ABLENKUNG

7.5K 324 40
                                    

NATHANS POV


Ich habe meine Freundin verloren, aber sie ist meine Trauer nicht Wert, oder? Mein Leben ist im Moment ziemlich chaotisch; der Patient und auch mein neuer Job im Allgemeinen sind ziemlich beanspruchend. Vielleicht ist es doch gar nicht so schlecht, dass ich mich jetzt ohne Freundin komplett der Arbeit widmen kann. Du könntest mir bestimmt helfen, wenn du nur hier wärst. - gesendet um 06:35 Uhr [fehlgeschlagen]


###


Gestresst ging ich an mein Handy und wunderte mich, warum das Krankenhaus mich auf meiner privaten Nummer anrief. Oh stimmt, ich habe das alte Haustelefon weggeschmissen, aber wer heutzutage benutzte so etwas überhaupt noch?

Mit einem kurzen „Blue" nahm ich das Telefonat an und räusperte meine Morgenstimme weg. Pardon, ich versuchte es. Wahrscheinlich hörte ich mich wie ein pubertierender 14-Jähriger an. Es war einfach zu früh am Morgen und ich genoss meinen seltenen freien Tag.

„Oh mein Gott, endlich kann ich dich erreichen! Wieso bist du nicht rangegangen? Egal. Du musst die Tagesschicht von morgen an übernehmen, also wehe du kommst zu spät. Und da ich von meinem Mann überraschenderweise auf einen Paris-Trip eingeladen wurde, müsstest du dich persönlich um... ach ja um Patient 7 Paul Williams kümmern. Da du sowieso noch kein Chefarzt bist, könntest du es ja machen. Und nein, du wirst meinen Gehalt nicht oben draufbekommen. Ich muss jetzt los, wir sehen uns." [Anruf beendet]

Verdutzt starrte ich auf das Display. 30 Sekunden. So schnell hat sie noch nie gesprochen. Und dazu noch zu viele Informationen, als das mein Gehirn alles hätte aufnehmen können. Okay, starteten wir mal meinen Kopf: heute war Sonntag also ab morgen müsste ich für ein paar Tage oder Wochen mich um Paul kümmern. Das würde alleine unglaublich anstrengend werden, wie sollte ich es mit ihm aushalten? Innerhalb einer Stunde konnte er mich schon so nervös machen und müsste sich eher um mich kümmern, als ich mich um ihm.

Stöhnend vergrub ich mein Gesicht in das Kopfkissen, worauf mein Kopf vor nur zwei Minuten noch friedlich darauf gelegen ist. Was sollte ich nun den restlichen Tag über machen? Feiern gehen könnte eine Option sein, ob Daniel wohl dabei war? Was war das für eine Frage, natürlich ergriff er jede Gelegenheit um sich zu betrinken und an jemanden heranzumachen. Ich ignorierte einfach den Fakt, dass heute Sonntag war und ich morgen zur Arbeit gehen müsste. Ohne zu zögern, nahm ich mein Handy wieder in die Hand und schrieb Daniel.

Hey, Dan. Heute schon was geplant? -gesendet um 07:21 Uhr

Kurz darauf klingelte mein Handy. Typisch er, zu faul um eine Antwort zu tippen und eine kurze Konversation zu führen. Ich verdrehte meine Augen, aber nahm den Anruf trotzdem an.

„Hey, hey, hey Nate. Was geht?", meldete sich Daniel und kurz darauf hörte man sein Bett quietschen. Mein bester Freund würde nur aus einem Grund am Sonntag um halb acht wach sein: er war die Nacht über Feiern und würde nun das Haus seines One-Night-Stands verlassen. Ich seufzte nur leise bei dem Gedanken auf, dass er ein hoffnungsloser Fall war.

„Ich habe gestern Nacht mit Hayley Schluss gemacht" und brachte ihm auf den neuesten Stand.

Nachdem ich die Erzählung beendet habe, blieb die Leitung zuerst still und er meinte dann: „Das wird schon. Wir lenken dich einfach ab und ich habe schone eine ganz gute Sache im Kopf."

Dreckig lachend legte er auf nachdem er mir Bescheid gegeben hat, um 20:00 Uhr fertig zu sein. Die Zeit müsste ich mir bis dahin irgendwie totschlagen.


###


„Und wo will mich der gute Herr hinfahren?", fragte ich während ich mich anschnallte und sah ihn von der Seite an. Er war seit der Grundschule mein bester Freund. Naja ehrlich gesagt, haben wir uns am Anfang nicht ausstehen können. Seitdem wir aber zusammen in die weiterführende Schule gekommen sind, haben wir uns beiden eine Chance gegeben und sind schließlich sehr gute Freunde geworden.

