10 - Zwischenfälle

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>> Mina Harker <<

Mein Herzschlag beschleunigte sich auf Turbo, während ich langsam und mit zugegeben ziemlich schlotternden Knien die dünne Leiter hinunterkletterte. Mit jeder Sprosse wuchs meine Aufregung, sodass ich unten angekommen kaum noch stehen konnte. Als ich mich dann umblickte, blieb mein Mund erstmal offen stehen.

Ich befand mich in einem perfekt erhaltenen, unterirdischen Gebäude, in dem man die Vergangenheit schon fast greifen konnte. Andächtig fuhr ich mit meinen Fingern über die rauen Steinwände, die sich scheinbar unendlich in die Dunkelheit erstreckten. Das war der Fund des Jahrhunderts!

Vlads schroffer Aufschrei riss mich aus meinen Träumereien. Irgendetwas hatte sich in ihm verändert, als er von dem Loch und dem unerwarteten Besucher erfahren hatte. Und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass er mehr darüber wusste, als er zugab.

Meine Begeisterung für den Fund rückte in den Hintergrund, als ich mich zu Vlad umdrehte. Jetzt sah ich ganz deutlich, dass sich etwas in ihm verändert hatte. Seine ganze Körpersprache wirkte gezwungen und seine Augen sprangen beinahe nervös hin und her, als würden sie das Gewölbe nach irgendetwas absuchen. Er schien irgendetwas zu erwarten.

"Vlad?", fragte ich vorsichtig. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, Nervosität, nein, Panik und Angst in seinen Augen zu sehen, aber der Eindruck verschwand so schnell wie er gekommen war.

"Ja Mina?", fragte er zurück. Ich lächelte ihn aufmunternd an. "Was ist denn los? Wir haben hier den Fund des Jahrhunderts gemacht und du siehst aus als würden wir bei irgendwas Schlimmen erwischt werden", antwortete ich. In seine Augen schlich sich ein klein wenig Schuldbewusstsein, dass er es vor mir nicht hatte verbergen können. Aber er gab es nicht zu.

"Unsinn. Ich bin einfach sehr überwältigt von allem und, ehrlich gesagt, auch ein wenig misstrauisch wegen des unerwarteten Besuchers...", erkläre er.

Ich war eine Millisekunde davon entfernt, die Stirn zu runzeln, konnte mich aber im letzten Moment bremsen, da ich das Gefühl hatte, dass Vlad nicht ehrlich war. Nein, eigentlich glaubte ich, dass er log. Die Preisfrage war jetzt natürlich, warum das so war.

Ich rang mich zu einem warmen Lächeln durch und legte ihm die Hand auf die Schulter. "Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, es wird schon nichts passieren. Und falls doch, dann bin ich ja da um auf dich aufzupassen", versicherte ich ihm lachend.

Da war es wieder. Dieses warme, liebevolle Lächeln und dieser beinahe undefinierbare Schimmer in seinen Augen, den ich, wüsste ich es nicht besser, als Liebe bezeichnen würde. Aber wusste ich es denn besser? Ich war einfach nur noch verwirrt. Unglaublich, was ein ehrliches Lächeln dieses Mannes mit mir machen konnte.

In mir meldeten sich gerade die Schuldgefühle. Fing ich etwa gerade an, mich in Vlad zu verlieben? Nein, das konnte nicht sein. Ich liebte Jonathan, mein Gegenstück, meine bessere Hälfte, mein Ehemann. Wenn ich an ihn dachte, wurde es mir warm ums Herz. Doch ich musste mir eingestehen, dass da auch etwas war, wenn ich an Vlad dachte. Ich konnte es nur noch nicht richtig fassen und beschreiben.

"Mina?"

Vlad riss mich aus meinen Gedanken. Gabriel und er standen mir gegenüber und schienen eine Antwort zu erwarten. "'Tschuldigung Jungs. Was habt ihr gesagt?", fragte ich. Die beiden wirkten noch besorgter als vorher. "Ich habe gefragt, ob es dir gut geht. Du bist furchtbar blass...", sagte Gabriel. "Und du scheinst sekündlich blasser zu werden", pflichtete Vlad ihm bei.

Ich schüttelte den Kopf und merkte dabei, wie sich alles etwas länger drehte, als es eigentlich sollte. "Nein, nein, mir geht's gut. Ich will nur endlich mit der Ausgrabung beginnen!", versuchte ich so selbstsicher und enthusiastisch wie möglich zu sagen. Gabriel schien überzeugt, Vlad hingegen blieb misstrauisch.

Man lebt nur zweimal [Dracula Untold FF]Where stories live. Discover now