaurant nicht mehr so rund lief. Also musste ich gezwungenermaßen jemanden für deine Stelle suchen. Daraufhin hatte sich Jackson gemeldet. Er war einfach das komplette Gegenteil von dir, aufgeschlossen und lebensfroh. Er und Hoseok waren sofort auf einer Wellenlänge, weswegen ich ihn sofort einstellte. Mit der Zeit merkte ich dann aber, dass er sehr attraktiv war und sein Charakter pures Gold war. Lange überlegte ich, ob ich vielleicht andere Gefühle für ihn hätte. Dabei dachte ich oft an dich. Ich weiß nicht genau warum, nur mir ist auch klar geworden, dass ich damals für dich auch andere Gefühle als Freundschaft hatte, nur dass es mir erst dann klar geworden ist. Welche Gefühle es waren kann ich dir nicht sagen, doch es waren andere als Freundschaft. Da war und bin ich mir sicher. Die Tatsache, dass du schwul bist und dazu stehst, hat mir nur noch mehr Kraft gegeben, Jackson alles zu sagen. Ich rechnete natürlich mit einer Abfuhr, da ich nie irgendwelche Anzeichen bei Jacksons gesehen oder bemerkt habe, dass er auch auf Männer stehen könnte. Doch es kam anderes als erwartet. Er fiel mir weinend um den Hals und freute sich einfach. Was ich dir eigentlich damit nur sagen will ist: danke. Ohne doch hätte ich das alles glaube ich nie so hin bekommen. Auch wenn du nicht anwesend warst, hast du mir immer sehr geholfen. Ich hatte mir zwar immer gewünscht, dass du in diesen Momenten da wärst und mir helfen könntest, doch ich bin einfach froh dich kenne zu dürfen. Mein Wunsch war es einfach dich jemals wieder zu sehen und als ich dann bei Hoseok gesehen haben, konnte ich es einfach nicht wahr haben, dass ich dich endlich wieder habe." Als er seine Erzählung beendet hat, war es still. Man hörte nur das Geräusch der Autos draußen, die an dem Haus vorbei fuhren. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich habe die ganzen zwei Jahre mir nie denken können, dass er mich so sehr vermisst hatte. Auf einmal tat es mir leid, dass ich einfach abgehauen war. Ich spürte etwas feuchtes auf der Wange. Sofort strich die Träne, die es geschafft hatte aus meinem Auge zu kommen, weg. Er sollte ja nicht mitbekommen, dass ich wegen seinen Worten weinte. Er sollte nicht meine sensibele Seite sehen. Das wäre mehr als peinlich. Ich spürte auf einmal zwei Arme, die sich um mich schlangen. "Wieso weinst du?" Wie? Wie zur Hölle schaffte er es immer alles mitzubekommen? "Ich dachte, dass du mich eigentlich nicht wieder sehen willst. Namjoon, ich war kein guter Mensch und ob ich jetzt einer bin mag ich auch zu bezweifeln, aber ich versuche ein besserer Mensch als damals zu sein." Als diese Worte meinen Mund verlassen hatten, wurde der Druck von Namjoons Armen an meinem Körper stärker. "Bleib einfach so, wie du bist, weil ich diesen Jin kennengelernt habe und ihn auch so wieder haben möchte." Diese Worte zauberten mir ein kleines, dennoch echtes Lächeln hervor. Ich habe mich damals schon immer gefragt, wie er das machte. Ich überwand mich dann auch meine Arme um ihn zu legen. Sein Gesicht vergrub er in meiner Brust und kurz darauf vernahm ich auch schon seinen gleichmäßigen Atem. Sanft legte ich ihn ordentlich hin, damit wir beide besser schlafen konnten. Ich beobachtet ihn noch eine Weile und lauschte seinem Atem, ehe ich selber endlich einschlief.

Am nächsten Morgen brachte ihn zum Bahnhof. Ich hatte ihm Sachen von mir geliehen und ich muss sagen, er sah in meinen Lieblings Klamotten echt gut aus. Okay, er sah immer gut aus. Als er sein Ticket gekauft hatte, gingen wir zum Gleis. Da der Zug in zehn Minuten kommen würde, setzten wir uns noch kurz auf die Bank am gleis. Namjoon wippte die ganze Zeit aufgeregt mit seinen Beinen, was auf Dauer echt nervte. "Warum bist du so nervös?", sprach ich ihn darauf an, in der Hoffnung er würde seine Beine endlich still halten. Er schaute mich an und hörte tatsächlich auf. "Ich- du ähm", fing er an zu stottern. "Du musst schon in ganzen Sätzden mit mir reden." Er holte tief Luft und begann nochmal neu. "Ich wollte dich fragen, ob du nicht Jacksons und mein Trauzeuge sein möchtest?" Meine Augen wurden größer und größer. "Bitte was?"

Wende (Namjin FF) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt