3 - Die Reise

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>> Vlad Țepeș <<

Als ich in meiner Wohnung im obersten Stock angelangt war, ließ ich den Abend noch einmal Revue passieren. Ich war nichtsahnend mit einer guten Freundin Essen gegangen und als ich mich von ihr schließlich verabschiedete hatte ich plötzlich eine dreimonatige Reise vor mir. Ich musste zugeben, dass die Entscheidung vielleicht etwas übereilt war, aber... Als sie von ihrem großartigen Fund berichtete, konnte ich nicht einfach dabeisitzen. Sie hatten sie gefunden. Die Ruinen meines Lebens. Das letzte materielle, das noch von meiner Vergangenheit übrig geblieben war. Ich hätte nie gedacht, dass das einmal passieren würde. Ich sah die Burg nach Ingeras' Tod untergehen, sie brannte bis auf die Grundmauern nieder. Doch anscheinend war sie nicht restlos dem Erdboden gleich gemacht worden.

Allein der Gedanke daran, nach so vielen Jahren an meinen Geburtsort zurückzukehren, ließ mich erschaudern. Ich wusste nicht, ob es wegen des nach Hause kommens war, oder wegen der schrecklichen Erinnerungen, die ich mit diesem Ort verband. Erinnerungen....

Plötzlich fiel mir wieder der Traum mit Ingeras ein und ich holte den schweren Metallschlüssel aus seinem Versteck. Langsam drehte ich ihn hin und her, betrachtete ihn von allen Seiten. Womöglich ließ sich damit ja eine Tür in der Burg öffnen, die, wenn ich Glück hatte, noch existierte.

Nachdenklich hielt ich das antike Stück in meinen Händen und versank wieder ganz in der Erinnerung an Ingeras. Sein Leben als neuer Fürst, seine Familie, sein Tod. Jedes Mal zerriss etwas in mir, wenn ich daran dachte, dass ich meinen eigenen Sohn überlebt hatte. Kein Vater sollte das.

Nachdem ich gefühlte Ewigkeiten gedanklich in der Vergangenheit verharrt war, entschied ich mich, das Nötigste zu packen. Auch wenn ich meist nicht viel benötigte, würde es merkwürdig vorkommen, wenn ich nicht wenigstens einen Koffer mitnahm. Die moderne Zeit eben.

Den Schlüssel verwahrte ich sicher in einer kleinen verschlossenen Truhe und hängte mir deren Schlüssel mit einem Lederband um den Hals. Seit langem hatte ich wieder ein Ziel. Das war ein überaus gutes Gefühl.

Als ich das Geheimfach in meinem Kleiderschrank wieder schließen wollte, fiel mein Blick wie so oft auf das vergriffene alte Buch, das neben meinem Ehering verstaut war. Vorsichtig nahm ich es in die Hände und schlug die erste Seite auf. Es war ein Tagebuch, das mir Mirena einst geschenkt hatte. Sie sagte, dass ich darin alles aufschreiben solle, was mir Kummer bereitete. Und mit ihm solle ich den Kummer vergessen und irgendwohin packen, wo er mich nicht erreichen konnte. Ich lächelte traurig bei dem Gedanken an sie.

Ich hatte aufgehört, neue Eintragungen zu machen, bis auf eine jedes Jahr. An Mirenas Todestag. Jedes Jahr reiste ich für einige Tage nach Rumänien, um ihr Grab zu besuchen. Mittlerweile war ein Rosenhügel daraus geworden, seitdem die Blumen, die ich ihr einst mitbrachte, Wurzeln geschlagen und sich verbreitet hatten. Das kleine Dorf in der Nähe nennt diesen Ort "Garten der Liebe". Ich sah dort oft Liebespaare sitzen, die sich ewige Versprechen gaben. An der Stelle, an der ich meine große Liebe für immer verloren hatte.

Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken an den Verlust zu vertreiben. Jetzt war nicht die Zeit zum Trübsal blasen. Morgen würde ich nach Hause kommen. Mit Mina. Drei ganze Monate, in denen ich täglich ihr Gesicht sehen, ihre Stimme hören konnte. Allein das machte die Reise zu etwas ganz besonderem.

Nach langem hin und her beschloss ich schließlich, das Buch ebenfalls mitzunehmen, da Mirenas Todestag in den drei Monaten lag. Ich packte ein paar vorwiegend schwarze Kleidungsstücke in meinen schwarzen Koffer. Ja, irgendwie hatte ich es mit schwarz. Außerdem kramte aus in den Katakomben meiner Abstellkammer ein Zelt hervor, das ich in einen Seemannssack stopfte. Ich wusste nicht, ob ich es brauchen würe, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es noch wichtig werden könnte. Dennoch hatte ich mir auch ein Zimmer in einer kleinen Pension im nächsten Ort bestellt. Ich wollte keinen falschen Eindruck hinterlassen.

Schließlich erachtete ich meine Sachen als komplett und ließ mich ins Bett fallen. Der morgige Tag würde meinem Leben wieder etwas Schwung verleihen. Und das erste Mal seit Wochen schlief ich tief und fest.

