Kapitel 9.

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Das Klingeln an der Tür entließ mich aus dem langweiligen lernen. Ich machte die Tür auf und blickte in die grauen Augen meines Bruders.

"Hi, komm rein" sagte ich lächelnd.

"Hey" entgegnete er und trat in die Wohnung ein. Seine Jacke hing er an die Gadarobe und seine Schuhe stellte er, im Gegensatz zu mir, ins Schuhregal.

"Lass uns ins Wohnzimmer gehen" schlug ich vor. Er nickte und folgte mir in den besagten Raum. Er setzte sich auf die cremeweiße Couch.

"Willst du was trinken?" fragte ich ihn.

"Ja gerne"

"Und was?" fragend sah ich den Älteren an.

"Ähm...was habt ihr denn?" er strich kurz mit seiner Hand über seinen Nacken.

"Komm mit" sagte ich lächelnd und deutete ihm mir in die Küche zu folgen. Ich präsentierte ihm unsere winzige Auswahl an Getränken. Eine Weile sah er mich unentschlossen an, ehe er sich für das Sprudelwasser entschied. Wir setzten uns wieder ins Wohnzimmer. Für kurze Zeit schwiegen wir uns an. "Du hast dich lange nicht gemeldet" begann ich, nach dem ich einen Schluck Wasser getrunken hatte. Leon stellte sein Wasserglas auf dem Tisch vor sich ab und lehnte sich zurück.

"Ich hatte viel zu tun" gab er von sich Preis.

"Das hast du immer" murmelte ich leicht Enttäuscht. Tatsächlich war die Stimmung alles andere als ausgelassen. Normalerweise konnten wir gut miteinander reden, doch jetzt war etwas da, dass uns davon abhielt.

"Hat Angelika auch versucht dich zu erreichen?" fragte der Ältere. Leon hatte meine...Mutter nie als seine eigene angesehen. Ihm wäre niemals im Leben das Wort Mutter über die Lippen gerutscht, zumindest nicht wenn es sich um Angelika handelte. Er konnte sie nie leiden und es wurde definitiv nicht besser, als unser Vater uns verließ. Beide gaben wir ihr die Schuld daran.

"Ja. Sie hat sogar per Festnetz angerufen hat Alex gesagt. Es hätte...hätte irgendetwas mit Dad zu tun" erklärte ich und trank einen weiteren Schluck Wasser. "Weißt du genaueres?"

"Nein, nicht wirklich. Sie will sie mit uns treffen, mehr sagte sie mir nicht." er musterte mich genau. Leon achtete schon immer auf die Körpersprache anderer Leute. Früher hatte ich ihm immer wieder versucht einzureden Psychologie oder etwas in der Richtung zu studieren, aber Leon war nie der Typ der sich für's lernen interessierte. Er jobbte ab und zu mal in einer Bar, einem Kaffee oder sonst wo.

"Ist das denn der Grund, weshalb du mich sehen wolltest?" ich zog eine Augenbraue nach oben. Er seufzte und schüttelte den Kopf.

"Ist es einem Mann heutzutage nicht mehr gestattet seine kleine Schwester zu besuchen?" schmunzelte er.

"Doch, doch ich dachte nur...naja egal" ich schob mir eine meiner kurzen Haarsträhnen hinters Ohr.

"Emilia?"

"Hmm?"

"W-woher kennst du eigentlich Yasmin" unsicher sah er mich an.

"Warum wusste ich das diese Frage noch kommen würde?" ich lehnte mich im Sessel zurück und schloss die Augen.

"Ihr...ihr seid doch nicht zusammen, oder?"

"Was?! Nein!" schlagartig riss ich die Augen auf. Nein, Leon, zusammen sind wir nicht. Leider nicht. "Wir...wir sind...Freunde. Mehr nicht. Ich hab sie zufällig in der Stadt getroffen" erklärte ich. Er nickte.

"Hast du Gefühle für sie?" fragte er. Seufzend erhob ich mich. Ich könnte nein sagen, aber damit würde ich nur mich und gleichzeitig ihn belügen. Ein Schmunzeln machte, sich bei den Gedanken an unsere gemeinsame Zeit auf meinem Gesicht, breit. Ich dachte an unsere erste Begegnung, an die Party, an gestern. Einfach an alles, wobei es noch nicht so viele Treffen gab. "Emilia?"

