In Millionen und Abermillionen kleine Teile

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Die Tage nach der Feier vergingen wie immer, bis Mitch mich eines Tages mittags anrief und zum Abendessen einlud. Die Einladung nahm ich natürlich an, ich freute mich darauf einen Abend mit ihm zu verbringen. Schnell klärte ich alles mit Cathy ab, die mehr als einverstanden war und ging dann weiter Richtung Kindergarten, in dem ich Finn jetzt abholen würde. Wir verbrachten einen Nachmittag draußen mit Fußball spielen, bis Cathy nach Hause kam und mich unter die Dusche schickte. Während ich mir die Haare wusch, kam es mir so vor als hätte ich meine Schlafzimmertüre zuschlagen gehört, aber auf mein, "Hallo?", reagierte niemand, daher tat ich das einfach ab, duschte fertig und machte meine Haare dann schnell. Make-Up legte ich mittlerweile halbwegs gekonnt auf, bevor ich in Unterwäsche nach draußen ging, um mir etwas zum Anziehen rauszusuchen. Verwirrt sah ich das schwarze Kleid an, dass an meiner Schranktür hing. "Cathy?", rief ich fragend. "Anziehen und zwar schnell! Schuhe und Tasche stehen am Schreibtisch. Mitch ist übrigens bereits hier, vielleicht solltest du dich beeilen.", schrie diese zurück und ich schüttelte den Kopf.

Konnten wir nicht einfach mal in Jeans und Shirt essen gehen? Oder zuhause kochen? Seufzend zog ich das mehr als enge Kleid an, schlüpfte in die Schuhe, packte die Tasche und eilte mehr schlecht als recht auf den Hacken nach unten. "Hey Babe.", zwinkerte Mitch und küsste mich kurz, bevor wir uns verabschiedeten und in sein Auto stiegen, mit dem er uns zum Restaurant kutschierte, das mehr als exklusiv zu sein schien, wenn man die Preise auf der Karte las. "Wow. Womit habe ich denn das verdient?", fragte ich und sah mich genau um. "Äh... Also...", stotterte Mitch und war mehr als erleichtert als der Kellner kam, um unsere Bestellung aufzunehmen. Etwas misstrauisch sah ich Mitch an. Warum waren wir hier? Und wieso war er s nervös geworden bei meiner Frage? Er schien zu bemerken, dass ich misstrauisch war und plapperte über alles Mögliche, nur um mich abzulenken, was ich mir von Vor- über Hauptspeise gefallen ließ, aber beim Dessert platzte ich beinahe vor Angst, dass es etwas Schlimmes sein würde.

"Würdest du mir jetzt BITTE sagen, warum wir heute hier sind? Ich weiß du gehst gerne gut essen, aber das hier sprengt jeglichen normalen Rahmen, also?", meinte ich und sah ihn bittend an. Er räusperte sich, bevor er einige Male durchatmete, nickte und anfing zu sprechen," Ich bin heute mit dir hierhergekommen..." Geschockt riss ich die Augen auf. Er würde mir doch jetzt keinen Heiratsantrag machen, oder? "... weil ich seit ein paar Tagen in Kontakt mit meinem Manager stehe und wir uns darüber unterhalten haben, wie meine Karriere wohl weitergehen soll. Weißt du, als ich hierherkam, war ich mir sicher, dass Dortmund der beste Schritt für mich wäre und der Meinung bin ich immer noch. Ich bin mir aber nicht mehr sicher ob er jetzt noch richtig ist und ob es nicht Zeit wäre, den nächsten Schritt zu tun." Abwartend sah er mich an. "Bist du denn nicht glücklich hier?", fragte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen. Er seufzte, "Nein, nicht mehr." Ich riss erneut die Augen auf, geschockt, traurig und verletzt über diese Aussage. Ihm schien jetzt erst bewusst zu werden, was er gerade gesagt hatte, weshalb er beschwichtigend die Arme hoch und meinte, "So wollte ich das nicht ausdrücken. Es liegt nicht an dir oder unserer Beziehung, gerade die hat die letzten Monate erträglich für mich gemacht! Es liegt viel mehr daran, dass ich im Verein nicht genügend gewürdigt werde. Roman wird mir immer vorgezogen, ich bekomme keine wirkliche Chance mich zu beweisen und wenn ich doch mal spielen darf, dann mache ich sowieso alles schlechter als Roman, weil ich im Gegensatz zu ihm, keine Spielpraxis habe. Ich glaube einfach nicht mehr daran, mich hier wirklich durchsetzen zu können." Abwartend sah ich ihn an, bevor ich mich räusperte, "Ich entnehme deinen Schilderungen, dass du entweder aufhören willst, was ich wegen deinem Alter ausschließen kann oder dass du den Verein wechseln möchtest." Er nickte zustimmend, "Genau, deswegen habe ich dich heute hierher eingeladen. Ich wollte mit dir etwas besprechen. Mein Manager und ich haben wegen dieses Wechsel unsere Fühler ausgestreckt und sind fündig geworden. Der Vfb Stuttgart wäre mehr als erfreut mich verpflichten zu dürfen, wir sind in den Verhandlungen mit beiden Vereinen, also Dortmund und Stuttgart und es sieht recht gut aus, dass ein Wechsel zustande kommen wird..." "Und jetzt?" "Jetzt wollte ich dich nach deiner Meinung fragen.", lächelte er.

Ich schüttelte den Kopf, missbilligend die Augenbrauen zusammengezogen. "Ich denke nicht, dass du die hören willst.", murmelte ich. "Natürlich! Wieso sollte ich sie nicht hören wollen?", erwiderte er, überrascht von meiner Antwort. "Weil du sie erst einholst, nachdem du mit allen anderen darüber gesprochen hast und sicher bist, dass der Deal zustande kommt. Hätte es dich wirklich interessiert was ich denke, hätten wir, bevor du Dortmund deinen Wechselwunsch mitgeteilt und deine Fühler nach einem neuen Verein ausgestreckt hast, darüber geredet.", meinte ich, meine Stimme leise und brüchig. Ich fühlte mich verletzt, als wäre ich und unsere Beziehung ihm gar nichts wert. "Du willst mir also sagen, du bist nicht einverstanden damit, dass ich wechsle?", fragte er, seine Stimme zitterte durch die unterdrückte Wut. "Das habe ich nicht gesagt, mit keinem Wort. Ich kann dich natürlich verstehen, dass du diesen Schritt in Erwägung ziehst, aber du hast mir nichts davon erzählt, bis alles unter Dach und Fach war, also ist es dir egal ob ich für oder gegen einen Wechsel bin.", schnauzte ich, genervt davon dass er wütend geworden war. "Ich wollte dich eigentlich heute fragen ob du mit mir nach Stuttgart kommst.", knurrte er und schien immer wütender zu werden. "Und was hast du erwartet, dass ich tue? Soll ich jubeln und ja schreien, weil du einfach alleine meine beziehungsweise unsere Zukunft bestimmt hast? Ich habe mein Leben hier aufgebaut!", erwiderte ich und konnte vor Wut,, Trauer und Verletzlichkeit,  die Tränen nur noch schwer wegblinzeln. "Ich dachte ja, du freust dich darüber, dass ich möchte dass du mitkommst nach Stuttgart.", schnauzte er. "Natürlich freue ich mich darüber, wenn jemand alle meine Entscheidungen für mich trifft!", rief ich, wobei meine Stimme vor Sarkasmus nur so überschäumte. Bevor er erneut etwas erwidern konnte, schnappte ich meine Tasche, stand auf und schnauzte, "Ich fahre jetzt nach Hause. Danke, für das furchtbare Abendessen."

Er kam mir nicht nach, als ich das Restaurant verließ, wobei ich beschloss zu laufen, nach Hause war es ohnehin nur eine halbe Stunde. Wütend riss ich mir die High Heels von den Füßen, während mir die Tränen, die ich im Restaurant noch zurückgehalten hatte, über das Gesicht liefen. Wie konnte er nur ernsthaft glauben, dass ich nach dieser Aktion auch nur überlegen würde mit ihm nach Stuttgart zu gehen? Und welches Recht hatte er auf mich wütend zu sein? Niemals hätte ich gedacht, dass Mitch so etwas tun würde. Keine einzige Sekunde hatte er darüber nachgedacht, dass ich hier ein neues Leben aufgebaut hatte. Keinen Moment hatte er überlegt, dass es mir das Herz brechen würde meine Freunde und vor allem Finn hier zurückzulassen, wenn ich mit ihm ging. Keinen Wimpernschlag war es ihm in den Sinn gekommen, dass es nicht mein Lebensziel war, eine Spielerfrau zu werden. Ich wollte meinen Traum verfolgen und hier konnte ich das. Schöner als mein Leben hier war, hätte ich es mir niemals erträumen können. Ich schluchzte auf und sog lautstark Luft in meine Lungen, wobei ich ein erbärmliches Geräusch von mir gab. Da sich alles verkrampft hatte, spürte ich ein leichtes Stechen in der Brust, während ich atmete. Es fühlte sich so an, als wäre mein Innerstes zersprungen. In Millionen und Abermillionen kleine Teile. Es fühlte sich so an, als würde es auf der gesamten Welt nicht genug Klebstoff geben, um alle Teile wieder zusammen zu kleben.

Ohne daran zu denken wie ich gleich aussehen würde, wischte ich mir mit dem Handrücken übers Gesicht, um meine Sicht etwas zu verbessern, indem ich die Tränen wegwischte, aber da war es schon zu spät, denn die Glasscherben am Boden hatte ich nicht mehr gesehen, weshalb ich direkt hineinstieg. "Fuck.", fluchte ich und fasste mir schluchzend an den Fuß. Konnte dieser Abend denn noch schlimmer werden? Auch wenn es nur oberflächliche Wunden waren, blutete es doch ziemlich heftig und jeder Schritt brannte. Obwohl es schon verdammt spät war, holte ich mein Handy heraus und wollte Cathy anrufen. Schluchzend wählte ich, als neben mir ein Auto rechts ranfuhr. Mein Herz klopfte stark, ich hatte Angst. Der Motor wurde abgestellt und mein Herz klopfte noch schneller. Mein Puls raste so sehr, ich hatte Angst er würde explodieren. In meinen Ohren dröhnte mein rasender Herschlag, als wäre ich auf einem Heavy Metal Konzert. Wie sollte ich mit meinem geschundenen Fuß wegkommen? Die Fahrertür wurde geöffnet und ein Mann stieg aus. Meine Augen, die sich erneut mit Tränen gefüllt hatten, ließen meine Sicht erneut verschwimmen, weshalb ich mir über die Augen rieb, denen ich kaum glauben konnte. "Alles ok?", fragte der Mann und kam langsam auf mich zu. "Sehe ich denn so aus, als wäre alles ok?", schluchzte ich. "Um ehrlich zu sein, siehst du erbärmlich aus.", erwiderte er und stand nun vor mir.

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