Kapitel 38: Unliebsames Wiedersehen

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Royas Blick, als Rajan hinter mir das Zimmer betrat, wäre beinahe lustig gewesen, wenn in meinen Gedanken nicht noch immer ein gruseliger Mann mit stählernen Augen herumspuken würde.
Etwas rot anlaufen tat ich aber trotzdem, als ich sie bat, dass Zimmer zu verlassen und sie mich mit riesigen, weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ich konnte mir in etwa vorstellen, was für ein Bild sie sich in ihrem Kopf ausmalte, bei dem Gedanken, was wir alleine hier um diese Uhrzeit tun würden.
Ich gestattete Rajan, an dem Tisch Platz zu nehmen und setzte mich ihm gegenüber.
„Ich weiß nicht, wie viel dir über die damalige Rebellion bekannt ist", begann er unverwandt, „Aber Nebelkamm stand damals gegen den König. Es war Morics Vater, der zu dem Zeitpunkt amtierender Lord war, aber du weißt selber, wie sehr man von seinen Eltern und dessen Ansichten geprägt wird. Sowohl Odrick, als auch sein Rat halten Kasgarth für einen der Hauptverantwortlichen des neuerdings wieder aufkeimenden Rebellionsgeflüsters. Und ich kann nicht behaupten, dass ich anderer Meinung bin. Kasgarth ist ein hinterlistiges Biest, das dir tausende Versprechen gibt und dich dann hinterrücks an deine Feinde verscherbelt. Er sprach meinem Vater stets seinen Respekt aus und seit ich Lord bin, tut er nichts anderes, als mich zu malträtieren und zu demütigen. Wie auch seine Bemerkung eben. Egal, was ich tue oder wofür ich mich ausspreche, er behandelt mich als nicht vollwertig und tritt meine Meinung mit Füßen. Ich sei 'zu jung und unerfahren'. Ja, vielleicht! Vielleicht bin ich zurzeit der jüngste amtierende Lord, aber ich habe seit ich klein bin auf diesen Posten hingearbeitet! Und auch wenn ich erst seit drei Jahren Lord von Meereshorn bin, habe ich doch nicht erst seit diesem Zeitpunkt eine Ahnung von meinem Land und der Politik! Mein Vater hat schon früh meine Meinung zu seinen Entscheidungen hinzugezählt. Trotzdem tut er so, als sei ich ein kleiner, dummer Junge." Er lehnte sich zurück und ich sah deutlich den Frust in seinen Augen. Das musste er anscheinend endlich mal los werden.

„Und die anderen Hohen Lords?", fragte ich vorsichtig. „Wie sehen die das?"
„Nicht so! Jedenfalls hatte noch niemand etwas an meinen Entscheidungen zu kritisieren." Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Selbst wenn! Soll er doch offen sagen, was ihn an meiner Politikführung stört, aber das tut er ja nicht!" Gereizt schnaubte er und ließ den Blick durch den Raum gleiten. Ich schwieg lieber und überließ ihn seinen Gedanken. Ehrlich gesagt konnte ich zu dem Thema nicht so recht etwas sagen, denn ich hatte bedauerlicherweise keinerlei Ahnung von Politik, weder von Lord Kasgarths noch von Rajans. Trotzdem schien mir Rajan nie überstürzt oder unerfahren, wie man das von einem 'kleinen, dummen Jungen' erwarten würde. Stattdessen empfand ich ihn als einen recht ruhigen und bedachten Mann, der sich stets seinen Taten und dessen Folgen bewusst war.
Sein Blick hatte die Runde durch den Raum beendet und blieb wieder an mir hängen. Lange betrachtete er mich einfach, der Zorn war aus seinen Zügen verschwunden. Ich erwiderte den Blick einfach. Vor noch nicht allzu langer Zeit hätte ich sofort weggeschaut, aber wie ich schon vorhin auf der Mauer bemerkt hatte, hatte sich unser Verhältnis deutlich verändert.
„Ist dir eigentlich bewusst, wie wichtig du bist?", fragte er leise, seine Stimme war fast nur ein Hauch.
„Wie wichtig bin ich denn?", fragte ich ebenso leise zurück.
„Sehr wichtig." Kurz tauchte ein leichtes Schmunzeln auf seinen Lippen auf, das aber ebenso schnell verschwand, wie es gekommen war. „Du bist das Verbindungsstück. Unsere Heirat ist ein klares Zeichen an die Rebellen. Wenn es tatsächlich zu Aufständen kommen sollte, können wir sie sowohl von oben, als auch von unten zerdrücken."
„Das könntet ihr auch ohne Heirat."
„Theoretisch ja. Aber eine Blutsverbindung ist der mächtigste Pakt, den man schließen kann. Damit werden quasi der Norden und der Süden zu einem großen Ganzen. Lordschaften, die vielleicht noch unschlüssig sind, kann das sehr beeinflussen, bereits bekennende Rebellen einschüchtern."
Ich nickte langsam. „Ich glaube so etwas ähnliches habe ich von meinem Vater auch schon gehört."
Rajan nickte ebenfalls. „Dein Vater und ich haben auch vor einigen Monaten darüber gesprochen."

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