"Müssen wir über das Thema reden?" ich starrte aus dem Fenster nach draußen.

"Nein, aber w-" ich unterbrach ihn.

"Gut. Also wie sieht's aus? Hast du endlich 'nen richtigen Job oder dich zum studieren entschlossen?" wechselte ich das Thema. Er seufzte.

"Momentan arbeite ich bei einer Tankstelle" sagte er und sah mich an.

"Bei einer Tankstelle? Ist das echt das, was du mit deinem Leben anfangen willst?" leicht entsetzt sah ich ihn an. Ich hatte gehofft, dass ihn endlich die Vernunft packte und er versuchte in seinem Leben voran zu kommen.

"Ja, natürlich, das Lieblingskind ist entsetzt, weil ihr großer Bruder kein tolles Vorbild ist und er nur jeden entäuscht." er macht einen gespielten Schmollmund. Genervt rollte ich mit den Augen.

"Ich bin nicht das Lieblingskind" grummelte ich.

"Natürlich bist du das. Dad mochte dich immer mehr als mich und Angelika sowie so. Sogar unsere und meine Großeltern mochten dich mehr als mich."

"Das stimmt doch gar nicht. Deine Großeltern haben mich immer gehasst, weil ich das Kind des Mannes bin, der ihrer Tochter das Herz gebrochen hat. Jedes Mal, wenn Dad uns zu ihnen gebracht hat, weil sie auf uns aufpassen mussten, hat deine Oma mich angeguckt, als würde sie mich jeden Moment umbringen wollen." erlärte ich ihm. Ein kleines Schmunzeln machte sich auf seinen Lippen breit. "Findest du das etwas lustig? Ich hatte damals eine riesen Angst vor dieser Frau" ich konnte mir ein leichtes Lachen nicht verkneifen.

"Ja gut, ich muss zugeben, sie hat dich echt nicht gemocht. Aber Opa war immer fasziniert von dir. Weißt du noch, als er zu dir sagte, dass du eine wunderbare Autorin abgeben könntest?" lachte er. Die Stimmung lockerte sich langsam auf. "Er wäre sicher stolz auf dich gewesen, wenn er noch...." er stockte. Sein Lachen verschwand aus seinem Gesicht und sein Kopf senkte sich. Ich wusste nicht was ich tun konnte,um Leon aufzuheitern.

"Aber auf dich war er auch immer total stolz. Weißt du noch, wie er zu jedem deiner Fußballspiele kam? Ich meine er war auch bei fast jedem Training da" vorsichtig lächelte ich ihn an und legte eine Hand auf sein Knie. Mein Versuch seine Gedanken von dem Tod seines Großvaters abzuwenden schien ein wenig funktioniert zu haben.

"Ja, Oma hat deswegen immer mit ihm geschimpft, weil er lieber bei mir im Training war, als mit ihr in die Kirche zu gehen" er hob seinen Kopf und seufzte zufrieden.

Wir redeten noch eine Weile über die Familie, unsere Lebenszustände und unsere nicht existenten Liebesleben.

"Ich hatte in den letzten Jahren keine Beziehung mehr" berichtete er, nachdem ich ihm nach seiner letzten Beziehung gefragt hatte.

"Also war Yasmin deine...deine letzte Freundin?" hakte ich nach. Er nickte.

"Liebst du sie noch?" ich versuchte die Angst in mir zu verbergen.

"Nein. Die Trennung war schwer für mich, aber ich bin über sie hinweg." erklärte er kopfschüttelnd. Ich versuchte die Freude in mir drin und das Lächeln auf meinen Lippen zu verbergen. "Ich habe mir nach Yasmin geschworen nie wieder Alkohol zu trinken"

"Hat es funktioniert?"

"Nein, nicht so ganz. Ich bin zwar nicht mehr abgerutscht, aber auf ein paar Bierchen auf der ein oder anderen Party oder einfach Mal so kann ich leider nicht verzichten" er kratzte sich nervös am Hinterkopf. Ich nickte.

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Ich bedanke mich schon mal für jegliche Art von Kritik <3

The girl from the bus stop I girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt