Kapitel 25: Odrick Aellin

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König Odrick verbeugte sich elegant und als er wieder hoch kam, war sein sympathisches Gesicht mit einem breiten Grinsen geziert.
Da ich augenscheinlich nur wie erstarrt da stand und meine Verwandlung zur Tomate fortführte, sah er zu Lord Thymeris.
„Rajan? Überlässt du sie mir die nächsten Minuten?"
Dieser machte nur eine einladende Armbewegung, drückte noch einmal meine Hand, bevor er sie los ließ und huschte davon. Ohne großes Prozedere ergriff sie stattdessen der König und legte seine andere Hand unter mein Schulterblatt. Automatisch glitten meine Finger zu seiner Schulter.

Offensichtlich war das vorherige Lied tatsächlich einmal zum Ende gekommen, denn es war kurz still bevor ein neues einsetzte und er mit seinen Schritten anfing und mich mit zog.
Die ersten paar Takte grinste er mich nur offen an, während ich versuchte überall in seinem Gesicht hinzuschauen, nur nicht in seine frech glitzernden Augen.
„Und wie ist er?", fragte er plötzlich aus dem Nichts heraus.
„Hm?", war meine einzige, geistreiche Bemerkung dazu.
„Rajan, wie tanzt er? Ich sehe immer nur, wie die Frauen vor seinen Füßen dahinschmelzen, aber Ihr als seine Verlobte habt Euch nichts anmerken lassen." Sein Grinsen wurde noch ein Stück breiter.
„Ehm, er tanzt... gut."
„Ach wirklich?" Er zog die Augenbrauen hoch, wahrscheinlich wegen meiner Zögerlichkeit.
„Nun, ich habe nur den Vergleich zu meinem Bruder Arlisar, und dahingegen tanzt Lord Thymeris wie ein Gott."
Ich zuckte kurz zusammen, als der König in schallendes Gelächter ausbrach. Er unterbrach sogar kurz den Tanz, um sich den Bauch zuhalten und auf seinen Oberschenkel zu schlagen. Ich hingegen wusste nicht mal, was daran so wirklich witzig war. Etwas verloren stand ich vor ihm und blickte mich flüchtig um, denn ich spürte mal wieder sämtliche Augen auf uns gerichtet. Ich sah zum Podest, wo der Lord wieder Platz genommen hatte. Er lächelte nur und drehte mal wieder an seinem Kelch.

„Ihr gefallt mir, Lady Aree, wirklich", gluckste Odrick, während er mich wieder an die Hand nahm und versuchte in den Takt zu kommen. Eine Weile tanzten wir so vor uns hin. Ab und zu brach ein leises Kichern aus ihm, aber größtenteils beließ er es beim Grinsen.
Als ich gerade fertig war seine diamantenbesetzte Brosche in Form eines Greifen zu betrachten und aufsah, bemerkte ich, dass seine Miene ernst geworden war, obwohl sich tief in seinen dunklen Augen noch immer dieses Glitzern verbarg.
„Ihr erinnert Euch doch bestimmt an den Krieg gegen die karzenischen Stämme vom westlichen Kontinent vor etwa zehn Jahren, nicht wahr? Euer Vater kämpfte dort an meiner Seite und ich meine auch Euer ältester Bruder stand dort auf dem Schlachtfeld."
Ich nickte. An den Krieg selbst erinnerte ich mich nicht direkt, aber mir war eine längere Phase, in der Vater und Arlisar nicht in Schneewacht waren, im Gedächtnis geblieben.

„Diese westlichen Barbaren kämpfen nicht nur mit herkömmlichen Waffen, müsst Ihr wissen. Sie hatten Männer bei sich, die sie selbst Schwarzkünstler nannten. In der entscheidenden Schlacht dieses gottverdammten Krieges erwischte mich, beim letzten verzweifelten Aufbäumen der Karzenen gegen unser Heer, ein Fluggeschoss, ich nehme an eine Art Schleuder oder ähnliches. Jedenfalls zerplatzte dieses Geschoss an meinem Kopf und ich ging augenblicklich in Flammen auf. In dem Moment fürchtete ich wirklich, es wäre das Höllenfeuer, das um mich herum loderte. Ich riss mir noch rechtzeitig die Rüstung vom Leibe, obwohl ich auch dort nicht gänzlich unversehrt blieb." Er zog sein Hemd beiseite, sodass er ein Stück seiner mit leichten Verbrennungsmalen übersäten Brust entblößte. „Nur konnte ich mich meiner Haare nicht entledigen und so brannte das Feuer auf meinem Kopf so lange, bis es keine Nahrung mehr fand und erlöschte. Ich weiß bis heute nicht welches Teufelszeug Haare so verbrennen lässt, als wären es trockene Zweige." Sein Blick hing an einem Punkt hinter mir und anstatt zu tanzen, schunkelten wir eigentlich nur noch auf der Stelle. Ich schwieg, wollte ihn nicht in seinen Gedanken stören.

Irgendwann seufzte er und sah wieder zu mir runter, ein halbherziges Grinsen auf den Lippen. „Wisst Ihr, früher war ich für Frauen durchaus attraktiv, heute rennen sie vor mir weg."
Ich zog meine Mundwinkel zu einem kläglichem Versuch, sein Grinsen zu erwidern, hoch.
„Nun, ich stehe noch hier."
Kurz blinzelte er irritiert, dann brach er wieder halb zusammen vor Lachen

~

Der immer noch kichernde König führte mich hoch zu unserer Tafel und zog mir noch den Stuhl zurück, bevor er sich wieder überschwänglich verbeugte und in Richtung des Wappens von Waldherz verschwand.
„Ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe", sagte ich zu Lord Thymeris, der mich erwartungsvoll ansah.
„Nichts, das ist völlig normal." Er grinste, aber dann wurde sein Blick nachdenklich und er sah auf den Kelch in seinen Händen. „Ich bin froh, dass es wieder so ist."
Gerade als ich nachhaken wollte, was er meinte, sprach er weiter. „Vor einigen Jahren starb seine Frau, Lady Josephine im Kindbett. Vielleicht erinnert Ihr Euch. Er liebte sie sehr... und es zerriss ihn. Das Kind überlebte ebenfalls nicht."
„Oh." Betroffen senkte ich den Blick. An die Tragödie von damals hatte ich keinen Augenblick lang gedacht. König Odrick war ein lebenslustiger, manchmal etwas verspielter, aber auch durchaus ernstzunehmender Mensch. Es war unmöglich ihn mir als gebrochenen Mann vorzustellen. „Seine Kraft ist bewundernswert."

Der Lord nickte. „Ja. Ich wüsste nicht, ob ich das könnte, wenn..." Sein Blick kreuzte meinen und als ich begriff, errötete ich augenblicklich. Er griff nach meiner Hand und drückte sie leicht. „Er muss erneut heiraten, schließlich braucht er einen Thronfolger. Noch windet er sich erfolgreich aus dem Thema heraus, aber es ist ihm sehr wohl bewusst."
„Hm."
Als er es erwähnte, kam mir ein ganz anderer Gedanke. „Was ist mit unserer Hochzeit?", fragte ich schnell, bevor ich zu sehr darüber nachdenken könnte. Die Frage war ja wohl berechtigt.
Etwas in seinen Augen änderte sich, doch ich konnte nicht genau sagen, was es war. Sein Daumen begann kleine Kreise auf meinen Handrücken zu malen und als er zu unseren verschränkten Fingern hinab sah, löste sich eine Locke und fiel ihm in die Stirn. „Nun ja. In zwei Tagen ist erst einmal der Geburtstag des Königs und damit das Turnier. Danach wird viel Aufwand mit der Abrechnung sein und daraufhin wird es noch einige wichtige Ratssitzungen geben, weswegen mein Vetter mich ursprünglich her gebeten hatte. Eine Weile wird es noch dauern, fürchte ich."
Ich nickte nur stumm und starrte ebenso auf unsere Hände hinab.
Tatsächlich musste ich feststellen, dass mir der Gedanke an die Hochzeit nicht mehr so schwer fiel wie noch vor ein paar Wochen. Mit der Zeit war ich Lord Thymeris ein Stück näher gekommen, hatte ihn besser kennengelernt. Es gab nur ein Thema, dass mich davon abhielt, mich ihm wirklich zu nähern und ihm zu vertrauen. Und das war Sarameh.

„Ihr seht müde aus, Lady Aree. Soll ich Euch in Eure Gemächer bringen?" Er lächelte mich an. Ich erwiderte das Lächeln milde.
„Ja, bitte."
Bevor er mich aber aus dem Saal führte, nahm er mich noch einmal mit zum Tisch, an dem Lord Oakwin saß, gerade in ein Gespräch mit König Odrick vertieft. Als man uns bemerkte sahen sie auf.
„Lady Aree zieht sich zurück", erklärte Lord Thymeris.
„Ah, dann wünsche ich Euch angenehme erste Nacht in Goldstern!" Der König zwinkerte mir zu, griff meine freie Hand und gab einen leichten Kuss darauf. Lord Oakwin nickte mir nur zu. Mein Blick huschte zu der jungen Frau neben ihm. Ihre grünen Augen blitzten freudig, während sie mich mit strahlendem Gesicht musterte. Ich musste wirklich herausfinden wer sie war.

Stern des NordensWhere stories live. Discover now