~*~

Am nächsten Morgen wurde ich vom überaus lauten Klingeln meines Weckers aus dem Schlaf gerissen. Widerwillig schaltete ich das Gerät ab und stand auf. Ich war in der Nacht noch einmal rausgegangen um mich etwas zu stärken, da die Reise, die vor mir lag, sicherlich lang und anstrengend werden würde. Als ich jetzt in den Spiegel sah erblickte ich einen gesund aussehenden, frisch ausgeschlafenen jungen Mann. Es war einfach unglaublich, wie mein Körper auf meine Nahrung reagierte.

Ich wandte mich ab und suchte mir meine Klamotten zusammen. Da ich heute nicht viel mehr vor mir hatte, als einen ungefähr vierstündigen Flug, wählte ich eine schwarze Hose mit einem lockeren, hellblauen Jeanshemd und schlüpfte in ein paar gemütliche Turnschuhe. Ich fuhr mir mit einer Bürste durch die schwarzen Haare und entschied, sie in einem kleinen Pferdeschwanz zusammenzubinden.

Langsam trat ich ins Wohnzimmer und öffnete meine Vorhänge einen Spalt, gerade so, dass ein kleiner Strahl Sonnenlicht auf den Fußboden fiel. Ich schloss die Augen, sammelte meine Konzentration und zwang den gnadenlosen Winterhimmel durch pure Willenskraft sein schmerzhaftes Sonnenlicht hinter dicken Wolken zu verbergen. Als ich die Augen wieder öffnete war aus dem Sonnenstrahl nur ein leichter Lichtschein geworden und ich konnte problemlos hineintreten. Zufrieden mit meinem Werk sammelte ich meine Sachen zusammen, verriegelte die Tür hinter mir und machte mich auf den Weg zum Flughafen.

~*~

Nachdem ich mich durch einen Stau in der verstopften Londoner Innenstadt gekämpft hatte, kam ich etwa 15 Minuten zu spät. Schnellen Schrittes eilte ich einer großen Glastür entgegen, hinter der das geräuschvolle Treiben des Flughafens erschien. Ich orietierte mich kurz an der großen digitalen Anzeigetafel, bis ich meinen Flug gefunden hatte. Zielstrebig ging ich auf das gezeigte Terminal zu.

Auf halbem Weg hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Ich drehte mich um und sah Mina, die schwer bepackt auf mich zukam. Ich lächelte ihr entgegen. "Mina! Schön dich zu sehen!", rief ich ihr zu. Sie kam ein wenig außer Atem bei mir an und stellte zwei ihrer Taschen ab. "Hi. Wir sind leider in einen Stau geraten. Ich hatte schon gedacht, wir würden es nicht mehr schaffen", sagte sie während ihr Atem wieder ruhiger wurde. "Ich hatte das gleiche Vergnügen", antwortete ich.

Hinter ihr tauchte plötzlich ein großer junger Mann mit kurzen braunen Haaren auf. "Ah, richtig! Vlad, das ist Jonathan, mein Mann. Jonathan, das ist Vlad.", klärte sie uns auf. Meine Miene verhärtete sich, doch ich verbarg es so gut es ging. Er streckte mir seine große Hand entgegen. "Schön sie endlich kennzulernen, Mr Stan.", sagte Jonathan. Ich nahm seine Hand. "Ebenfalls. Aber bitte, ich bin Vlad.", antwortete ich. Er lächelte. "Jonathan."

Zu dritt gingen wir nun zum Terminal und checkten ein. Mina und ich hatten Plätze nebeneinander, sehr zum Missfallen Jonathans. Er sagte nichts, aber man sah ihm seinen Unmut nur allzu deutlich an. Als Mina gerade ihre Kollegen begrüßte, nahm ich Jonathan beiseite.

"Jonathan, ich kann ihnen versichern, dass ich keinerlei Interesse an Mina habe. Ihre Sorge ist unbegründet.", sagte ich ernst. Er schien überrascht. "Woher wussten sie...?", fragte er verwirrt. Ich lächelte. "Bitte. Das ist offensichtlich. Aber machen sie sich keine Sorgen. Mina liebt sie und das wird auch immer so bleiben", versicherte ich ihm. Er schien sichtlich erleichtert. "Danke, Vlad. Ich weiß das zu schätzen."

Mit einem Kopfnicken wandte ich mich ab und wurde in dem Augenblick von Mina zu ihren Kollegen entführt. Sie strahlte übers ganze Gesicht. "Also Leute, das ist Vlad.", stellte sie mich vor. Ich lächelte freundlich und rief ein "Hallo" in die Runde. Sie erwiederten meinen Gruß und stellten sich vor. Alex, Gabriel, Tina und Nancy reichten mir nacheinander die Hand. Sie schienen alle sehr sympathisch. Zunächst überflutete mich eine Welle von Dank, dass ich die ganze Aktion als Sponsor unterstützte, bevor unser Flug aufgerufen wurde. Alle wandten sich zum Gehen, Mina küsste Jonathan noch einmal und folgte mir dann zum Flugzeug.

Eine vielversprechende Reise erwartete uns.

Man lebt nur zweimal [Dracula Untold FF]जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें