"Es war... Mord?" Ich bekomme das Wort beinahe nicht über die Lippen. Er nickt in Abwesenheit und ich presse meine Lippen zusammen. Seine Schwester wurde ermordet. Damiens Schwester wurde auf der Straße ermordet. Wie konnte das bloß passieren? Die gemischten Gefühle aus Wut, Verzweiflung, Mitleid und Trauer schnüren mir die Luft ab. Was soll ich bloß machen? Meine Fingernägel vergraben sich in dem weichen Stoff von Rosas Schlafanzug. Ich muss doch irgendetwas tun können! Ich möchte etwas sagen, aber ich wüsste nicht was. Alles würde sich komplett bescheuert anhören. Egal, was ich sage. Ich starre den Glastisch an, als könnte er mir vielleicht irgendwann verraten, was ich machen kann, dass die Situation nicht aus den Fugen gerät oder ich Damiens Gefühle verletze. Egal, wie sehr er mir in der Vergangenheit weh getan hat, so bin ich nicht. Ich muss nur die richtigen Worte finden. Denk' nach Birdie, denk' verdammt noch mal nach!

  "Damals, als ich den Jogger dafür beauftragt hatte, dir das Geld in den Pappbecher zu legen und dir eine neue dunkelrote Decke mit meinem Geld zu kaufen, war es ein trauriger Versuch, mich von der Tatsache abzulenken, dass diese Dinge auf dieser Welt nun mal passieren. Dass diese Welt grausam sein kann. Ich hatte versucht zu helfen. Ich hatte versucht, die Welt ein kleines Stückchen besser zu machen, indem ich dir helfe." Ich wusste es. Ich wusste, dass es Damien war. Ich hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, ihn aber immer wieder verworfen. Ich würde mich am liebsten dafür bei ihm bedanken, aber ich möchte ihn unbedingt ausreden lassen. "Aber es kommt nicht drauf an, ob ich dein Held bin oder nicht. Denn es wird mich bis zur letzten Sekunde meines Lebens verfolgen, dass ich nicht ihr Held sein konnte." Ich muss abermals schlucken, als die Tränen damit drohen, mir aus den Augen zu rinnen. "Verstehst du, Birdie, egal was ich mache, ich werde mir immer die Schuld an ihrem Tod geben." Ich spüre die heiße Träne über meine Wange kullern. Doch dann ist er wieder still. Atmet tief ein und aus und starrt weiterhin aus dem Fenster. "Aber als ich gehört habe, dass der Typ gefunden wurde, der meiner Schwester das Leben genommen hat...da, da wurde mir bewusst, dass nicht ich allein daran Schuld bin, was ihr zugestoßen ist. Dieser Typ verdient es, sich so zu fühlen, wie ich es mein Leben lang tun werde. Er verdient es zu leiden. So wie ich." Meine Wangen werden von salzigen Tränen überflutet. Ich kann sie nicht zurück halten. Ich kann diese Worte, dieses Geständnis nicht aus seinem Mund hören. Mein Herz blutet. "Aber werde ich mich jemals besser fühlen? Selbst wenn er dasselbe durchleben würde, wie ich? Ginge es mir besser? Sag es mir, Birdie, ginge es mir jemals besser?" Er wendet sich mir zu und als er sieht, in welcher Gefühlslage ich mich gerade befinde, ist er sofort wieder still und schaut mich mit einem blanken Gesichtsausdruck an, als würde er einen Geist betrachten. Dann kommt er ins Stottern, als würden auch ihm gerade tausend Gedanken durch den Kopf gehen. "I-Ich, nein, es tut mir leid.", stottert er verzweifelt und fährt sich wieder mit der Hand durch die Haare. Seine Augen sind blutunterlaufen und ich befürchte, dass die verwirrenden Gefühle ihn besiegen werden. Er kann sich nicht ewig dagegen wehren. Denn ich habe es mit eigenen Augen gesehen. 

  "Damien, ich würde dir gerne helfen können, aber...", fange ich an, aber höre mitten im Satz auf. 

   Damien sieht mich einfach nur an und ich spüre, wie sich mein Magen zusammenzieht. So als hätte ich tagelang nichts richtiges zu Essen gehabt. Aber es ist nicht dasselbe Gefühl. Es ist nicht dasselbe. Ich sehe ihn an und sofort pocht mein Herz wie wild. Er öffnet sich mir und sofort fängt mein Herz an zu bluten. Er lässt mich fallen und mein Herz zerbricht. Er löst so viel in mir aus. So viel Gutes, so viel Böses. 

  "Alles.", haucht Damien, der mir nun so nahe kommt, dass sein Atem über meine Wangen fächert. Er trocknet die Tränen, die er ausgelöst hat. Wie kann ich ihm bloß helfen? Ich schaue zu ihm auf. Wie sehr habe ich dieses einmalige Gesicht vermisst. "Alles tut mir so unfassbar leid." Mit diesen Worten ist er mir nun so nahe, dass unsere Nasenspitzen sich berühren. Ich schließe meine Augen. "Ich hätte dich niemals gehen lassen sollen, Birdie." Mir entwischt eine weitere Träne. Ich erinnere mich an den tiefen Schmerz, den er vor wenigen Wochen in mir ausgelöst hatte. Damien hat mir das Herz gebrochen. "Niemals." Dann öffne ich meine Augen und weiche zurück. Er hat mir gerade erst vom Mörder seiner Schwester erzählt und dass nichts auf der Welt ihn von seinem Schmerz befreien könne und jetzt sagt er mir, dass er mich niemals hätte gehen lassen sollen?  Ich werde aus ihm nicht schlau. Verdammt, ich werde aus mir nicht schlau. Als ich seinen schmerzerfüllten Gesichtsausdruck durch meine eigenen Tränen hindurch erkennen kann, meldet sich abermals mein armes Herz. Ich sollte auf mein Herz hören, nicht wahr? Das soll man doch, oder nicht? "Ich habe es wegen meiner Mutter getan.", würgt Damien hervor und ich lenke meinen Blick auf meine verkrampfte Hand, dessen Knöchel sich weiß gefärbt haben.

The Rain Upon Us (Damien & Birdie - Trilogie #2)حيث تعيش القصص. اكتشف الآن