Die stärkere Beziehung

99 6 1
                                    

36

Die Wirkung der Drogen ist verflogen, ich habe auch kein Verlangen mehr nach ihnen. Ich habe ein Verlangen nach Steven, das ich nicht mehr unterdrücke.

Seitdem ich zugegeben habe, dass ich ihn liebe, kann ich es mir eingestehen. Ich habe es immer verdrängt, dass ich ihn will. Habe es nicht geglaubt. Habe mich in die Beziehung zu Conor geflüchtet, mit dem es viel zu schnell ging. Ich weiß eigentlich nichts von ihm.

Von Steven weiß ich alles. Er hat mir sogar mal erzählt um wie viel Uhr er immer aufs Klo geht und dass sein Pinkelrekord bei einer Minute und drei Sekunden liegt. Sowas würde ich von Conor nie wissen.

Wir scheißen auf die Sportstunden und bleiben in der Kabine sitzen. Wir küssen uns und reden sehr viel. Es ist trotzdem witzig, dass er nicht merkt, dass ich wieder abhängig bin. Er kennt mich so gut, da müsste ihm das eigentlich schon auffallen.

"Matty hat sich übrigens wahnsinnige Sorgen gemacht. Er hat die ganze Nacht auf dich gewartet. Er dachte, dass du dir etwas angetan hast."

"Oh Gott, wo ist er jetzt?"

Steven beruhigt mich, indem er mir sagt, dass er ihm schon Bescheid gesagt hat, dass ich in der Schule bin. Und dass er zuhause ist und jetzt schläft, da er nicht geschlafen hat.

"Wo warst du eigentlich diese Nacht?", fragt er mich, während er sich sein Tshirt wieder anzieht.

Fuck, ich brauch eine Ausrede. Wo war ich? Wo war ich?

"Äh. Auf dem Friedhof.", stottere ich.

Er nickt verstehend, anscheinend kauft er es mir ab.

"Ich hab dich nicht gesehen. Also wo warst du wirklich?"

Verdammt.

"Bei Dylan. Er hat mich abgelenkt.", fällt mir spontan ein. Das klingt glaubwürdiger.

"Habt ihr?"

Was? Drogen genommen? Oh Gott, er weiß, dass ich abhängig bin, er weiß es von Anfang an. Ich bin so eine schlechte Lügnerin.

Fragend gucke ich ihn an. Vielleicht kann ich noch irgendetwas retten.

"Na, mit einander geschlafen."

Hallelujah, Mutter Maria im Himmel. Da hab ich ja nochmal Glück gehabt.

"Achso, nein.", lache ich verlegen und bin einfach nur erleichtert.

Was wäre wohl los, wenn er wissen würde, dass ich wieder Drogen nehme? Definitiv würde er es Matty erzählen, der meiner Mutter. Sie würde wieder die Alte werden und mich schlagen und beleidigen. Und dann wäre ich wieder in der Entzugsklinik, aber diesmal ohne Patricia. Diesmal ganz alleine, und ich weiß das würde ich nicht überstehen.

"Worüber denkst du nach? Du siehst so angestrengt aus?", fragt er und legt seine Hand auf meinen Arm.

"Du bist total kalt.", fällt ihm auf und er gibt mir sofort seine Jacke.

Mir ist nicht kalt, kein bisschen. Mir ist ehrlich gesagt sogar sehr warm. Das kommt nur von den Drogen.

"Besser?"

Ich nicke und bedanke mich bei ihm und wir verweilen so. Einige Zeit sitzen wir einfach so da, bewegen uns nicht und sagen nichts. Danach küssen wir uns und dann herrscht wieder Stille.

Das Verlangen nach meinen Drogen wächst wieder. Die Pillen sind nur übergangsweise, ich will mein Crystal. Ich will dieses Gefühl erneut spüren. Ich brauche es einfach.

Es hat geklingelt, alle kommen vom Sportunterricht. Entweder hat es keinen interessiert, dass wir gefehlt haben oder es hat niemand bemerkt. Was auch immer.

Steven und ich laufen aus der Umkleide und begeben uns wieder ins Schulhaus. Er nimmt meine Hand, das ist seltsam. Es macht mich wirklich sehr glücklich und mir wird ganz warm, aber es ist ungewohnt. Vorallem komme ich erst aus einer Beziehung. Aber bin ich denn eigentlich mit Steven zusammen?

Er hat mir seine Liebe gestanden und ich ihm meine, aber das heißt noch lange nichts. Vorallem hat weder er noch ich gefragt. Naja, so wie bei Conor halt.

Conor tut mir leid, ich frage mich wie es ihm geht. Aber vielleicht ging es ihm beziehungstechnisch ähnlich wie mir. Vielleicht hat er sich die Gefühle auch nur eingeredet. Trotzdem werde ich ihn nicht mehr kontaktieren. Ich bin ein Arschloch für ihn, er hasst mich. Das würde alles verschlimmern.

Der Schultag ist schnell um, Steven kommt mit zu uns nachhause. Im Schulklo habe ich noch eine Pille eingeworfen, weshalb mir der Weg nachhause deutlich einfacher fällt.

Ich gehe in mein Zimmer, während Steven zu Matty geht und guckt ob er wach ist. Diese Gelegenheit nutze ich um Tony zu schreiben. Er antwortet sofort, dass wir uns treffen können. Mir ist klar, dass Steven mitkommen wollen würde, weshalb ich schnell nachdenken muss. Ich könnte einfach ganz schnell aus dem Haus rennen, aber das wäre im Nachhinein ziemlich unlogisch. Er würde mich damit konfrontieren und ich kann nicht sagen, dass ich schnell zu Dylan oder sonst wem gerannt bin, nur um mit ihm abzuhängen.

Also schreibe ich Tony, dass ich mich um 11 Uhr mit ihm treffen will. Da ist Steven dank der Schule schon weg und Matty sowieso in seinem Zimmer.

Gerade als ich das Handy wieder weglege, klopft es an meiner Türe.

Matty und Steven kommen rein. Seit dem Vorfall auf der Party klopfen sie, damit ich mich nicht erschrecke.

Schwach lächle ich die beiden an.

"Hey, Baby. Was ist denn mit dir los?", fragt Matty und setzt sich zu mir.

"Ich bin einfach kaputt.", murmle ich und drücke mich in das Kissen.

Ich habe Angst, dass Matty mir ansieht, dass ich auf Drogen bin. Auf LSD nicht mehr aber Crystal kann bis zu 48 Stunden wirken. Zwar bin ich nicht so drauf, wie anfangs, aber die Droge macht mir trotzdem immer noch zu schaffen.

"Jetzt, wo du mit deinem Seelenverwandten endlich zusammen bist, solltest du voller Elan sein und wie eine Verrückte rumspringen.", witzelt Matty und bringt mich zum Lachen.

Also hat Steven ihm wohl erzählt, dass wir zusammen sind.

Wow, dann ist es wohl offiziell. Ich bin mit Steven in einer festen Beziehung.

Jetzt muss ich nur entscheiden ob mir die Beziehung zu ihm oder zu den Drogen wichtiger ist.

CleanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt