GÄNSEHAUT

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NATHANS POV


Ich habe das Gefühl, endlich wichtig zu sein. Was ich anscheinend nie für dich war. Es ist so ein tolles Gefühl, da ich es zuvor noch nie wirklich erleben konnte. Würde man sich so in einer funktionierenden Familie fühlen? Ich weiß es nicht, aber ich bin dankbar für Paul. Vielleicht war deine Tat doch nicht die schlimmste, Jon. Durch dich bin ich stärker geworden. -gesendet um 04:22 Uhr [fehlgeschlagen]


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Geborgenheit. Genau das was ich schon immer gesucht, aber nie gefunden habe. Wärme, sowohl innerlich als auch äußerlich. Nie habe ich das empfunden. Liebe. Familienliebe, freundschaftliche Liebe oder eine romantische Liebe. Eine Person bis auf das kleinste Detail zu verehren und immer für einen da zu sein. Dazu gehört Loyalität, Aufmerksamkeit, körperliche Nähe, Kommunikation und vieles mehr. Liebe.

Das alles habe ich noch nie wirklich gespürt. Okay, freundschaftliche Liebe schon – zum Beispiel zwischen Daniel und mir. Was er wohl gerade tat? Egal, das interessierte mich im Moment eher weniger, denn ich fühlte mich einfach nur gut. Alles was ich aufgezählt habe, war nun präsent und ich liebte es.

Meine Augen waren noch geschlossen, um zu vermeiden, dass diese Gefühle sich in Luft auflösten. Es war warm und zwar diese Art von Wärme, die perfekt schien. Es würde nicht zu heiß oder zu kalt werden, egal was man tat. Während meine Augen noch geschlossen blieben, musste ich mich wohl oder übel auf meine anderen Sinne konzentrieren.

Ich lag mit dem Rücken gepresst gegen eine entblößte, muskulöse Brust und um meinen ebenfalls oberkörperfreien Torso lagen zwei kräftige Arme. Diese Position war so angenehm und jetzt wusste ich auch warum Menschen diese Art von Umarmung liebten.

Ich inhalierte den herben und wohligen Duft von meinem Freu-... Mitbewohner. Was dachte ich mir gerade? Aus dem Nichts wurde ich von Paul noch näher an sich gezogen und ich konnte das Erröten auf meinen Wangen nicht stoppen.

Konnte diese Funktion nicht einmal im Halbschlaf einfach stoppen? Diese Angewohnheit ging mir langsam aber sicher auf den Sack. Aber höchstwahrscheinlich schlief er noch, als ob er dieses Kuscheln jemals nüchtern und bei vollem Bewusstsein machen würde. Und als dieser Gedanke durch meinen Kopf ging, wurde mein Herz wieder schwer. Niemals würde und könnte mich dieser verwundete Soldat lieben.

„Nathan? Bist du wach?", flüsterte plötzlich die raue Morgenstimme von Paul hinter mir. Ich wusste nicht, ob ich bereit war, diesen schönen Moment zu zerstören. Oder eher zerstören lassen sollte. Nach kurzem Zögern nickte ich, ließ meine Augen dennoch geschlossen und regte mich nicht, zu groß war die Angst, alles kaputt zu machen.

Auch Paul verstummte wieder und ihm schien es nichts auszumachen, neben mir liegen zu bleiben. Im Gegenteil, er vergrub sein Gesicht in meine Halsbeuge und nahm einen tiefen Atemzug. Diese Aktion verursachte eine so starke Gänsehaut bei mir, die Paul natürlich bemerken musste. Ich spürte sein Grinsen an meiner bloßen Haut und auch ich konnte mir Lächeln nicht verkneifen. Es war komisch wie ein Körper auf einen anderen reagieren konnte.

Paul spielte weiterhin mit seinem Atem, was mir immer wieder vom Neuen aus Gänsehaut bescherte. Dieser Sadist wollte wohl meinen hochroten Kopf zum Platzen bringen. Ohne nachzudenken, löste ich mich leicht von ihm, rutschte näher zur Bettkante und sah unschlüssig in die Leere, da ich meinen nächsten Zug kalkulieren musste. Einige Sekunden später fühlte ich etwas Feuchtes und dann ein kleines Stechen an meiner Schulter.

„Ahh!". Geschockt schreckte ich auf und drehte mich zu der besagten Ursache. Paul lächelte mich nur frech an und dann erst realisierte ich, dass er mir wohl einen Knutschfleck verpasst hat. Ich kam mit der Aktion nicht wirklich klar und stammelte Sachen vor mich hin, in der Versuchung, einen normalen und verständlichen Satz herauszukriegen. Dabei bemerkte ich, wie Paul mich wieder richtig an sich zog und wir beide uns nun in die Augen sehen konnten. Augenblicklich verstummte ich.

Mit großen Augen und viel zu viel Hoffnung schaute ich ihn an. Wir kamen uns immer näher und mir durchfuhren in kurzen Zeitabständen mehrere Schauer über dem Rücken. Dabei entging mir nicht wie sein Blick öfters auf meine Lippen abschweifte, dort verharrte und er mein ganzes Gesicht musterte, bis seine Augen wieder den Weg zu meinen Augen fanden.

Doch ich war nicht besser, denn ich nahm jedes kleinste Detail seines Gesichtes auf, mit der Hoffnung, dass dieser Moment für immer hielt. Seine kleinen Stoppeln, die sich über Nacht an der Hautoberfläche versammelt haben, seine Sprengel in seinen schönen Augen oder der kleine Rotschimmer auf seinen definierten Wangenknochen.

Doch Paul gewährte mir diesen tollen Anblick nicht länger, denn anscheinend konnte er die langsame Geschwindigkeit, in welcher wir uns zueinander bewegten, nicht mehr aushalten. Somit drückte er seine leicht trockenen, vollen Lippen auf meine und lächelnd schlang ich meine Arme um seinen Nacken und erwiderte den Kuss mit mindestens genauso viel Leidenschaft. Ein Kribbeln machte sich in mir breit, dieser Kuss war mit Abstand der Schönste und hoffentlich würde dieser auch nicht der letzte sein. 




Die Ruhe vor dem Sturm.

- überarbeitet am 30.09.2021

Nathan |  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt