7 - Es werde Nacht

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>> Vlad Țepeș <<

Mittlerweile hatte sich tiefste Nacht wie eine Decke über das gesamte Land gelegt und ich genoss jede Sekunde davon. Ich schloss die Augen und ließ atmete ein paar Mal tief ein und aus. Dieser Tag war sehr schwer für mich gewesen. Ich wurde mit so vielen Erinnerung konfrontiert, die ich glaubte, längst vergessen oder verdrängt zu haben, dass ich kaum noch zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden konnte. Jetzt, da die anderen weg waren, konnte ich durchatmen und meine Gedanken auf Reisen gehen lassen.

Vor wenigen Minuten war Mina gegangen und hatte mich allein und verdutzt in der Dunkelheit zurückgelassen. Ihre letzten Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.

"Es ähm...war wirklich schön mit dir. Danke."

Das hatte sie gesagt. Und war danach verschwunden. Für einen kurzen Augenblick stand ich einfach nur wie angewurzelt da, unfähig, mich zu bewegen. Mein Herz hatte einen Gang hochgeschaltet und ich konnte nicht anders als über mich selbst zu lachen. Nach fünfhundert Jahren, einer Hochzeit und einem gemeinsamen Sohn machte sie mehr oder weniger immer noch einen kleinen, schüchternen, verliebten Jungen aus mir.

Als sich meine Gefühle wieder beruhigt hatten, spürte ich ihn zum ersten Mal seit unserer Ankunft wieder. Den Durst. Das nagende Gefühl, das sich im Hals und in der Magengegend ausbreitete. Es war schon viel zu lange her, dass ich Blut zu mir genommen hatte. Es wunderte mich, dass ich es so lange in der Gegenwart anderer Menschen hatte unterdrücken können.

Bedrohlich wuchs meine Gier nach dem roten Lebenssaft und ich musste ein paar Mal tief durchatmen, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Als ich die Augen schloss und wieder öffnete, sah ich jedes schlagende Herz, jede Ader, durch die Blut gepumpt wurde; die Bewohner des Dorfes stimmten wie zu einem Unheil verkündenden Orchester schlagender Herzen und rauschenden Blutes ein. Ein tiefes Knurren entwich meiner Kehle und ich hatte ernsthafte Schwierigkeiten, meine animalische Seite im Zaum zu halten. Ein letztes Mal atmete ich tief durch, dann zerstob ich in hunderte Fledermäuse.

~*~

In meiner jetzigen Form näherte ich mich schnell dem Wald, der mir so vertraut war. Hier war es geschehen. Hier war ich das erste Mal mit meinem neuen Dasein konfrontiert. Ich überflog einen Bach. Hier war ich damals aufgewacht. Schließlich sammelten sich die Teile meiner Selbst am Boden und setzten sich wieder zu meinem Körper zusammen. Schwarze Flügel wichen schwarzem Haar und schwarzer Kleidung. Für einen Moment schloss ich meine Augen und ließ meine Umgebung auf mich wirken. Tief sog ich den Duft des Waldes ein, der die ihm so eigene und mir vertraute Note noch immer nicht verloren hatte. Die Natur war hier so unberührt wie noch vor über 500 Jahren und ich lief Gefahr, mich in der Vergangenheit und meinen Erinnerungen zu verlieren.

Meine Augen immer noch geschlossen konzentrierte ich mich auf die Geräusche, die an meine Ohren mit dem übermenschlichen Gehör drangen. Eine Eule rief ihre geheimnisvolle Botschaft durch die Äste, ein Marder schlich durchs Unterholz und das Wasser des Baches plätscherte leise vor sich hin.

Etwas ließ mich aufhorchen. Ein schlagendes Herz, ganz in meiner Nähe. Ein Reh, das sich auf Nahrungssuche gemacht hatte. Das Rauschen seines Blutes. Der Durst. Das Tier in mir erwachte und drängte sich an die Oberfläche, übernahm nach und nach die Kontrolle über meinen Körper. Doch ich hatte gelernt, es zu kontrollieren, und so behielt stets mein Verstand die Oberhand und ließ das Monster in mir nicht gewinnen.

Lautlos pirschte ich mich an das Tier heran, bis ich, immer noch unentdeckt, nur wenige Meter von ihm entfernt stehen blieb. Es kostete mich einiges an Selbstkontrolle, mich nicht sofort auf das Reh zu stürzen und es in der Luft zu zerreißen.
Noch einmal atmete ich tief durch, dann war ich mit zwei blitzschnellen Sätzen an das Tier herangesprungen und schlug im selben Moment meine Zähne in dessen Fleisch. Warmes Blut sammelte sich in meinem Mund und entlockte mir ein unterschwelliges Knurren. Mit jedem Tropfen, der meine Kehle hinabrann, spürte ich, wie neue Energie und Kraft meinen Körper durchströmte.

Man lebt nur zweimal [Dracula Untold FF]Where stories live. Discover now