„Das mein Lieber, erfährst du jetzt", und fuhr in eine abgeschottete, dunkle Gasse. Normalerweise würde ich jetzt anzweifeln, ob er mich nicht doch noch hasste und mich endlich umbringen würde. Immerhin war es jetzt zu spät und ich würde mein Schicksal akzeptieren. Es war ein holpriges Leben, vielleicht könnte ich wenigstens ohne Probleme abschließen.

Daniel bemerkte mein Gesichtsausdruck und fing an zu lachen. „Keine Sorge, dir wird heute nichts Schlimmes passieren. Und bitte schaue mich nicht so an, als würde ich dich jetzt kaltblütig umbringen wollen. Vor 10 Jahren hätte ich das wirklich gerne gemacht und das Angebot auch angenommen", meinte er und lächelte mich schief an.

Ich erwiderte sein Lächeln und wir stiegen aus seinem Auto aus. Vor uns stand ein relativ großes Gebäude, welches mit Absicht heruntergekommen, aber ziemlich cool aussah. Man hörte und spürte den Bass bis nach draußen, was meiner Meinung nach perfekt war. In diesem Stadtteil war ich noch nie, aber sie gefiel mir auf Anhieb.

„Was ist das für ein Club?"

„Weißt du noch als wir gewettet haben, ob ich diesen Typen rumbekommen werde oder nicht? Ich habe gewonnen und das heißt, wir gehen zusammen in einen Gay-Club. Und jetzt komme!"

Bevor ich reagieren konnte, befanden wir uns im Inneren des Gebäudes. Immer noch überfordert mit seiner Aussage, griff er nach meinem Handgelenk und steuerte den Weg durch die engumschlungene Mannschaft zur Bartheke an.

Ich hatte nichts dagegen, dass wir in dieser Art von Club waren, da ich neben Daniel auch andere schwule Freunde kannte. Außerdem war ich bisexuell, fühlte mich aber seit einem Ereignis großteils eher von Frauen angezogen. Daniel aber wusste schon seit Anfang an, dass er vom anderen Ufer war und seitdem habe ich ihn unterstützt, mit dem Deal, dass er mich niemals anmachen dürfte. Mit seinen platinblonden Haaren und braunen Augen war er die Zielscheibe vieler Frauen, doch er interessierte sich nur für heiße Typen, die ihm eine aufregende Zeit schenken konnten.

Wir waren mittlerweile schon einige Stunden hier und ich musste ganz ehrlich sagen, dass es gar nicht so ungewohnt war als gedacht. Im Gegenteil, es machte sogar echt viel Spaß und ich fühlte mich wie in jedem anderen Club. Daniel ist schon in der ersten halben Stunde verschwunden, aber mich störte das nicht, denn ich war nie alleine. Ich änderte meine Tanzgesellschaften gefühlt alle 10 Minuten, doch ich beklagte mich nicht. Alle waren heiß.

Gerade machte mich ein oberkörperfreier Gott von hinten an und ich ging, nicht mehr zurückhaltend, darauf ein. Er legte seine Arme um meinen Torso und bewegte seine Hüften in kreisenden Bewegungen. Währenddessen rieb ich mein Hintern leicht an seine Körpermitte und hörte ihn hinter mir leise stöhnen. Das und die gute laute Musik stimulierten mich und mein Gehörssinn.

Der Alkohol pumpte in meinen Adern und ich fühlte mich ausgelassen und selbstsicher. Selten habe ich mich verwöhnen lassen und habe meine vorherigen Partner und deren Wohlergehen als höchste Priorität gesehen. Doch heute wollte ich, dass sich jemand um mich kümmerte und zum Glück war der Mann hinter mir offensichtlich in der Stimmung, mir diesen Wunsch zu erfüllen.

Leicht verschwitzt nahm ich seine Hände in meine und fuhr mir tanzend über meinen Körper. Sein Atem an meinem Ohr und seine Hüfte an meiner brachte mich zum Keuchen. Mitten im Lied drehte ich mich zu ihm um, schnappte mir seinen muskulösen Unterarm und führte ihn von der Tanzfläche weg in eine leere Ecke.

Dort schlang ich meine Arme um seinen Nacken und zog ihn zu mir herunter, bis unsere Lippen stürmisch aufeinandertrafen. 



Eure Meinung zu Paul? 

- am 27.09.2021 überarbeitet (Kritik ist jederzeit erwünscht)

Nathan |  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt