ABSCHIED

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NATHANS POV


Mein erster Gedanke als ich zu mir kam war, dass es wirklich angenehm warm war. Mein zweiter Gedanke war, dass mein ganzer Körper wie verrückt angefangen hat, zu kribbeln. Mein dritter und letzter Gedanke war, ob ich gerade aktiv umgebracht wurde.

Leicht panisch schlug ich meine Augen auf, blinzelte ein paar Mal um die milchige Sicht zu klären und blickte dann geradewegs in das friedlich schlafende Gesicht von Paul. Leichte Barstoppeln haben sich über der Nacht gebildet, dennoch war sein Gesicht wie immer makellos.

Meine Hand unter der Decke hervorholend, fuhr ich mit meinen Fingerspitzen leicht über seine Gesichtskonturen und bemerkte dabei, wie er langsam den eisernen Griff um mich herum verfestigte. Er schien langsam von seinem tiefen Schlummer zu erwachen. Auch wenn seine Arme nun noch stärker um mich waren, zogen sich meine Mundwinkel unwillkürlich dabei nach oben; es war süß. Jedoch realisierte ich schnell, was für ein Tag heute war und im Nu wurde meine Heiterkeit gedämpft.

Paul öffnete seine Augen zu Hälfte, musterte meinen Gesichtsausdruck und schaute mich fragend an. Wahrscheinlich hatte er sich ein frohes Lächeln nach der letzten Nacht erhofft. Traurig lächelte ich ihn an und strich ihm eine verlorene Strähne von der Stirn.

„Paul, wir müssen leider aufstehen. Ich muss dich zurückbringen", flüsterte ich mit schwerem Herzen und versuchte mühsam den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken. Ich konnte sehen wie auch seine Gesichtszüge anspannten und ihre Entspanntheit verloren.

„Hmh", grummelte er desinteressiert, aber presste seinen halbnackten Körper näher an meinen. Kurz schienen die Probleme wieder in den Hintergrund zu geraten. Da ich zufälligerweise als Mann sehr empfindlich am Morgen war, musste ich mir ein kleines Geräusch verkneifen. Leider ohne Erfolg, denn ein komisches Keuchen kam aus mir heraus. Paul entging dem sichtlich nicht, denn er fing grinsend an, meinen Hals mit feuchten Küssen zu bedecken. Ich seufzte wohlig auf und meine Augen rollten automatisch nach hinten, die Angst mein kleines Gehirn sehen zu können war viel zu präsent in diesen Momenten.

Paul machte mit seinem Spielchen weiter und verwöhnte uns beide, ohne sich großartig bewegen zu müssen. Da dies wahrscheinlich unseren letzten gemeinsamen Momenten dieser Art waren, hatte er wahrscheinlich den innerlichen Drang mich zu markieren.

Nach unserer Session prangte ein neuer großer Knutschfleck an meinem Schlüsselbein und erschöpft sahen wir uns gemeinsam an, bevor wir uns lachend wieder in die Arme fielen. Ich wollte, dass die Zeit stillsteht.

„Wir sollten uns mal langsam fertigmachen", warf ich widerwillig in die gemütliche Stille.

Augenblicklich spürte ich eine bittere Kälte neben mir, als Paul sich von unserem Bett erhob und seine Klamotten auf dem Boden einsammelte. Ich verabscheute diese neue Angewohnheit, dass ich Paul mit Geborgenheit und Wärme verknüpfte. Das würde mir die kommenden Tage, Wochen oder Monate nicht helfen, falls Paul sich entscheiden würde, mich zu verlassen und ein neues Kapitel zu beginnen.

Kopfschüttelnd stieg ich aus dem Bett, streckte meinen Körper und folgte Paul ins Badezimmer. Zusammen machten wir uns das letzte Mal gemeinsam fertig und ich kam nur schwer auf andere Gedanken. Er putzte sich die Zähne, ich stand neben ihm und hatte mein Arm um seine Hüfte geschwungen.

Ich beobachtete ihn durch den Wandspiegel und bemerkte wie niedergeschlagen er uns beide im Spiegel betrachtete. Wir beide steckten in derselben Situation und wussten nicht, wie wir uns benehmen oder fühlen sollten. Mein Blick fiel auf die kalten Fliesen unter uns und ich versuchte die aufkommenden Tränen zu verstecken.

Nathan |  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt