Kapitel 20: Für dich

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2 Monate später: 

Gemütlich mache ich mich fertig. Ich flechte meine noch etwas nassen Haare zur Seite und schlüpfe in meine Klamotten. Heute ist mein 17. Geburtstag. Da letzte Jahr über ist so viel in meinem Leben passiert, dass ich ganz nachdenklich werde. Die Narben an meinem Körper sind immer noch zu sehen, aber sie beginnen zu verblassen. Sie werden mich wohl noch eine ganze Weile daran erinnern, wie hart der Weg bis hierhin war.

Ich bin fertig. Beim Vorbeigehen werfe ich noch einen letzten flüchtigen Blick in den Spiegel, dann gehe ich aus dem Bad. Vollkommen in Gedanken versunken, bekomme ich erst gar nicht mit, dass jemand auf meinem Bett auf mich wartet, als ich mein Zimmer betrete. "Hallöchen Geburtstagskind." Ich zucke zusammen und bleibe stehen. Vor mir sitzt meine bezaubernde Freundin. Sie lacht, steht auf, nimmt mich erst fest in den Arm und küsst mich dann liebevoll. Zusammen lassen wir uns aufs Bett fallen. Nach einer Weile lässt sie von mir ab. "Überraschung gelungen?" Das breite Grinsen in ihrem Gesicht ist immer noch da. Ich liebe es, wenn sie so lacht. Das macht sie noch viel schöner, als sie so schon ist. "Absolut gelungen! Ich habe wirklich nicht mit dir gerechnet. Wie kommst du überhaupt hier rein?" Sie runzelt spielerisch die Stirn und tut so, als wolle sie das nicht verraten. Ich muss lachen. "Deine Eltern haben mich rein gelassen." Wow, das ist jetzt überraschend. "Meine Eltern?" Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Seitdem uns meine Mutter im Bett überrascht hat, sind die beiden nicht sonderlich gut auf Izzie zu sprechen. Sie haben kein Problem mit meiner Sexualität, aber Izzie hat trotzdem immer versucht ihnen so gut es geht aus dem Weg zu gehen. Ich glaube, sie sind noch nicht ganz darüber hinweg, dass ihre Tochter erwachsen wird und mit ihrer Freundin geschlafen hat. Dafür machen sie wohl Izzie ein bisschen verantwortlich. Die gibt mir jetzt noch einen Kuss auf die Wange. "Ja deine Eltern. Zeigt das nicht, das auch noch Wunder geschehen?" Ich grinse und lehne mich mit dem Kopf an ihre Schulter. 

Nach einer Weile unterbricht sie die andächtige Stille, die zwischen uns herrscht. "Ich habe ein Geschenk für dich." Vorfreudig hebe ich den Kopf. "Aber dafür gehen wir woanders hin", setzt sie hinzu. Dann nimmt sie meine Hand und führt mich durch den Flur zu unserem Balkon. Draußen setze ich mich auf den Boden. Wie damals, nimmt sie sich eine Decke und legt sie mir von hinten um die Schultern. Dann setzt sie sich neben mich. Es ist ein schöner Herbsttag. Es regnet nicht mehr. Nun strahlt die Sonne die bunten Blätter der Laubbäume an und lässt sie noch ein bisschen farbenfroher wirken. Ein Eichhörnchen ist gerade dabei in unserem Beet eine Nuss zu vergraben. "Erinnerst du dich daran, wie wir hier vor einem Jahr saßen?" Ich nicke. Wie könnte ich das vergessen haben? "Da habe ich mich in dich verliebt." Ich schaue sie erstaunt an. Das wusste ich noch gar nicht. Sie zieht eine kleine Schachtel aus ihrer Tasche und reicht sie mir. Als ich sie öffne, liegt eine Silberkette vor mir. Der Anhänger ist eine kleine Feder. Ich kenne diese Kette, denn Izzie hat die gleiche. Sie muss wohl wissen, wie gerne ich diese Kette immer hatte. Vorsichtig nehme ich sie in meine Hand und streiche andächtig darüber. "Die soll dich immer an mich erinnern, wenn du sie trägst. Egal wie schwierig es mal zwischen uns wird, wenn du sie anguckst, wirst du immer an diesen Moment denken. Und an das, was zwischen uns ist." Sie hilft mir, sie umzulegen. Ich will mich gerade bedanken, doch sie unterbricht mich. "Warte, ich habe noch etwas für dich." Hinter ihrem Rücken holt sie ein gerolltes Blatt Papier hervor. "Ich dachte, du willst das hier vielleicht haben. Es ist das Gedicht, was ich dir geschrieben habe." Ich muss schlucken. Damit verbinde ich nicht nur gute Erinnerungen. Sie sieht es mir wohl an, denn sie meint: "Es hat eine letzte Strophe, die du noch nicht kennst. Die habe ich damals nicht vorgelesen, weil ich mich falsch entschieden habe. Aber eigentlich steht sie für ein Happy End."


Für dich:

Ich schaue dich an, mein Herz erstarrt,
ich rühre dich an, mein Finger er zittert,
ich werde rot, wenn deine Hand auf mir verharrt,
du küsst mich, mein Verstand - zerschmettert.

Doch alles, was mir bleibt
ist dir zu sagen, dass ich es nicht kann,
auch wenns mir Tränen in die Augen treibt,
vielleicht jetzt wird nun zu irgendwann.

Ich merke, ich werde dich sehr missen,
wie gern ich doch hier bliebe,
sollst du nur eines von mir wissen:
es gibt nichts, was ich mehr liebe.

Wie gerne doch würde ich nun sagen,
du und ich in Ewigkeit vereint:
dem Schicksal zum Trotz, ohn' drüber zuklagen,
bloß ist es die Gesellschaft, die uns weiterhin verneint.

Stell dir vor, es gibt nen Ort -
weit, weit von hier fort,
den keiner kennt, außer wir zwei,
wir wär'n dort also völlig frei,
kein Hass, kein Neid und keine Gier,
dann bliebe nur das Wir.

Mit dem Herzen voller Kummer, muss ich nun gehen,
vielleicht dich nimmer wiedersehen,
doch gewähr' mir diesen letzten Kuss,
bevor das hier das End' sein muss.

Bloß wenn ich jetzt in deine Augen schau,
wird meine Stimme plötzlich rau,
merk, ich bin nicht bereit für diese Reise. 
Drum wispert tief in mir mein Herz ganz leise:
"Ich lieb' dich noch!"
Vielleicht bleibe ich ja doch


Ich lächele und beuge mich vor um sie zu küssen. Dieses Ende gefällt mir wesentlich besser. Der sanfte Herbstwind umspielt unsere Haare. Der Geruch von frischer Luft gemischt mit Izzies süßem, leichten Duft dringt in meine Nase. Sie murmelt: "Ich liebe dich." 


Es ist alles gut. Sicher nicht für immer und ewig, wie Märchen es einem früher immer suggeriert haben, aber für den Moment ist mein Leben in Ordnung. Und das reicht mir erst einmal. Das liegt natürlich ganz besonders an jemand Bestimmten, der in mein Leben getreten ist, um mir zu zeigen, dass vieles, was ich über mich selbst dachte, nicht stimmte. Dieser jemand ist eine ganz besondere Frau.
Es ist
Sie.


Ich denke, es sollte so enden, wie es begonnen hat. Deswegen war es das jetzt mit runden 20 Teilen von meiner kleinen Geschichte. Letztendlich ist es dann doch das kitschige Happy End geworden :D. 

Ein großes Dankeschön geht an alle, die bis hierher durchgehalten haben. Ich hoffe, es hat dem ein oder anderen ein bisschen gefallen. Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass meine erste Geschichte hier überhaupt jemand liest, aber offensichtlich habe ich mich geirrt. In mache Teile ist einiges an Mühe und Zeit geflossen, an denen liegt mir dementsprechend viel. (Gerade das Gedicht. In der Hinsicht bin ich echt nicht begabt, müsst ihr wissen. Aber ich wollte unbedingt, dass Izzie ein Gedicht vorliest, also saß ich eine halbe Ewigkeit daran, bis es einigermaßen erträglich wurde).

Von mir werden demnächst hoffentlich weitere Geschichten kommen. Sehr wahrscheinlich dann aber mit anderen Themen.

Ich wünsche euch einen guten Start in die neue Woche!

Calypso

She - Als mein Leben ins Wanken gerietWhere stories live. Discover now